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Von Benjamin von Wyl

Journalist

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26. Oktober 2016 um 13:39

Warum ich gerne mit meinen besten Freunden rummach

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Mein bester Freund hatte deswegen schon Probleme mit seiner Freundin. Weil meine körperliche Ausfälligkeit da irgendwie missverstanden wurde. Immer augenzwinkernd. Aber es war auch augenzwinkernd ein Problem, als ich mir den Kopf rasiert hab. Denn sie, die Freundin des meistbetroffenen besten Freundes, trägt schon länger eine Glatze. Ich will ihr ihren Freund auch nicht wegnehmen. Ich würde schon wollen, wenn seine Haare braun und er eine Frau wäre. Mein Trieb ist da recht eindeutig, langweilig.

Dass ich manchmal - auch wegen seiner Freundin, in letzter Zeit seltener - mit diesem einen besten Freund und auch mit anderen «unter den besten» rummach, ist von Zärtlichkeit getrieben. Ist davon geprägt, dass ich es schön finde, wie sie leben, wie sie denken, fühlen, wahrnehmen. Auch aus Nostalgie, der alten Zeiten und der Nacherzählungen von alten Zeiten wegen. Dass ich alles, was sie der Welt von sich preisgeben, bewundere. Und das kann sich im Krakeelen eines Lieds (Meist Going to Georgia von The Mountain Goats. Unser Lied!) äussern, in Whiskey, in einer langen Umarmung, in einem Backenkuss und dann und wann auch in was, wo sich Zungen verbinden. Das hängt von der Situation ab. Das hängt davon ab, ob man auf einem Sofa rumfläzt. Das hängt davon ab, ob man nüchtern ist, übermütig. Das hat sich auch einfach mal so ergeben. Impulse in Situationen. Vielleicht MDMA als Katalysator, aber da bin ich auch nicht mehr sicher.

Ich mache nicht mit allen meinen Freunden rum. Ein sehr körperfixierter Schauspieler, der mir sehr nahe steht, durfte zwar zehn Tage lang mit mir Löffelchen schlafen (meine Bedingung war: Ich will das Grosse sein), aber trotzdem verweigere ich ihm «mehr». Teilweise, weil er sehr aufsässig ist. Teilweise, weil ich einen eigenen Willen haben – to make a point. Aber auch, da auch diese Form von Zärtlichkeit damit zusammenhängt, ob jemand gut riecht, ob jemand feine Haut hat und einfach, was für eine Dynamik zwischen zwei Menschen herrscht. Selbstverständlich ist das homoerotisch. Aber genauso selbstverständlich tut es in Zeiten von Pornhub, Youporn und Porn [Bitte beliebigen Begriff aus dem Oxford Dictionary einfügen] gut, wenn man Erotik losgelöst von Sexualität erfährt.

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Diesen Artikel schreibe ich nicht wegen dem Titel und wegen irgendeines – eh nur in einer bigotten Lebensrealität möglichen - «Skandalpotenzials», sondern da es mich traurig macht, was wir alle – Frauen wie Männer, bei dem spezifischen Thema Männer noch viel mehr - für Grenzen haben. In unserem Umgang miteinander. Dass wir unsere zwischenmenschlichen Beziehungen nicht als Kontinuum betrachten. Früher war das bei mir auch noch anders.

Bis etwa 19 habe ich meinen Umgang mit den Menschen in meinem Umfeld streng nach Kategorien rationiert: Das ist mein Freund – also gebe ich ihm die Hand. Das ist meine Partnerin – also schlafe ich mit ihr. Das ist meine Mutter – sie zum ersten Mal nach der Pubertät zu umarmen, war ein grosser Schritt. Oh, ich bin an einem Punkkonzert - also vermischen wir unseren Schweiss eine Nacht lang. Noch vorher war mein Freundeskreis der Meinung, gemeinsam verbrachte Zeit, bestünde vor allem daraus, jemandem einen Abend lang bei Unreal Tournament über den Rücken zu schauen, ab und an zu kommentieren und sich dabei auf Bürostühlen rumzudrucksen.

Dass man nicht nur mit Worten jemandem zeigen kann, wie sehr man ihn mag, musste ich erst wieder lernen. Dafür bin ich meiner Aargauer Kanti-Hippie-Riege sehr dankbar. Umarmungen. An der Uni hätte ich es nicht gelernt. Wenn man von Beginn weg als «Kopfmensch» abkategorisiert wird, hilft es nur wenig, wenn man in ein Umfeld kommt, in dem einem gesagt wird: «Sei ja nur Kopf!» Zum Glück gibt es verzweigte Gänge in den Uni-Bibliotheken. Zum Glück hat man als studentischer Mitarbeiter auch einen Schlüssel zur Uni. Zum Glück gibt es an Unis viele Menschen, die sich der Diagnose «Kopfmensch» entziehen wollen.

Was ich bis heute konsequent ignoriere - bei Freunden und Fremden - sind angedeutete Backenküsse («Drüüü Küssli i de Schwiiz»): Zwar gibt es eine «angedeutete» körperliche Verbindung, aber die ist so mechanisch, floskelhaft, indifferent, dass man es gleich lassen kann. Die Küsschen versagen für mich jede Begegnung. Und natürlich kann man Menschen nicht zu Begegnungen zwingen. Natürlich, möchte ich nicht fordern, dass alle mit ihren besten Freunden rummachen. Oder dass alle mit allen rummachen. Jeder wie es jedem beliebt. Aber es entspringt einer ehrlichen Sehnsucht, dass sich Menschen wirklich begegnen. Und Körperlichkeit ist da - zumindest im Privaten – ein Faktor. Ich möchte mich auf Dynamiken einlassen und Situationen geschehen lassen.

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