Stories for Future: Pizza mit gutem Gewissen - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von stories for future

Kolumnist:innen

23. Dezember 2023 um 06:00

«40 Rappen für eine menschenwürdige Pizza ist ein No-Brainer»

Lobo Lutz und Tobias Zimmermann, Gründer des Neuen Food Depots, wollen dafür sorgen, dass der nächste Pizzeria-Besuch nicht mehr zu einem ausbeuterischen System beiträgt. Wie das geht, erklären sie in der aktuellsten Kolumne von Stories for Future.

Lobo Lutz und Tobias Zimmermann machen Pizza politisch. (Foto: Stories for Future)

«Meine Pizza ist fair!» Das ist der Slogan unserer Kampagne, mit der wir mit dem Neuen Food Depot faire Tomatensauce in Zürcher Pizzerien bringen wollen. Denn wer weiss schon, unter welchen Bedingungen die Zutaten auf unserer Pizza produziert wurden? In den meisten Fällen nicht einmal das Restaurant.

Tomaten aus Italien werden von migrantischen Arbeiter:innen gepflückt. Viele leben in inoffiziellen Siedlungen, in menschenunwürdigen Zuständen. Die Mafia ist in grossem Stil involviert. Sogenannte «Caporali» laden die Menschen dort in ihre Autos, ab da sind sie in ihren Fängen. Auf den Feldern werden sie pro 300 Kilogramm Tomaten bezahlt, pro Person, in grosser Hitze, ohne ausreichende Wasserversorgung. Einen Teil des Lohns knöpfen ihnen die Caporali gleich wieder ab.

2011 gründete der Aktivist Yvan Sagnet die Organisation No Cap, mit der er gegen die Ausbeutung von migrantischen Arbeitskräften in Italien kämpft. Das System ist simpel. Man holt die Arbeiter:innen mit eigenen Fahrzeugen ab, ist zusammen mit ihnen auf den Feldern, schaut, dass sie anständig bezahlt werden und dass die Arbeitsbedingungen eingehalten werden. Die Arbeit ist für Yvan, der selbst aus Kamerun nach Italien gekommen war, lebensgefährlich. Schon mehrmals wurde er mit dem Tod bedroht.

Je mehr No-Cap-Tomaten gekauft werden, desto mehr Menschen kann die Organisation vor Ort beschäftigen, um die Migrant:innen zu schützen. Dazu wollen wir mit unserer Kampagne einen Beitrag leisten. Unsere Idee: In Zürich haben wir alle unsere Lieblingspizzeria. Vielleicht kennen wir sogar die Menschen, die dort arbeiten. Beim nächsten Besuch nimmst du einen Flyer mit und fragst: Welche Tomatensauce ist eigentlich auf meiner Pizza? Wollt ihr nicht auf faire Tomatensauce umsteigen? Verdient eine gute Pizza nicht auch gute Zutaten? Vielleicht ist es ja nicht der erste Flyer, der ein Umdenken bewirkt, aber dafür der dritte.

Wir verkaufen die Produkte aus No-Cap-Tomaten an verschiedene Food-Kooperativen. Auch die Pizzerien können sie ganz einfach von unserem Lager beziehen, wir regeln den ganzen Import und Transport. Für uns ist das kein Gewinngeschäft, aber wenn jemand doch lieber direkt bei Yvan bestellen möchte, stellen wir gerne den Kontakt her. Pizzerien, die mitmachen, unterstützen wir mit Poster, Flyern und Öffentlichkeit.

Uns ist bewusst, dass Restaurants sehr eng kalkulieren müssen. Und natürlich sind die No-Cap-Tomaten teurer als der allergünstigste Shit. Dafür bekommst du eine speziell gute Pizza und als Pizzaiola oder Pizzaiolo kannst du nicht nur auf dein Handwerk stolz sein, sondern auch auf die Tomatensauce. Und sowieso: Pro Pizza liegen die Mehrkosten lediglich bei ungefähr 15 bis 40 Rappen. 40 Rappen für eine menschenwürdige Pizza ist doch ein No-Brainer.

Hier erfahrt ihr mehr über «NO CAP». Hier ladet ihr den Kampagnen-Flyer herunter, den ihr in eure Lieblingspizzeria mitnehmen könnt. Und am 31. Januar 2024 könnt ihr Yvan Sagnet in der City-Kirche St. Jakob gleich selbst kennenlernen: Hier geht's zur Veranstaltung.

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