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Von Nadja Schnetzler

Kolumnistin / Collaboration Booster

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19. September 2020 um 08:30

Collaboration-Booster: Die Macht der Gewohnheit

Gute Zusammenarbeit, das kann doch nicht so schwer sein! Mit der richtigen Haltung und den passenden Werkzeugen stimmt das auch. Gib deiner Art, wie du gemeinsam mit anderen Grossartiges schaffst, einen Boost. Die heutige Kolumne von Nadja Schnetzler: Gewohnheiten bilden sich nicht von selbst.

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Bild: Unsplash

Ich lerne gerade jonglieren. «Gerade» heisst seit März. Es gibt Tage, an denen mir das mit drei Bällen schon recht gut gelingt, und andere Tage, an denen mir alle Bälle ständig runter fliegen und ich nur frustriert bin. Und doch: Das endlose Wiederholen und üben zahlt sich langsam aus, und ich glaube, nächstes Jahr kann ich vielleicht ein paar Tricks lernen oder einen vierten Ball ins Spiel bringen.

Wer Kinder in ihrem oder seinem Umfeld hat, weiss, dass sie Neues ebenfalls durch spielerisches Wiederholen lernen und das auch immer interessant finden, egal wie oft sie es repetieren. Es ist darum eigentlich logisch, dass auch gutes Zusammenarbeiten mit anderen Übung braucht.

In den letzten Kolumnen habe ich darüber geschrieben, wie sinnvoll es sein kann, einen gemeinsamen Antrieb zu definieren und diesen auch gemeinsam zu verfolgen, klare gemeinsame Vereinbarungen für die Zusammenarbeit zu treffen, Meetings anders zu organisieren und so weiter. Alle diese Dinge brauchen Pflege und Übung. In vielen Firmen arbeitet man gerade auf die eine oder andere Art auf weniger hierarchische Zusammenarbeits- oder gar Organisationsformen hin und bricht damit mit jahrzehntelang eingeübten Vorgehensweisen und Rezepten.

Nadja Schnetzler
Nadja Schnetzler (47) begleitet Teams auf dem Weg zu exzellenter Zusammenarbeit. Sie befasst sich seit über 30 Jahren intensiv mit den Themen Innovation, Kollaboration und Agilität und zählt Organisationen aller Branchen zu ihren Kunden. Nadja ist Mitgründerin der Ideenfabrik BrainStore und der Republik. Ihr neustes Projekt heisst «Generation Purpose» und befasst sich mit dem innersten Antrieb von Menschen und Organisationen.

Alles, was neu ist, müssen wir von Grund auf und in kleinen, verdaubaren Schritten einüben. Sogar dann, wenn wir uns darauf freuen, sogar dann, wenn wir davon ausgehen, dass es uns Spass machen wird. Bei neuen Formen des Zusammenarbeitens müssen wir vor allem viele Dinge verlernen, die wir seit Jahren oder Jahrzehnten tun, und müssen neue Trampelpfade in unserem Gehirn gehen, immer und immer wieder, die uns dann erst erlauben, das Neue überhaupt zu denken und zu tun.

Gewohnheiten bilden sich dann, wenn wir wie Kinder alles Neue xfach wiederholen, spielerisch und mit Freude wie beim Jonglieren. Uns nicht ärgern, wenn es uns nicht auf Anhieb gelingt, oder auch beim hundertsten Mal nicht. Dinge verändern gelingt uns dann, wenn wir neugierig, offen und geduldig mit uns selbst und anderen bleiben. «Oh, jetzt ist mir das schon wieder passiert! Verrückt, wie ich immer wieder in die gleiche Falle tappe, nächstes Mal gelingt es mir sicher besser», ist da die Haltung, die wir brauchen.

Wer Neues lernt, braucht auch Rhythmus. Wenn wir neue Formen der Zusammenarbeit üben und festigen wollen, müssen wir dafür Zeit investieren. Nicht einmal im Jahr an einer Retraite, nein, jeden Tag, jede Woche, jeden Monat.

Viele Teams üben neue Zusammenarbeitsformen zu wenig lange ein. Sie nehmen sich etwas vor und versuchen es zwar in den Alltag einzubauen, doch bald nehmen alte Gewohnheiten, Kommunikationsformen und Haltungen den Platz ein, wie Unkraut, das einen frisch gejäteten Vorplatz sofort wieder zudeckt, und verdrängen alles. Dann sagen diese Teams: “Das funktioniert nicht”. Als ob ihnen diese neuen Vorgehensweisen, Prozesse und Haltungen einfach in den Schoss fallen würden.

Gewohnheiten bilden heisst Dinge üben, üben, üben, wie eine Fünfjährige, die ihre Eltern mit der eintausendsten Darbietung von “Twinkle Twinkle Little Star” in den Wahnsinn treibt. Nur wenn wir die Basics wirklich meistern, können wir uns auf die nächste Stufe wagen. 18jährige Violinisten der “Suzuki-Methode” benutzen übrigens immer noch “Twinkle, Twinkle, Little Star” um schwierige technische Passagen zu üben. Das erste Lied, das sie mit fünf gelernt haben, begleitet sie damit über mehr als ein Jahrzehnt.

Aber nicht nur das Üben ist wichtig, auch das Reflektieren. Die Violinschülerin kommt alleine weniger schnell vorwärts, als wenn ihr die Geigenlehrerin jede Woche ehrliches Feedback gibt, und ich komme beim Jonglieren weniger schnell vorwärts als mein Freund, der das Jonglieren mit einem Personal Trainer erlernt, der ihn jede Woche korrigiert und ihm nützliche Tipps mit auf den Weg gibt.

Ohne Reflexion und ständige feine Kurskorrekturen können wir auch keine erfolgreichen neuen Zusammenarbeitsformen bilden. Es braucht nicht nur Arbeit im Team, sondern auch am Team, nicht nur Investition in die Arbeit an sich, sondern auch Investition in die Art, wie wir zusammenarbeiten. Ich kenne viele Teams, die auch nach jahrelanger Reflexion über ihre Zusammenarbeit immer wieder Neues einüben, schlicht und einfach, weil sich das Umfeld ständig ändert.

Ein Rhythmus hilft dabei. Wie wäre es zum Beispiel mit einem wöchentlichen oder monatlichen Treffen, wo ihr euch als Team etwas ganz konkretes vornehmt, dass ihr üben möchtet? Nach einer weiteren Woche oder einem weiteren Monat könnt ihr dann schauen, wie gut euch dieses Vorhaben gelungen ist. Ihr schaut neugierig zurück und stellt fest, welche «Bälle» euch runter gefallen sind, welche «Passagen der Musik» euch noch nicht ganz gelingen, und was ihr euch für die nächste Schlaufe vornehmt.

In sehr vielbeschäftigten Teams habe ich schon erlebt, dass diese Gewohnheitsbildung als enorm wertvoll wahr genommen wird, auch wenn sie alle vier Wochen eine halbe oder ganze Stunde Zeit braucht. Speziell wenn jemand von aussen kommt und nachfragt, wie es mit den neuen Gewohnheiten läuft. Teams, die sich an diesen Rhythmus mal gewöhnt haben, wollen ihn nicht mehr missen.

Es kann gut sein, dass ihr monatelang gefühlt am gleichen übt. Doch wenn ihr in einem halben Jahr oder einem Jahr vergleicht, merkt ihr plötzlich, was ihr tatsächlich geändert und dazu gelernt habt. Und dann können ihr euch der nächsten Gewohnheit zuwenden, die ihr aufbauen und festigen wollt.

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Wenn du Lust hast, mir zu schreiben, was dich beim Zusammenarbeiten mit anderen immer wieder beschäftigt, dann kannst du das hier tun. Wer weiss, vielleicht schafft es dein Anliegen ja in die nächste Kolumne!

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– Die Feminismus-Kolumne von Pascale Niederer & Laila Gutknecht Co-Gründerinnen von «das da unten».
– Die Collaboration-Booster-Kolumne von Nadja Schnetzler, Co-Gründerin von Generation Purpose.
– Die Papi-Kolumne von Antoine Schnegg, Co-Gründer seines Kindes.
– Die Sans-Papiers-Kolumne von Licett Valverde, frühere Sans-Papiers.
– Die Food-Kolumne von Cathrin Michael, Food-Bloggerin.
– Die Veganismus-Kolumne von Laura Lombardini, Geschäftsführerin der Veganen Gesellschaft Schweiz.

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