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Von Milad Al-Rafu

Freier Journalist

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11. Februar 2021 um 08:00

Von der Ethik und der Moral: Geld ist nicht neutral

Ist Geld per se unmoralisch? Oder hängt es davon ab, was damit angestellt wird? Und wie verbringt es seine Zeit, wenn es auf unseren Konten gelagert ist? Eine Einschätzung von Andreas Missbach von Public Eye und dem Rapper Tommy Vercetti.

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Der Doktorand und Rapper Tommy Vercetti über die Ungleichheit von Geld. (Alle Fotos: Manuel Zingg)

Pecunia non olet: Schon bei den Römern hiess es, dass Geld nicht stinkt. Bis heute hat sich dieser Ausspruch gehalten. Gemeint ist damit, dass es keine Rolle spielt, woher das erworbene Geld stammt. Dass es egal ist, ob es «dreckiger» oder «sauberer» Herkunft ist.

Eine gegenteilige Ansicht lässt sich neben den gängigen moralischen Vorstellungen jedoch gerade in unserem Strafrecht finden. So impliziert der Straftatbestand «Geldwäscherei», dass es «dreckiges» Geld geben muss, sonst wäre eine Reinigung weder notwendig noch möglich. Dass unser Geld zweifelhafter Natur sein kann, ist somit unbestritten. Die Frage, ob Geld jedoch per se moralisch fragwürdig ist oder ob es so etwas wie ethisch korrektes Geld gibt, ist weniger einfach zu beantworten.

Erwirtschaftet eine Person oder Firma etwa Geld, das in direktem Zusammenhang mit kriminellen Tätigkeiten und Menschenrechtsverletzung steht oder eine Zerstörung der Umwelt zur Folge hat, ist der Fall klar: Hier muss es sich um Geld handeln, dass auf unethische Weise erwirtschaftet wurde. Betrachtet man eine der kontroverseren Abstimmungsvorlagen des letzten Jahres, gestaltet sich der Fall jedoch schon ein bisschen schwieriger. Im November 2020 stimmte die Schweizer Stimmbevölkerung über die Kriegsgeschäftsinitiative ab: Mit dieser Initiative sollte verhindert werden, dass etwa Pensionskassen ihre Geld in Firmen investieren, deren Geschäftsfeld den Verkauf oder die Herstellung von Kriegsmaterial beinhaltet.

Banken geben etwa Glencore in Formen von Krediten Geld, mit diesem Geld baut Glencore dann eine Kohlenmine. Hier muss man sich fragen, ob solche Kreditvergaben nicht unethische Folgen haben.

Andreas Missbach, Public Eye

Hier zeigt sich ein klares Problemfeld: Das Geld, dass die Schweizer*innen während ihrer Erwerbstätigkeit einzahlen und dann im Rahmen ihrer Pension beziehen, liegt nicht ruhig bei den Pensionskassen. Das Geld wird vielmehr investiert, was zu Spannungsfeldern zwischen ethischen Fragestellungen und der Profitmaximierung führen kann. Ist nun nur das Geschäftsgebaren der Pensionskassen im genannten Fall problematisch oder betrifft es auch das Geld, das den Schweizer*innen jeden Monat in Form von Renten ausbezahlt wird? Die Beantwortung dieser Frage wird dadurch erschwert, dass die meisten Personen aufgrund der fehlenden Transparenz nicht genau über die Tätigkeiten der Pensionskassen Bescheid wissen.

Banken und das Geld

Wie bei den Pensionskassen liegt auch das Geld bei den Banken nicht auf der faulen Haut. Vielmehr befindet es sich in steter Bewegung: «Ein Teil des Geld braucht die Bank für ihre eigene spekulativen Geschäfte, ein weiterer Teil wird jedoch als Kredit an Unternehmen oder Privatpersonen vergeben, wobei auch davon ein Teil zur Spekulation verwendet wird» erklärt Andreas Missbach, Experte zu Finanzen und Rohstoff bei der NGO Public Eye. Das hierfür verwendete Geld stamme einerseits von Personen, die ihr Geld bei den Banken auf dem Konto haben, sowie von Kund*innen, die von der Bank explizit verlangen, dass es angelegt wird.

Andererseits handle es sich um Geld, das die Banken von der Nationalbank als Kredit beziehen. «Die Banken können das Geld der Kund*innen deshalb verwenden, weil die Banken nie das gesamte eingezahlte Geld auf einmal ausbezahlen können müssen», erklärt Missbach. Dies sei so, weil im Normalfall nie das ganze Geld, das bei der Bank liegt, von den Kund*innen gleichzeitig bezogen wird. «Dadurch findet automatisch eine Geldvermehrung statt», sagt Missbach. Zudem werde das einbezahlte Geld nicht unter dem eigenen Namen verbucht und gelagert, sondern es kommt in den grossen Topf mit all dem anderen Geld. Man bekommt also faktisch nie das gleiche Geld ausbezahlt, das man eingezahlt hat. Dies hat nicht zuletzt auch damit zu tun, dass das Geld auf dem Konto zunächst einfach eine Zahl ist, was sich eben gerade dadurch zeigt, dass die die Banken nie das ganze angelegte Geld in liquider Form besitzen.

Diese Dynamik wäre nun nicht per se problematisch. Die Banken tragen gemäss Missbach mit ihren Geschäften jedoch auf zwei Ebenen zu problematischen Entwicklungen bei: Durch die Vergabe von Krediten unterstützen Banken auch Unternehmen, die auf menschenrechtlicher oder ökologischer Ebene fragwürdig sind: «Banken geben etwa Glencore in Formen von Krediten Geld, mit dem dann etwa eine Kohlenmine gebaut wird». Hier müsse man sich fragen, ob solche Kreditvergaben nicht unethische Folgen haben.

Ausserdem sind die Banken ein fundamentaler Teil des globalen Finanzkapitalismus, ein System, das selbst sehr dysfunktional sei: «Profite werden im Milisekundentakt von Algorithmen generiert, die kaufen und verkaufen», sagt Missbach. Hierbei finde alles in einem solchen Tempo statt, dass es heutzutage schon darauf ankomme, wie nahe der Server der Händler*innen an der Börse seien: «Zusätzliche Hundert Meter Glaskabelfasernetz können einen Bruchteil einer Sekunde mehr bedeuten, was einen Unterschied für das Kaufen und Verkaufen von Aktien macht». Dies zeige die Absurdität des Systems auf. Zudem profitiere gemäss Missbach von dieser künstlichen «Wertvermehrung» fast niemand, ausser Personen mit einem sehr grossen Vermögen.

Wenn die Banken durch die Kreditvergabe und ihre Spekulationen fragwürdige, wenn nicht sogar unethische Entwicklungen befeuern, dann stellt sich notwendigerweise folgende Frage: Sind wir Kompliz*innen der Banken, indem wir mit unserem einbezahlten Geld das Fundament für dieses Verhalten liefern? Hier beschwichtigt Missbach: «Personen mit einem normalen Einkommen müssen sich keine Sorgen mache. Ihr Beitrag ist im Vergleich zu den Personen mit riesigen Vermögen minimal». Zudem sei es in unserer höchst komplexen Welt fast unmöglich, vollkommen ethisch zu leben. Was jedoch gemäss Missbach nicht bedeute, dass es sich nicht lohne, Veränderungen einzufordern.

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Simon Küffer alias Tommy Vercetti erklärt, warum Geld problematisch ist.

Geld und seine Ungleichheit

Für Simon Küffer, der gerade seine Doktorarbeit im Bereich des Gelddiskurses schreibt und als kapitalismuskritischer Rapper «Tommy Vercetti» bekannt ist, geht das Problem mit dem Geld noch weiter: Nicht nur was mit dem Geld angestellt werde, bestimme die ethische Dimension. Vielmehr sei das Medium Geld an sich schon problematisch. Denn: «Geld schafft auf zwei Arten Ungleichheiten», sagt Küffer. Zum einen sei Geld in einer Geldgesellschaft immer akzeptiert. Das bedeute, dass bei einem Tausch die Person, die Geld anbietet, immer im Vorteil ist. «Geld ist somit nicht neutral, es herrscht immer ein asymmetrisches Verhältnis vor». Dies ganz nach dem Motto «der Kunde ist König». Gerade diese Dynamik würde jedoch schnell in einem Erpressungsverhältnis enden: «Du brauchst einen Kredit, zahl zehn Prozent Zins! Du bietest deine Arbeitskraft an, weil du auf meinen Lohn angewiesen bist, akzeptierte den Betrag, den ich dir zahle!», verdeutlicht Küffer.

Zum anderen sei es historisch gesehen immer so gewesen, dass gewisse Personen viel mehr Geld anhäufen konnten als alle anderen. Neben der schlichten Gewalt und Ausbeutung sei hierfür auch das Geld verantwortlich: «Ausser Geld gibt es sonst es nichts, dass man so einfach anhäufen kann und gleichzeitig alle akzeptieren. Dies, weil Geld zunächst nichts ist ausser einer Zahl», erklärt Küffer. Ausserhalb einer Geldgesellschaft sei es hingegen ein Ding der Unmöglichkeit, etwa das Vermögen von Jeff Bezos in Naturalien zu akkumulieren.

Neben dieser Ungleichheit macht dem Rapper aber auch ein anderer Aspekt zu schaffen: «Geld ist der sozialen Realität und nicht den Naturgesetzen zuzuordnen. Gleich wie etwa Gesetze oder unsere Moral». Anders als irgendwelche Naturereignisse ist Geld deshalb Sache der demokratischen Aushandlung. Dass sich die Entscheidungsträger*innen in der Politik dennoch den «Sachzwängen» des Geldes beugen und nicht etwa die Wirtschaft und das Geld so modellieren, sodass es den Leuten dient, kritisiert er scharf: «Es wäre möglich, dem Geld Grenzen zu setzen. Sobald aber Unternehmer*innen oder Politiker*innen behaupten, sie müssen sich dem Markt oder dem Geld fügen, dann handelt es sich um eine ethische Entscheidung».

Trotz dieser Kritik teilt er die Meinung von Missbach, dass es sich lohnt, Anstrengungen zu unternehmen, die Welt zu einem gerechteren Ort zu machen. Auch wenn die Grundbedingungen unseres Systems zumindest problematisch sind. Denn: «Eine zynische Haltung führt nur dazu, dass sich Personen noch mehr von jeglicher Verantwortung entbunden fühlen. Am Schluss geht es jedoch um reale Menschenleben.»

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