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4. September 2017 um 07:08

Lila. Das erste queere Festival der Schweiz: «Wir wollen queere Kunst sichtbar machen»

Zürcher Dragqueens, New Yorker Queer Rap, lila Literatur und viel anderes Falschsexuelles zwischen Tanz, Musik und Befreiung: lila. ist das erste queere Festival der Schweiz. Wir haben die Organisatorin Nina Hüsser interviewt und über das Festival, Machtstrukturen und Engagement gesprochen.

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Die Zürcher Drag Queen Milky Diamond. Bild: milchjugend.ch/lila.

Kurz und knackig: Warum sollte man (als Zürcher*in und überhaupt) ans lila.?

Nina: Willst du ein Wochenende lang das Leben geniessen? Zusammen mit internationalen Artists, wilden Performances und zauberhaften Menschen? Dann komm ans lila. Das erste queere Festival der Schweiz. Das findest du nicht in Zürich – oder sonst irgendwo.

Kannst du uns etwas über das Konzept eures Programms erzählen?

Wir wollen zeigen, wie vielfältig queere Kunst ist: Musik, Performance, Tanz, Literatur. Wir wollen ein möglichst breites Spektrum abdecken, um den Leuten auch mal etwas zu zeigen, was ausserhalb von dem ist, was sie sonst konsumieren.

Der New Yorker Le1f hat sich einen Namen gemacht als queerer Rapper.

Seht ihr euch also als Instanz, die vermittelt und sichtbar macht?

Genau. Wir wollen auf der einen Seite queere Kunst sichtbar machen, auf der anderen Seite aber auch einen Raum schaffen für junge Leute jeglichen Hintergrunds. Egal ob geoutet oder nicht. Man sollte unbeschwert Gleichgesinnte treffen können. Wir wollten einen Raum ermöglichen, der für alle offen ist, die ihn brauchen wollen, queere Menschen und solche, die respektvoll mit ihnen umgehen.

Ihr möchtet also gewissermassen einen Schutzraum bieten, in dem die Community sich treffen kann und queere Kunst sichtbar wird? Oder was ist euer Ziel, euer Traum?

Also sicher möchten wir erstmal ein cooles Wochenende über die Bühne bringen. Wir sind alle schon sehr vorfreudig. Der Ort ist super, das Programm ist toll, wir haben superfeines Essen. Ja, das steht erstmal im Vordergrund: Ein tolles Wochenende für die Leute, damit sie auch sehen, dass sie nicht alleine sind. Ein anderer wichtiger Punkt ist auch, queerer Kunst eine Plattform zu bieten, weil diese teilweise selbst innerhalb der Community nicht so präsent ist. Sicher, Sookee ist bekannt und vielleicht Dragqueens, ok, die sind sichtbar. Aber beispielsweise Tanz oder Literatur sind Kunstsparten, die ohnehin schon Nischenplätze besetzen. Innerhalb davon ist der Zugang zu queerer Literatur beispielsweise nochmal schwieriger...

... für die Literatur habt ihr beispielsweise Lou Meili?

... genau, und solchen Künstler*innen wollen wir eine Plattform bieten. Auch wichtig: Das Festival wird ausschliesslich von Jugendlichen organisiert. Es sind 70 Jugendliche an der Organisation beteiligt, und das finde ich schon sehr cool und wichtig. Ihnen zu zeigen: Hey ihr könnt etwas bewegen, es entsteht etwas ganz Konkretes und es lohnt sich, sich zu engagieren. Sie auch auf die Idee zu bringen, eigene Projekte zu realisieren. Das hat etwas sehr Ermutigendes.

Du siehst es also auch als Beitrag zur Community, quasi «community building»? Ich meine nicht nur für die Konsument*innen, sondern auch für die Organisator*innen?

Voll. Ich finde bei einigen queeren Projekten ist das Problem, dass man mit einem recht negativen Ansatz herangeht. Oft wird gesagt: Unsere Ausgangslage ist immer noch wahnsinnig schlimm, wir werden immer noch stark diskriminiert. Und das stimmt zwar, aber dieser Ansatz ist nicht ermutigend. Unser Ansatz ist eher so, dass wir sagen: Hey, wir sind super so, wie wir sind – in dem Wort «falschsexuell» der Milchjugend kommt das auch zum Ausdruck, dieser gewisse Stolz. Es geht darum, zu erfahren, dass man etwas Tolles auf die Beine stellen kann, wenn man sich engagiert.

Ihr gebt den Jugendlichen eine positive Selbsterfahrung, eine Ermächtigung.

Genau und dieser stärkende Zugang, das finde ich sehr wichtig.

Es gibt ja auch Community interne Diskriminierung und Machtstrukturen. Ist dir das bei deiner Arbeit auch aufgefallen?

Hmm. Also dass beispielsweise Lesben oder generell frauenliebende Frauen* in der Community viel weniger sichtbar sind als Männer*, das ist ein grosses Problem, das mir häufig auffällt und mich stört. Wir wollen dem natürlich entgegenwirken, in dem beispielsweise viele Ressorts von Frauen* geleitet werden und wir auch viele Künstlerinnen* an Bord haben. Aber diese Machtstrukturen sind ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, die ziehen sich durch und das ist ein Problem.

Transmenschen sind auch bei der Milchjugend dabei?

Ja, klar!

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Die Organisatorin Nina Hüsser.

Du machst ja auch Politik. Ist die Sexualität für dich auch politisch?

Ja eh. Nur schon die rechtliche Diskriminierung von queeren Menschen ist immer noch da, auch wenn sich langsam etwas tut, aber die gesellschaftliche Situation ist immer noch himmelschreiend. Die LGBT+-Helpline, bei der man sich melden kann, wenn man homophobe oder transphobe Gewalt erlebt hat, musste in den ersten drei Monaten über 100 Fälle bearbeiten. Das ist wirklich viel krasser, als man es sich vorstellt.

In diesem Diskurs siehst du wohl auch das lila.?

Ja. Ich meine, in so einem Umfeld ein queeres Festival zu veranstalten ist politisch. Das Festival soll ja einerseits ein Rückzugsort und ein Wochenende sein, an dem man sich möglichst frei von Diskriminierung bewegen kann. Das ist ja an einem „normalen“ Festival nicht gegeben. Gleichzeitig ist es nicht nur ein Rückzugsort, sondern es macht queere Kunst – wie wir ja schon besprochen haben – auch sichtbarer.

Findest du es eigentlich ein Problem, wenn man seine Sexualität instrumentalisiert, um Kunst zu machen?

Ich finde, dass man aus dem Kunst machen soll, was einen bewegt. Und wenn es die eigene Sexualität ist, dann sollte man das machen können.

Und wie siehst du die Bewegung in gewissen Städten, dass queer sein zu einem hippen thing wird?

Das hört man ja ab und zu, aber ich glaube nicht, dass das stimmt. Ich habe das Gefühl, dass queer sein akzeptierter ist als auch schon und das ist sehr positiv. Aber damit es zu etwas «Hippem» wird, ist die Diskriminierung einfach immer noch viel zu stark. Es ist ja nicht so, dass man seine sexuelle Orientierung einem Trend anpasst. Es ist einfach mehr in der gesellschaftlichen Mitte angekommen. Aber das sehe ich als gute Entwicklung, wenn nicht mehr jedes Outing ein wahnsinniger Kampf ist, sondern auch leichter wird.

Und weshalb findet das lila. in Wittnau, der aargauischen Provinz statt?

Das hat vor allem logistische Gründe. So ein perfektes Feld findet man einfach nicht in der Stadt, es ist echt ein schöner Ort. So ist es auch eher ein Rückzugsort als mitten in der Stadt.

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