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14. Januar 2023 um 15:30

Regierungsratswahlen: Mit ihr liegt eine linke Mehrheit drin – Das Portrait von Anne-Claude Hensch

Anne-Claude Hensch will für die AL in den Regierungsrat. Das Zeug dazu hat sie – sagen nicht nur Linke.

Anne-Claude Hensch (AL) (Foto: P.S.)

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Sie hat noch keine einzige Kantonsratssitzung im ehrwürdigen alten Rathaus erlebt: Als Anne-Claude Hensch (AL) nach den Sommerferien 2020 für Laura Huonker in den Kantonsrat nachrückte, tagte dieser bereits in der Messehalle 9 in Oerlikon. Nun tritt sie bei den Regierungsratswahlen 2023 an und nimmt nach gut zwei Jahren im Parlament bereits den nächsten Schritt in Angriff: Gefällt es ihr dort nicht? Anne-Claude Hensch lacht und schüttelt den Kopf: «Ich bin sehr gern Kantonsrätin. Doch es ist wichtig, dass die AL am 12. Februar 2023 antritt, ja dass die Wählerinnen und Wähler überhaupt eine linke Mehrheit auf den Zettel schreiben können.»

Laut dem Fraktionspräsidenten der AL im Kantonsrat, Markus Bischoff, ist sie schlicht eine super Kandidatin: «Sie hat schon an ihrem ersten Tag im Kantonsrat fünf Reden gehalten», erinnert er sich, «sie war von Anfang an voll dabei und hat politisch mitgedacht. Ich kenne niemanden, der sich so schnell eingearbeitet hat wie sie.» Zudem habe sie sich in der internen Ausmarchung gegen den Winterthurer Gemeinderat Roman Hugentobler durchgesetzt, und die AL habe auch eine Frau gewollt – «eine Frau, die es kann», präzisiert Markus Bischoff.

 Ihre Kommissionskollegin Andrea Gisler (GLP) hält fest: «Die Zusammenarbeit mit Anne-Claude Hensch in der Kommission erlebe ich als konstruktiv und lösungsorientiert. Mit ihrer klar linken Politik wird sie in den urbanen Zentren punkten, nicht aber in ländlichen Regionen.»

Gute Bedingungen für alle

Wofür sie sich als Regierungsrätin einsetzen würde? Darüber muss Anne-Claude Hensch nicht lange nachdenken: Grundsätzlich hätten die drei linken Parteien AL, SP und Grüne «eine andere, sozialere Agenda als die bürgerlich orientierten», schickt sie voraus. Entsprechend wichtig sei es, dass alle drei im Regierungsrat vertreten seien. Sie möchte sich für die wirtschaftlich schwachen Menschen einsetzen, «für jene, denen es nicht so gut geht und von denen es ein Teil noch schwerer hat, weil sie nicht in der Schweiz geboren wurden». Sie alle sollten im Kanton Zürich «gute Bedingungen» vorfinden. Zu tun gäbe es genug, findet Anne-Claude Hensch und erwähnt die Prämienverbilligungen, wo der Kanton seinen Beitrag nicht auf 100 oder 120 Prozent des Bundesbeitrags aufstocke, wie es die Linke fordere, sondern nur um 92 Prozent; und das nur auf dem Papier: «Letztes Jahr wurden 43 Millionen Franken weniger ausbezahlt, als ursprünglich im Budget eingestellt waren.» Wegen der ‹schmürzeligen› Umsetzung der neuen Regelung hätten nur 25 statt der vorgesehenen 30 Prozent der Bevölkerung Zuschüsse erhalten; 50 000 Menschen hätten plötzlich keine Prämienverbilligung mehr bekommen: «Wo bleibt da die Sorgfalt im Umgang mit den Menschen, die diese Unterstützung dringend nötig haben?» 

Und auch für 2022 und 2023 zeichne sich keine Besserung ab. «Angesichts der Teuerung wird eine brauchbare Prämienverbilligung noch wichtiger, als sie schon ist. Dazu kommen die steigenden Energie- und Heizkosten, die ebenfalls vor allem jenen Menschen das Leben schwer machen, die nicht auf Rosen gebettet sind.» Sie verweist auf die parlamentarische Initiative von Beat Bloch (CSP/Grüne Fraktion), Jasmin Pokerschnig (Grüne) und ihrer Fraktionskollegin Melanie Berner, die das ändern möchten: Sie schlagen vor, dass der Regierungsrat bei Kaufkraftverlust den natürlichen Personen mit geringen bis mittleren Einkommen Ermässigungen auf der Steuerrechnung gewähren kann. Aber eben: Um an diesen Mechanismen zu schrauben, bräuchte es eine linke Mehrheit.

«Soziale Aufgaben nicht vergessen»

Auf die Frage, weshalb es sie reizt, Regierungsrätin zu werden, hat Anne-Claude Hensch denn auch viele Antworten: Schon die Arbeit im Parlament sei eine tolle Weiterbildung, und im Regierungsrat könnte sie in einen Bereich tiefer eintauchen und den «überall vorhandenen Gestaltungsspielraum» nutzen, um Akzente zu setzen: «Zürich ist ein sehr wirtschaftsfreundlicher Kanton, doch darob gehen gewisse soziale Aufgaben vergessen», hält sie fest. Als Beispiele nennt sie «soziale Infrastruktur» wie Kitas, Tagesstrukturen, aber auch Alterswohnungen. Die Digitalisierung werde kommen, fügt sie an, «aber es ist auch das gute Recht älterer Menschen, nicht mehr alles lernen zu wollen». Deshalb müsse es weiterhin auch jenen Menschen möglich sein, am öffentlichen Leben teilzuhaben, die nicht mit Smartphone und Computer aufgewachsen seien.

Möglicherweise abschrecken könnte sie höchstens die Tatsache, dass sie als Regierungsrätin «quasi eine öffentliche Person wäre und kein Privatleben mehr hätte». Zudem stünden Frauen nach wie vor «unter spezieller Beobachtung» – man schaue sich nur an, «wie die SVP aktuell mit Regierungsrätin Jacqueline Fehr umgeht». Auch die angeblich mangelnden «Führungsqualitäten» seien jeweils vor allem bei Frauen ein Thema, fügt die klinische Heilpädagogin und Sozialpädagogin Anne-Claude Hensch an, die in der Kreisschulbehörde Schwamendingen sitzt und die einst eine Kinderkrippe und einen Bio-Fairtrade-Laden leitete. Und sie schiebt trocken nach, dass jemand, der ein Unternehmen geführt habe, deswegen noch lange nicht wisse, wie die Verwaltung funktioniert, oder per se besser für ein politisches Exekutivamt geeignet wäre. Kurz: Sie ist bereit für den Regierungsrat – jetzt muss sie nur noch gewählt werden. 

Regierungsratswahlen 2023

Mit dieser Porträtreihe stellen wir bis Anfang Februar die bisherigen und die neuantretenden RegierungsratskandidatInnen vor: diese Woche Anne-Claude Hensch (AL, neu). Erschienen im P.S. vom 16.12.2022.

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