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6. Oktober 2017 um 09:01

Tsüri-Chopf Mona Neubauer: «Jedes Design hat politische Komponenten»

Mona Neubauer wurde von einer Neurobiologin zur Designerin. Ein Gespräch über ihren nicht-existierenden Alltag, Innovation, den Designathon und wichtige gesellschaftliche Themen. Und einem Verpackungsverbot.

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Was macht dich aus als Mensch und was hat dich geprägt?

Ich bin Denkerin und Macherin. Beim Denken kommen die Ideen, und während dem Machen denke ich noch viel mehr.
Mein Weg macht viel von mir aus. Ich habe Neurobiologie an der ETH studiert, also einen eher wissenschaftlichen Pfad eingeschlagen. Nach ein paar Jahren Arbeitserfahrung wollte ich eine neue Richtung einschlagen und habe mein zweites Studium in Interaction Design angefangen.

Während meines Zweit-Studiums entstand sehr Vieles, das mich heute noch begleitet – Lucid oder der Designathon, der diesen Oktober in die zweite Runde geht. Das Kollektiv Warum, das ich mit Nora Gailer zusammen führe, entstand aus unserer Bachelor Arbeit – dabei haben wir Diskussionen in der Öffentlichkeit angeregt. Unsere Intention war, den politischen Diskurs in einer Öffentlichkeit stattfinden zu lassen und die Menschen aufzufordern, ihre «Safe Spaces» oder vielleicht auch «Filter Bubbles» zu verlassen.

Design soll nicht nur als «Ah, das ist ein schöner Stuhl» wahrgenommen werden.

Mona Neubauer

Design und Wissenschaft unterscheiden sich doch sehr stark ...

Für mich ist Design auch eine Wissenschaft, einfach eine, die lange nicht als akademisches Feld anerkannt wurde. Machen, Denken und Weiterentwickeln, aufbauend auf der Handlung, ist etwas sehr Ursprüngliches.
Der Unterschied liegt an der Herangehensweise: Die Wissenschaft «designt» kontrollierte Experimente, ist untersuchend, sie untersucht Probleme und Phänomene analysierend, Design ist modellierend und versucht das Vorhandene weiterzuentwickeln. Während in der Wissenschaft Objektivität und die Wahrheitssuche im Zentrum steht, ist im Design Empathie und der Kontext wichtig.

Deine Projekte hast du bereits angeschnitten, was liegt dir im Moment am meisten am Herzen?

Das grosse Herzensprojekt ist im Moment der anstehende Designathon. David Simon, einer meiner Firmenpartner von Lucid, kam vor zwei Jahren zu mir und meinte «Hey, ein Hackathon ist ein tolles Format, warum gibt es das nicht im Design?» Also haben wir In wenigen Wochen ein Konzept für den ersten Designathon geschrieben und mit einem tollen Team innerhalb von vier Monaten den Event auf die Beine gestellt.

Was würde ich in meinem Leben tun, wenn ich für den Rest meines Lebens finanziell versorgt wäre?

Mona Neubauer

Lucid, die Firma, die wir zu viert gegründet haben, ist natürlich auch ein wichtiges Herzensprojekt. Innerhalb gibt es auch ganz viele Projekte, mal sind es Aufträge, mal aus Eigeninitiative – Instrinsic will ich dabei besonders anschneiden: das Projekt ist bereits in der Öffentlichkeit und konzeptuell noch stark in der Entwicklung. Grundsätzlich geht es darum, wie freies Lernen Teil unserer Bildungskultur werden kann und die Motivation zu lernen verinnerlicht werden kann.

Wie ist denn Lucid entstanden?

Aus einem Projekt: Wir haben uns für einen Auftrag zusammengeschlossen und eine LED- Installation mit 2'048 Lämpli konzipiert, gestaltet und gebaut. Das war viel Löten – pro Lämpli je zwei Lötstellen. Dementsprechend hatten wir viel gemeinsame Zeit zum Reden und Denken – dabei entstand Lucid!

Was ist euer Beitrag an unsere Gemeinschaft?

Ich denke, das ist bei jedem Projekt verschieden. Bei Lucid ist zum Beispiel Intrinsic ein Projekt, das eine starke gesellschaftliche Relevanz aufzeigt und einen Beitrag an unsere Gemeinschaft leistet. Bildung prägt uns und ist Teil unserer Wege, die wir als Gemeinschaft gehen.

Beim Designathon wollen wir den Design-Begriff öffnen: Es sollen sich auch Menschen inspiriert fühlen, die nicht unbedingt Design-Erfahrung haben. Design soll nicht nur als «Ah, das ist ein schöner Stuhl» wahrgenommen werden, sondern als gesellschaftlich relevanter Lösungsweg. Jedes Design hat eine politische Komponente. Je nach dem, wie Sachen entstehen, schliesst man Menschen ein oder aus.
Wir wünschen uns natürlich, dass die Konzepte weiter inspirieren und mit dem, was sie ausdrücken, den heutigen Zeitgeist einfangen.

Altweiber-Sommer im Kafi Plüsch. Hier ist Mona anzutreffen, wenn sie ein Käfeli in der Sonne trinkt und eine kurze Verschnauf-Pause macht. (Foto: Tsüri)

«Ich habe keinen Alltag» klingt so romantisch, aber es ist auch mega anstrengend.

Mona Neubauer

Was ist bisher dein schönstes Erlebnis?

Es gibt so viele schöne Momente! Bei jedem Projekt gibt es so viele Höhen und Tiefen, die zum Prozess gehören. Für mich sind die Höhepunkte meist dann, wenn das Projekt Form annimmt und man es langsam fassen kann.
Beim Designathon ist es natürlich der Event selber. Wir arbeiten darauf hin und dort sehen wir das Ergebnis unserer Arbeit. Wir schaffen einen Rahmen und es ist wunderschön, zu sehen, wie die Teilnehmer*innen ihn dann leben. Ich freue mich schon unglaublich auf den nächsten!

Abgesehen vom Aussergewöhnlichen, wie sieht dein Alltag aus?

Ich finde das Wort «Alltag» schwierig, denn es impliziert, dass jeder Tag gleich ist. Jeder Tag ist etwas neues und manchmal fehlt mir die Ruhe, die Struktur geben kann. «Ich habe keinen Alltag» klingt so romantisch, aber es ist auch mega anstrengend, selbst wenn es etwas Schönes ist. Wir haben das Büro gleich hinter dem Kafi Plüsch, in dem Sinn ist das Kafi Plüsch ein grosser Bestandteil meines Alltags. Ich kann nur empfehlen, das Büro fast in einem Kafi zu haben - hier ist meine Ruheinsel, um ab und zu in der Sonne zu sitzen und einen Kaffee zu trinken.

Es würde nur wenig Achtsamkeit kosten, sein eigenes Gemüse-Säckli nicht zu vergessen.

Mona Neubauer

Was würdest du tun, wenn du für einen Tag Königin von Zürich wärst?

Königin impliziert so eine starke Hierarchie, was ich eigentlich nicht so toll finde.

Königin musst du ja nicht gleich sein – was würdest du tun, wenn alles möglich wäre?

Ich würde Vieles machen – vielleicht sogar Hierarchien abschaffen (lacht).
Eine Idee, von der ich denke, dass sie Potential hätte ist das bedingungslose Grundeinkommen. Ich finde sowieso, dass sich jede*r Mal die Frage «Was würde ich in meinem Leben tun, wenn ich für den Rest meines Lebens finanziell versorgt wäre?» Ich finde interessant, was man – losgelöst von einem wirtschaftlichen Druck – machen möchte, würde und könnte.

Und ich würde ein Verpackungsverbot einführen! Das bei Bio-Produkten immer noch so viel Verpackungen benutzt werden, empfinde ich als heuchlerisch – und es würde nur wenig Achtsamkeit kosten, sein eigenes Gemüse-Säckli nicht zu vergessen.

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Titelbild: zvg

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