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25. März 2019 um 15:00

Aktualisiert 26.01.2022

«Ich habe viel gearbeitet, deshalb kann ich mir ein Haus leisten» – grosses Gelächter

Am vergangenen Donnerstag hat Tsüri.ch zusammen mit Urban Equipe zu einer Podiumsdiskussion im «Karl der Grosse» geladen. Im Rahmen des Fokus-Monats «Wohnen» wurde zur Frage «Wozu Wohnpolitik?» debattiert. Das Gespräch war eine Gratwanderung zwischen markigen Worten, komplizierten Sachverhalten und offenen Fragen.

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«Ich habe viel gearbeitet, darum konnte ich es mir leisten», meint Albert Leiser auf die Feststellung, dass sich vielleicht nicht jede*r ein Eigentum leisten könne. Nach einigem Gelächter schiebt er nach, dass er «vielleicht das Glück gehabt habe und im Jahr 1995 kaufen konnte, als der Markt noch am Boden war. Heute kann man Eigentum in der Stadt fast nicht mehr bezahlen.» Mit diesen Aussagen ist der Rahmen des Abends gesteckt, denn wie so oft in der Wohndiskussion verläuft der Graben vor allem zwischen Mieter*innen und Eigentümer*innen. Die Podiumsdiskussion im «Karl der Grosse» im Rahmen des Fokus-Monat «Wohnen» von Tsüri.ch und Urban Equipe macht da keine Ausnahme.

Diskutiert wird über die Frage «Wozu Wohnpolitik?». Auf der einen Seite steht Albert Leiser, seines Zeichens Direktor des Zürcher Hauseigentümerverbandes (HEV Zürich), FDP-Gemeinderat und selbst Hauseigentümer (monatlicher Kostenpunkt: 14 Prozent des Einkommens). Auf der anderen Seite sitzen Sarah Grossenbacher, stellvertetende Leiterin der Stadtentwicklung Luzern und Mieterin (Mietkosten: 20 Prozent des Einkommens), sowie Niggi Scherr, ehemaliger Geschäftsführer des Mieterverbands (MV), ehemaliger AL-Gemeinderat und ebenfalls Mieter (Mietkosten: 17 Prozent der Rente). Moderiert wird die Diskussion von Watson-Journalistin Helene Obrist. Es werden viele Themen angesprochen, denn Wohnpolitik ist ein weites Feld. Im Kern kreist die Diskussion um das Erbrecht, die soziale Durchmischung einer Stadt und das Preistreiben von Akteur*innen wie den Pensionskassen.

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«70 Prozent wollen Eigentum»

Albert Leiser wird zu Beginn mit dem Satz vorgestellt, er sei gegen eine bundesweite Forcierung des gemeinnützigen Wohnungsbaus. Nach dem Grund gefragt, antwortet dieser, es solle nicht Sache des Bundes sein, den gemeinnützigen Wohnungsbau voranzutreiben. Viel eher sollen das Gemeinden und Kantone regeln. Generell plädiert Leiser dafür, es solle – wenn überhaupt — auch der gemeinnützige Eigentumsbau gefördert werden.

Um zu illustrieren weshalb, wirft Leiser einen kurzen Blick ins Publikum und schätzt, dass die meisten Leute im Saal Mieter*innen seien. Von diesen würden aber 80 Prozent Eigentum wollen. Nach einigen Lachern korrigiert er seine Aussage auf 70 Prozent. Im Kern steht jedoch seine Aussage, dass der Staat eher einzelnen Menschen ihr Eigentum ermöglichen soll, als nur den gemeinnützigen Wohnungsbau zu fördern.

Niggi Scherr widerspricht dieser Forderung mit der Begründung: «In den Städten sind Genossenschaften als Form von Kollektiveigentum nachhaltiger und zukunftsfähiger als beispielsweise Stockwerkeigentum. Denn diese werden sich nach 50 Jahren verstreiten, wenn es um die Sanierung geht.» Die Genossenschaft sei daher die intelligentere Form des gemeinsamen Eigentums.

Moderatorin Helene Obrist versucht, eine konstruktive Diskussion zu ermöglichen. Deshalb fragt sie nach einem weiteren Schlagbatausch der Herren Scherr und Leiser gezielt Grossenbacher, ob sie politisch neutraler beantworten könne, was denn die ideale Durchmischung von verschiedenen Eigentumsformen in einer Stadt wäre.

Grossenbacher schickt voraus, dass Wohnen immer politisch sei, gerade weil jede*r darauf angewiesen ist: «Man kann nicht wählen, ob man wohnen will oder nicht. Trotzdem wird Geld damit gemacht.» Gemeinnütziger Wohnungsbau sei dabei eine Möglichkeit, dem*r Mieter*in zu ermöglichen, sich einen Anteil an einer Liegenschaft leisten zu können und ein Mitspracherecht zu erwerben: «Die meisten jungen Leute können sich sonst in der Stadt kein Eigentum leisten. Ausser sie sind so gut eingebettet, dass sie erben.» Berechtigt findet sie jedoch die Frage, ob der Staat selber bauen muss.

Nutzungseigentum auf Zeit

Weiter wird gefragt, ob man mit Boden überhaupt handeln soll. Denn wie Luft und Wasser ist ja auch der Boden für den Menschen überlebensnotwendig. Bei dieser Frage läuten bei HEV-Direktor Leiser gleich die Alarmglocken. Das sei Planwirtschaft und er habe da eine ganz andere Haltung: «Jede*r, der*die Boden kaufen will, soll das tun können. Das steht auch in der Bundesverfassung».

Scherr erzählt von der «Stadt-Land-Initiative gegen die Bodenspekulation», welche 1988 mit über zwei Drittel Nein-Stimmen abgelehnt wurde. Diese Initiative wollte im Kern durchsetzen, dass der Boden auf Lebenszeit genutzt werden kann, danach aber nicht vererbt wird. «Für mich wäre Nutzungseigentum auf Zeit eine valable Vorstellung», endet Scherr.

Am Ende wird von Grossenbacher die Frage aufgeworfen, ob es sinnvoll sei, wenn Pensionskassen mit Boden spekulierten, um für ihre Pensionär*innen die bestmögliche Rente herauszuholen. Leiser pflichtet bei, dass dies eine verheerende Spirale sei: Pensionskassen heizen die Marktpreise an, so dass mit Steuergeldern gemeinnütziger Wohnungsbau gefördert werden müsse, damit sich am Ende dann jene Pensionär*innen überhaupt noch eine Wohnung in der Stadt leisten können.

Scherr macht daraufhin das Schlusswort, spricht sich nochmals gegen Spekulation aus und plädiert für den gemeinnützigen Wohnungsbau: «Jemand muss Verantwortung übernehmen für die Menschen, die hier leben. Sie sind nicht einfach Manövriermasse, welche man herumschieben kann.»

Schau dir die Diskussion in (fast) voller Länge an, unverschnitten:
Kleiner Hinweis: Wegen technischen Problemen fehlen leider zu Beginn ca. 10 Minuten und die Soundqualität ist nicht optimal.

Hier findest du nochmals alle Veranstaltungen im Überblick:

Video: Elio Donauer (Tsüri.ch)
Titelbild: Danila Helfenstein (Urban Equipe)

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