Zwischen Lattenrost und Matratze – mit der Beratungsstelle Schädlingsbekämpfung im Einsatz - Tsüri.ch #MirSindTsüri
account iconsearch
Von Dominik Wolfinger

Redaktor

emailfacebook logoinstagram logotwitter logo

2. September 2015 um 06:17

Zwischen Lattenrost und Matratze – mit der Beratungsstelle Schädlingsbekämpfung im Einsatz

Alles fing mit einem Gerücht an. Ich hörte, wie jemand behauptete in der Kanalisation der Stadt Zürich gebe es ungefähr 30'000 Rattenfallen und jemand habe den aussergewöhnlichen Beruf jeden Tag in den Untergrund zu steigen, die vergifteten Ratten einzusammeln und die Fallen neu zu justieren. Meine Neugierde war geweckt. Ich liess keine Zeit verstreichen und meldete mich sogleich bei der Beratungsstelle Schädlingsbekämpfung der Stadt Zürich mit der Hoffnung, selbst durch die Abwasserrohre zu stampfen und Rattenfänger zu spielen. Ein Wunsch der unerfüllt blieb. Doch zum Trost durfte ich eine Hausinspektion begleiten.

Es ist Montagnachmittag und während alle ausharren, bis der Feierabend eintritt, tummeln sich in den Betten von Zürich tausende von Bettwanzen und warten auf ihr Abendmahl. Ich bin verabredet mit Dr. Gabi Müller, die Leiterin der Beratungsstelle Schädlingsbekämpfung. Sie begleite ich beim nächsten Einsatz. Zusammen werden wir ein Wohnhaus auf Bettwanzen prüfen. «Wir bekämpfen die Schädlinge nicht selbst. Unsere Hauptaufgabe ist Beratung», erklärt Frau Müller, «Bewohner kommen zu uns, wenn sie einen Befall haben. Wenn nötig machen wir eine Inspektion». Für Beratungen gibt es täglich eine Sprechstunde. Dort können Betroffene ihre Schädlinge vorbei bringen, sodass diese bestimmt werden können. Eine emsige Arbeit, denn vor allem im Sommer klagen viele über Wespen, Schaben und Wanzen.

Wir treffen beim Einsatzort ein. Etwa 16 Wohnungen befinden sich in dem Block. Gut möglich, dass mehrere befallen sind. Sollte das der Fall sein, muss die Verwaltung die Kosten tragen. Bei einem Einzelfall trägt diese der Mieter. Wir klingen an der Türe, doch der Herr, der uns rief, scheint nicht Zuhause zu sein. Frau Müller klingelt bei den Nachbarn und eine ältere Dame spricht uns auf Italienisch an. Gekonnt wechselt die Biologin die Sprache und wir bekommen Einlass um die «cimice» (it. Wanze) zu finden.

Bettwanze Beat Wermelinger 07Eine Bettwanze (lat. Cimex lectularius)

Nebst Beratungen und Inspektionen arbeiten die drei Angestellten der Schädlingsbekämpfung zusammen mit Lebensmittelkontrolleuren, internationalen Wissenschaftlern und der kantonalen Sektion für Biosicherheit zusammen. Hinzu kommt die Organisation von Tagungen, die Ausbildung von Schädlingsbekämpfern und das bekämpfen von Ratten auf öffentlichem Grund. Dazu gehört die Kanalisation allerdings nicht. «Durch die Hanglange wird bei Gewitter so viel Wasser durch das Abwassersystem gespült, dass die Ratten schlussendlich in der Kläranlage landen.» Ratten – in Zürich die Wanderratte – werden z.B. entlang von See- und Flussufern mit fixinstallierten Köderboxen bekämpft.

Wir betreten das Gebäude und werden von der Dame empfangen. Sie führt uns in den Keller und erzählt von einem Schaben-Befall. Keine Bettwanzen aber trotzdem eine Spur, die verfolgt werden will. In Zürich kommen vorwiegend die einheimische Waldschabe – ungefährlich, da sie im Haus nicht überleben kann – und die Deutsche und Braunbandschabe vor, die Plagegeister in der Schabenwelt. Frau Müller zieht Handschuhe an und zückt ihre Taschenlampe, als würde sie Spuren bei einem Tatort sichern. Nur kurz lässt sie ihr Blick dem Lichtkegel der Lampe folgen und entdeckt eine Orientalische Schabe auf dem kalten Kellerboden. «Das Haus wurde erst gerade von den Kammerjägern behandelt» erklärt eine andere ältere Dame auf dem Weg zu Waschküche. Wir folgen der Dame in die Waschküche. Ein altes Holzpalett steht vor Waschmaschine und Trockner. Wer Schaben finden will, muss wie eine Schabe denken. Dr. Müller schiebt das Palett zur Seite – darunter ein Massengrab an Schaben. blattaorientalisEine Orientalische Schabe – männlich (lat. Blatta orientalis)

«Man weiss nie, was einen erwartet», erzählt mir Gabi Müller. Einmal musste sie sogar in einen Massage-Salon, wegen Bettwanzen. Die splitterfasernackte Chefin öffnete und führte Frau Müller, ohne sich zu bekleiden, durch den Salon. In den 18 Jahren beim Umwelt- und Gesundheitsschutz war das eher eine aussergewöhnliche Begegnung. Meist inspiziert Gabi Müller mit einem Kollegen zusammen, rein zum Schutz der eigenen Person wie der Betroffenen. Auch bei Todesfällen rückt das Team von Frau Müller aus. Wenn jemand längere Zeit tot in der Wohnung lag, organisieren sie die Räumung von mit Leichenflüssigkeit verschmutztem Material und die Schädlingsbekämpfung und schützen so die Nachbarschaft und die Erben des Verstorbenen vor Gerüchen und Insekten. «Dieses Jahr ist ein Rekordjahr. Wir hatten bis Ende August schon 41 Todesfälle. Normalerweise sind es 25 – 35 pro Jahr.»

Frau Müller fragt die Dame nach Bettwanzen und in der Tat ist auch ihre Wohnung befallen. «Zwei Bestätigungen reichen. Nun werde ich die Verwaltung kontaktieren» erklärt Frau Müller. Wir folgen der Dame zu ihrer Wohnung, dort präsentiert sie uns eine tote Bettwanze in einem Einmachglas. Mit einem Spray habe sie den Blutsauger getötet. «Mit Spray alleine bringen sie die Bettwanzen nicht weg, es braucht eine professionelle Schädlingsbekämpfunsfirma – solche Sprays vertreiben die Bettwanzen in der ganzen Wohnung oder sogar im ganzen Haus und sie sind gesundheitsschädlich» verdeutlicht Frau Müller und überreicht ein Merkblatt zu Bettwanzen.

Meist werden Schädlinge – vor allem Bettwanzen – von Geschäftsreisen oder Ferien nachhause genommen. Diese verbreiten sich dann im Haus, egal wie hygienisch es ist. «Ich kontrolliere immer mein Bett, wenn ich zum Beispiel in einem Hotelzimmer schlafe und sobald ich von einer Reise zurückkomme, wasche ich sofort mein Gepäck.» Ungesogen sind Bettwanzen 4-6 mm lang und verstecken sich im Bettgestell. Anhand schwarzer Punkte (Kot) kann man einen Befall nachweisen. Ebenfalls sollte man die eigene Schlafstätte untersuchen, wenn man über Nacht mehrere Stiche hat – allerdings merken etwa 20 Prozent aller Gestochenen einen Stich nicht.

Bettwanzenkot 1Ein Bettgestell mit Kot-Spuren

Wir klingeln noch bei weiteren Bewohnern, doch niemand öffnet die Türe, die vollen Briefkästen weisen auf die Ferienzeit hin. Frau Müller untersucht noch einen Schacht mit Leitungen. Überall kleben braune, kleine Punkte. «Das sind alles Köder mit Insektizid.» Gegen die Schaben hat das Gift funktioniert, nichts desto trotz, wird ein Schädlingsbekämpfer abermals kommen müssen und sich den Wanzen annehmen. Eine koordinierte Bekämpfung im ganzen Haus ist unumgänglich.

Krankheiten übertragen diese Schädlinge in der Regel nicht. Im Tessin gibt es aber bereits die Asiatische Tigermücke. Diese könnte, wenn sie bei einem Patienten mit Dengue- oder Chickungunyafieber Blut saugt und nachher andere Leute sticht, diese Krankheiten übertragen. Darum wird dort im Auftrag des Kantons regelmässig das Wasser in allen Dolen mit Bti präpariert, sodass die Mückenlarven erst gar nicht schlüpfen können.

Wir verteilen noch die restlichen Merkblätter in die Briefkästen. Unser Dienst ist für heute getan. Um alles weitere muss sich die Verwaltung kümmern.
  • Wer Schädlinge in seinem Haus entdeckt, sollte diese sammeln und den Fachpersonen der Beratungsstelle Schädlingsbekämpfung zur Bestimmung bringen oder schicken. Alle Merkblätter mit Hinweisen zu Schädlingen findest du hier.
  • Ein Insektengitter am Fenster ist im Sommer der beste Schutz, um lästige Besucher fernzuhalten.

Dieser Artikel wurde automatisch in das neue CMS von Tsri.ch migriert. Wenn du Fehler bemerkst, darfst du diese sehr gerne unserem Computerflüsterer melden.

Das könnte dich auch interessieren