2G+ in Zürcher Bars und Clubs: «Die Reserven sind aufgebraucht» - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Michael Schallschmidt

Praktikant Redaktion

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4. Januar 2022 um 14:30

2G+ in Zürcher Bars und Clubs: «Die Reserven sind aufgebraucht»

Die verschärften Corona-Massnahmen bringen Zürcher Bars und Clubs erneut in eine schwierige Lage. Da sich für einige Lokale der Betrieb unter 2G+ nicht mehr lohnt, schliessen sie ihre Türen bis auf Weiteres komplett. Sowohl die Betreiber:innen als auch die Bar- und Clubkommission zeigen sich besorgt.

Der Club «Zukunft» schliesst bis auf Weiteres seine Tore. (Alle Bilder: Elio Donauer)

Gerade noch knallten in den Strassen der Stadt die Korken der Champagnerflaschen mit den Feuerwerkskörpern um die Wette. Clubs wie das «Hive» luden mit einem 48-stündigen Line-Up zum Dauerfeiern ein.

Doch wenige Tage nach der alljährlichen Silvesterfeier sind die Spuren der Party- und Clubgänger:innen auf ein paar Scherben im Strassengraben und etwas Russ auf den Strassen reduziert. Was die meisten aus dem alten Jahr mitgenommen haben, beschränkt sich auf einen Kater und ein paar gute Vorsätze. 

Was ebenfalls bleibt, ist die Last der anhaltenden Corona-Pandemie. Denn die Lage hat sich trotz Jahreswechsel kaum verbessert, schlimmer noch, die Aussichten scheinen düster: «Es ist denkbar, dass wir im kommenden Januar 30’000 Fälle pro Tag erreichen», sagte Task-Force-Mitglied Richard Neher in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger.

Die letzten zwei Wochen des Jahres sind eigentlich die umsatzstärksten. Aber genau dieser Umsatz blieb aus.

Christian Gamp, Sender

Dementsprechend lösen sich auch die Corona-Massnahmen von Bund und Kanton keineswegs einfach in Schall und Rauch auf. Seit dem 20. Dezember dürfen im Rahmen der 2G-Regelung nur noch genesene und geimpfte Personen in die Innenräume von Restaurants, Sport- und Kulturbetrieben.

In Discos, Bars und Eventlokalen, wo eine Sitz- und Maskenpflicht nicht umsetzbar ist, gilt 2G+. Demnach müssen Geimpfte und Genesene zusätzlich ein negatives Testresultat vorweisen.

Aufgrund der steigenden Fallzahlen könnten sich die Massnahmen für Innenräume zusätzlich verschärfen: «Ob es weitere vom Bund oder den Kantonen verordnete Massnahmen braucht, schliesse ich nicht aus», sagt Patrick Mathys, Leiter Krisenbewältigung des BAG während einer Pressekonferenz vom 4. Januar.

Sender meldet Kurzarbeit an

Für die städtische Club- und Bar-Landschaft bedeutet diese Situation eine zusätzliche Belastung, der nicht alle Betriebe standhalten können. So schliesst der «Sender» bis auf Weiteres seinen Bar- und Clubbetrieb, wie aus einer Mitteilung vom 3. Januar hervorgeht: «Die letzten Dezemberwochen haben uns sehr klar gezeigt, dass ein Betreiben unseres Lokals mit 2G+ wirtschaftlich nicht mehr tragbar ist.»

Das Lokal, dessen Einnahmen den Radiosender GDS.FM neben den Vereinsmitgliedschaften mitfinanziert, habe für die Barmitarbeiter:innen erneut Kurzarbeit angemeldet: «Am schlimmsten ist die Ungewissheit darüber, wie lange wir den Club schliessen müssen», sagt Christian Gamp, Gründer von GDS.FM und Betreiber des Senders auf Anfrage. Den Club habe Gamp nun zum ersten Mal freiwillig geschlossen: «Wir haben immer versucht unser Lokal so lange wie möglich offen zu halten.»

Christian Gamp vom Sender.

Da Angestellte in Kurzarbeit nur 80 Prozent ihres Lohnes entschädigt erhalten, sei es für Mitarbeitende in der Gastro- und Clubbranche besonders hart, über die Runden zu kommen: «Viele von uns arbeiten aus Leidenschaft, wir haben schon zuvor für einen geringen Lohn gearbeitet.» Darüber hinaus fehle nun auch das Trinkgeld, das die Mitarbeitenden normalerweise erhalten würden, sagt Gamp.

Die vergangenen Wochen hätten jedoch gezeigt, dass sich der Bar- und Clubbetrieb unter Einhaltung der 2G+ Regel nicht lohne: «Die letzten zwei Wochen des Jahres sind eigentlich die umsatzstärksten. Aber genau dieser Umsatz blieb aus.»

«Die Branche ist zäh, manche Betreiber:innen verzichten sogar auf ihre eigenen Löhne.»

Alexander Bücheli, Bar und Club Kommission

Neben dem Sender haben sich weitere Zürcher Clubs und Eventlokale dazu entschieden, vorübergehend zu schliessen. Im «X-TRA» gebe es bis zum 24. Januar keine Partyveranstaltungen, Events oder sonstige Anlässe mehr, wie die Betreiber:innen auf Anfrage bestätigen. Die momentanen Massnahmen des Bundes sind bisher auf dieses Datum begrenzt.

Auch der Club «Zukunft» nahe der Langstrasse bleibe aufgrund der aktuellen Lage bis auf Weiteres geschlossen. Über die genaueren Hintergründe geben die Betreiber:innen vorerst keine Auskunft. Momentan habe nur die «Bar3000» geöffnet, die zum Club gehöre, wie die Verantwortlichen auf ihrer Website schreiben.

Die Reserven sind aufgebraucht

Aufgrund der bestehenden Zugangsbeschränkungen sei es möglich, dass weitere Lokale ihren Betrieb vorübergehend einstellen, sagt Alexander Bücheli, Pressesprecher der Bar und Club Kommission: «Denn ein geschlossenes Lokal ist günstiger als ein geöffneter Betrieb, der zu wenig Gäste anzieht.» 

Die Branche habe bereits in den vergangenen zwei Jahren stark gelitten. Zwar sprach der Kanton Entschädigungen für Kulturbetriebe und Lokale aus, die durch die Corona-Pandemie finanzielle Schäden davon trugen. Diese hätten jedoch nicht gereicht, um die Einbussen komplett zu decken, erklärt Bücheli: «Die Reserven der Betreiber:innen sind aufgebraucht.»

Daher sei bereits jetzt absehbar, dass die Bars und Clubs zusätzliche Unterstützung bräuchten: «Die Branche ist zäh, manche Betreiber:innen verzichten sogar auf ihre eigenen Löhne. Aber sogar dann kommen sie an ihre Grenzen.»

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