Das Regenbogenhaus im Zollhaus: Eine «absurde Utopie» wird Realität - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Lara Blatter

Co-Geschäftsleitung & Redaktorin

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25. September 2020 um 11:00

Das Regenbogenhaus im Zollhaus: Eine «absurde Utopie» wird Realität

Im Frühling 2021 öffnet das Regenbogenhaus im Kreis 5 seine Türen für die queere Community und interessierte Menschen. Für Hannes Rudolph, Vorstandsmitglied vom Verein Regenbogenhaus, sowie für die LGBTQ-Community geht damit ein Traum in Erfüllung.

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Hannes Rudolph auf der Baustelle (Foto: Lara Blatter)

Drei Lieferwagen stehen am Eingang der Baustelle, ein weiterer grosser Laster versucht auf der Strasse zu wenden und hält so den morgendlichen Veloverkehr für wenige Minuten auf. Im Hintergrund ist ein Zug zu hören. Hannes Rudolph, Vorstandsmitglied vom Verein Regenbogenhaus, kommt ebenfalls mit dem Velo angefahren. Im Rucksack hat er eine etwas zerknitterte Regenbogenfahne dabei.

An der Zollstrasse Ecke Langstrasse realisiert die Genossenschaft Kalkbreite derzeit das Projekt «Zollhaus», das aus drei Häusern besteht. Der Verein Regenbogenhaus wird im kommenden Frühling ins Erdgeschoss des Hauses B einziehen. Das Regenbogenhaus soll Treffpunkt, Kulturort und Anlaufstelle für die LGBTQ-Gemeinschaft werden. Rudolphs Augen glänzen beim Anblick der Baustelle: «Es ist das grösste Projekt, an dem ich je mitgearbeitet habe. Am Anfang war es eine absurde Utopie, nun wird es Realität.»

Ein bunter Mix im Zollhaus

«Es ist super wichtig, dass queere Lebensweisen präsent sind», sagt Rudolph und zeigt auf das kleinste Zollhaus, das Haus C, in das ein Kindergarten einziehen wird. Dies auch, weil Kinder und Jugendliche noch immer in einem sehr heteronormativen Umfeld entdecken würden, dass sie queer seien. Auf dem eingezäunten Dach lässt sich ein Spielplatz erkennen – direkt über dem Gleisfeld des Zürcher Hauptbahnhofs. Wo momentan die Baustelle den Ton angibt, wird man in einem halben Jahr Kinder jauchzen hören.

Kinder wie auch Erwachsene sollen wissen; ich gehöre hier hin und ich darf hier sein.

Hannes Rudolph

Werde es in diesem Kindergarten beispielsweise ein trans Kind geben, so wissen die Lehrpersonen, wo sie sich informieren könnten: Im Regenbogenhaus. «Kinder wie auch Erwachsene sollen wissen; ich gehöre hier hin, ich darf hier sein und finde Antworten auf meine Fragen. Das ist viel mehr wert, als wenn du schüchtern im Internet ‹transgender› im Suchfeld eingibst und gespannt bist, was da rauskommt», sagt Rudolph und geht der Baustelle an der Zollstrasse entlang.

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Der Vorstand vom Verein Regenbogenhaus beim Spatenstich 2018: Leonhard Meier, Ulla Blume, Matti Rach, Hannes Rudolph (es fehlen Alex König und Laura Pestalozzi / Foto: zVg)

Er erzählt von den restlichen Mieter*innen und den Synergien, die hier genutzt werden können. Die Genossenschaft Kalkbreite setzt auf eine soziale und durchmischte Mieterschaft – beim Wohn- sowie dem Gewerberaum. Die Nachbarschaft des Regenbogenhauses setzt sich unter anderem aus dem «Chornlade», dem Theater «anundpfirisch», dem Parteisekretariat der Grünen und dem nachhaltigen Kleidergeschäft «RRRevolve» zusammen.

Wie Buchstaben helfen können

Im Regenbogenhaus wird es nebst Räumen für Veranstaltungen, Beratungen und Sitzungen eine LGBTQ-Bibliothek geben. Neben lesbischen, schwulen, bi, trans und anderen queeren Medien für Erwachsene soll es dort auch Kinder- und Jugendbücher haben. «Gerade trans Kinder brauchen Literatur, die ihnen hilft, dies in Worte zu fassen und zu verstehen. Bücher können ihnen Hoffnung geben, dass sie so leben können, wie sie sind.» Kinder müssten Vielfalt kennenlernen und eine Selbstverständlichkeit dafür entwickeln.

«Ich kenne progressive Eltern, da darf der Junge selbstverständlich rosa Gummistiefel anziehen. Kommt er dann in den Kindergarten, dann geht es los und andere Kinder erklären ihm, was sich für einen Jungen gehört», sagt Rudolph. Gerade in solchen Situationen könnten Bücher auf spielerische Weise wichtige Dinge vermitteln. «Nicht, dass man einem 12-jährigen Kind sagen muss, dass es also auch Männer gibt, die sich in Männer verlieben – dass sollte auch für 5-jährige Kinder normal sein», sagt Rudolph.

Sichtbarkeit macht Mut

Auf der Baustelle verarbeiten Bauarbeitende eben rosa leuchtende Platten in einem Treppenaufgang. Ansonsten ist alles noch sehr eintönig. Grauer Himmel, graue Fassade und etwas Nebel auf dem Gleisfeld – gerade an solch einem Spätsommermorgen braucht es einiges an Fantasie, um sich das fertige Zollhaus, als Quartier, das Diversität grossschreibt, vorzustellen.

Die Idee eines Gemeinschaftszentrums wie dem Regenbogenhaus ist nicht neu. Bereits in den Nullerjahren hätte man solche in anderen Städten wie San Francisco gesehen. «Ein solches Zentrum signalisiert, dass auch wir als Bevölkerungsgruppe zur Stadt gehören. Das gibt der ganzen Community Mut», sagt Rudolph und zählt Organisationen auf, die ins Regenbogenhaus ziehen werden. Gegen dreissig Vereine sind im Projekt involviert, darunter beispielsweise auch die «HAZ - Queer Zürich» und die «Milchjugend». Die Zusammenarbeit und Vernetzung innerhalb dieser Vereine werden so extrem vereinfacht.

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Foto: Hannes Rudolph

Rudolph ist bewusst, dass Sichtbarkeit auch Risiken mit sich bringt: «Bekanntlich gibt es ja Menschen, die sich von Regenbogenfahnen und Versammlungen von queeren Leuten provoziert fühlen.» Das Positive überwiegt für die Initiant*innen aber klar; vor der Sichtbarkeit schrecke man nicht zurück. Die Stadt Zürich, Politiker*innen und die eigene Community unterstützt das Projekt. «Unglaublich, dass ich das Regenbogenhaus noch erleben darf», sagte eine 80-Jährige aus der Community zu Hannes Rudolph.

Unglaublich, dass ich das Regenbogenhaus noch erleben darf.

eine 80-Jährige aus der LGBTQ-Community

Noch liegt Baustellenstaub in der Luft und die Geräusche von Lastwagen, hämmernden Maschinen und Bauarbeitenden dominieren, doch das Zollhaus lässt sich erahnen. Und bald schon wird die Regenbogenfahne nicht mehr zerknittert sein.

Das Regenbogenhaus braucht deine Hilfe
Am 24. September startet der Verein Regenbogenhaus ein Crowdfunding, um den Innenausbau zu finanzieren. Der Verein arbeitet ehrenamtlich und finanziert den Betrieb mit Beiträgen aus der Community. Für den Innenausbau wurden städtische, kantonale und Stiftungsgelder gesammelt, aber es fehlen noch 100’000 Franken. Das Regenbogenhaus funktioniert solidarisch: Es ist offen für alle, und durch Querfinanzierung können auch Initiativen mit geringen finanziellen Mitteln die Räume nutzen.

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