Zineb Benkhelifa: Tausendsassa, Kultur-Liebhaberin und Tsüri-Member - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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25. Dezember 2020 um 07:28

Zineb Benkhelifa: Tausendsassa, Kultur-Liebhaberin und Tsüri-Member

Zineb Benkhelifa lebt mit einer Mobilitätsbehinderung, ist Beauftragte der Stadt Zürich für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung und jasst sehr gerne. Wir haben die Tsüri-Memberin, die am liebsten im Morgenmantel im St.Annahof einkaufen gehen würde, portraitiert.

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Zineb Benkhelifa: «Eine Tsüri-Mitgliedschaft bereichert mich» Foto: zVg.

1200 Menschen sind Tsüri-Member. Welche Gesichter und Geschichten stecken hinter dieser Zahl? Wir machen uns auf die Suche und portraitieren sie. Bist du auch Tsüri-Member und einem Portrait nicht abgeneigt? Melde dich!

Zineb trägt immer roten Lippenstift. Das macht die in Algerien geborene Frau unverkennbar. Aber nicht nur das: Seit ihrer Kindheit ist sie auf Gehstöcke angewiesen. Kurz vor ihrem vierten Lebensjahr erkrankte sie in ihrer Heimat an Kinderlähmung. Erinnerungen an diese Zeit und ihre Muttersprache hat die heute 54-Jährige nicht mehr viele. «Ich bin in einer Oasenstadt als zehntes Kind auf die Welt gekommen. Vier Jahre später erkrankte ich an Polio.» Damals konnte sie weder sitzen noch stehen – nur kriechen. Ihr Vater unternahm damals schon Reisen in die Schweiz. Er sei ein offener Geist gewesen und oft in Algerien auf ausländische Gäste zugegangen. So begegnete er einem Orthopäden aus Zürich, der zu jener Zeit für das Kinderhilfswerk «Terre des Hommes» in der Oasenstadt Orthesen – also Schienen – herstellte. Ihr Vater erkundigte sich bei ihm nach Möglichkeiten für seine Tochter. So kam es, dass sie dank «Terre des Hommes» in der Schweiz behandelt wurde.

Von der Oasenstadt ins Bauerdorf im Thurgau

Mit fünf Jahren kam Zineb das erste Mal in die Schweiz. Sie lebte bei einer katholischen Pflegefamilie in einem Bauerndorf im Thurgau mit rund 300 Einwohner*innen. Nach monatelangem Spitalaufenthalt und einer Erholungszeit bei den Pflegeeltern ging sie in ihr Heimatland zurück, bevor sie mit acht Jahren definitiv in die Schweiz zurückkam. Damals war es möglich, als «Terre des Hommes»-Kind in der Obhut einer Pflegefamilie in der Schweiz zu bleiben. Heute sieht man von einer solchen Entwurzelung von der biologischen Familie ab. In der Thurgauer Pflegefamilie wuchs Zineb mit zwei «Brüdern» auf, einer aus Algerien, der andere aus Marokko, beide lebten auch mit einer Behinderung.

«Ich war sehr schnell integriert», sagt Zineb. In ihrer Jugend entdeckte sie ihre Begeisterung für den GC, weil der Nachbarssohn dort spielte. So kam es, dass sie zahlreiche Spiele im Hardturm-Stadion verfolgte. Zineb besuchte die Sekundarschule im nahegelegenen Weinfelden und absolvierte anschliessend das 10. Schuljahr bei Klosterfrauen in Fribourg. Dort begann ihre Begeisterung für die französische Sprache und Kultur, die bis heute anhält: «Ich habe ‹Le Courrier› aus Genf abonniert und höre französisches Radio und Lieder – ich bin sehr frankophil.»

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Scheint ein gutes Blatt zu sein – Zineb am Jassen. Eines ihrer zahlreichen Hobbys. Foto: zVg.

Der Wunsch, Hochbauzeichnerin zu werden erfüllte sich aufgrund der Mobilitätseinschränkung leider nicht. Nach einer Handelsschule arbeitete sie in zahlreichen Büros als kaufmännische Sachbearbeiterin. Mit über 30 Jahren wollte Zineb ihre Muttersprache wieder erlernen, nach der eidgenössischen B-Matura bei der AKAD studierte sie an der Universität Zürich Islamwissenschaft. Neben ihren beiden Jobs lektoriert sie als Selbständigerwerbende auch Masterarbeiten, Dissertationen und andere Texte. Dank ihrem Studium, durfte sie kürzlich auch die Untertitel für einige Filme die am Arabischen Filmfestival Zürich zu sehen waren überprüfen. Wenn es ihre Freizeit erlaubt, befasst sie sich auch mit arabischer Poesie und versucht diese ins Deutsch zu übertragen.

Eineinhalb Liter Grüntee zum Frühstück

Zineb ist ein Tausendsassa. Nebst ihrer Arbeit als Beauftragte für Gleichstellung von Menschen mit Behinderung der Stadt Zürich und jener beim Schweizerischen Bühnenkünstlerverband, geht sie zahlreichen Hobbies nach: Sie ist Mitglied bei der Feuerwehrmusik Zürich-Altstadt, wo sie Sopransaxophon spielt, ist eine grosse Jazz-Liebhaberin, hört aber auch mit Begeisterung Schweizer Volksmusik. Ein Kurs «Ländlermusik für Quereinsteiger*innen», den sie anfangs 2020 besuchte, hat ihren Enthusiasmus für die populäre Musik noch verstärkt. Für die NGO Public Eye sitzt sie im Vorstand. Ausserdem schreibt sie gerne Postkarten und Briefe und kauft dafür mit Vorliebe Sondermarken. Zudem ist sie Mitglied bei zahlreichen kulturellen Organisationen wie dem Theater Winkelwiese oder dem Literaturhaus Zürich. Ihr Morgenritual ist es, eineinhalb Liter Grüntee zu trinken und dabei die NZZ oder den Blick zu lesen. Das sei ihr zukünftiges Projekt, sagt Zineb und lacht dabei herzhaft.

Wenn Zineb wünschen dürfte, dann hätte sie ihre Wohnung am liebsten am Rennweg:

Es ist mein Traum, im Bademantel am Morgen im St. Annahof einzukaufen!

Allerdings würde sie auch eine Wohnung anderswo in der Altstadt beziehen, einzige Bedingung: Zugang zur Wohnung mit Lift. Kurz vor Weihnachten hat sich tatsächlich etwas ergeben und Zineb zieht im Frühling in den Kreis 1 rechts der Limmat. Was lange währt ...

Seit über 30 Jahren lebt Zineb nun in Zürich. Weshalb ist sie Tsüri-Member geworden? «Hier erhalte ich spannende Informationen und Tipps. Ausserdem kann mich eine Mitgliedschaft nur bereichern, insbesondere deshalb, weil ich für die Stadt Zürich arbeite. Ausserdem vermittelt das Stadtmagazin mit dem täglichen Newsletter gute Inputs für das Leben in der Stadt.» Nach knapp 90 Minuten ist das Gespräch zu Ende und wir verabschieden uns. Es ist Donnerstag – in wenigen Minuten fängt Zinebs erster virtueller Jass-Abend statt.

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