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Von DJ Restaurant

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21. August 2021 um 04:00

Warum ich Teslas hasse

Wie genau geht das zusammen mit dem Konsum und dem Klimaschutz? Unser Kolumnist über Firmen wie Tesla, welche mit ihren Produkten vorgeben, das Klima zu schützen.

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Illustration: Artemisia Astolfi

Der Kapitalismus liebt uns Zürcher:innen. Ob gross oder klein, dick oder dünn, Oerlikon oder Seebach, Snob oder Hipster – wir alle liegen wohlig und weich in den starken Armen dieser Super-Mama und nuckeln von Zeit zu Zeit zufrieden an ihren prallen Brüsten. Dafür liebt sie uns. Eine fast bedingungslose Liebe. Es gibt nur etwas, was Mama überhaupt nicht ausstehen kann. Die einzige Todsünde in dieser perfekten Familie. Sie lautet: «Du sollst nicht verzichten!»

Denn Verzicht ist das Gegenteil von Konsum. Und der Kapitalismus lebt vom Konsum. Nun wurde Verzicht in den vergangenen Jahrzehnten allerdings regelmässig als effektives Mittel im Kampf gegen den Klimawandel angepriesen. Seit den 70er-Jahren raten Expert:innen aller Länder der Bevölkerung westlicher Industrienationen dringendst, ihren Lebensstil zu mässigen. Weniger Auto, weniger Flugzeug, weniger Import, weniger Fleisch, weniger Elektroschrott.

All das macht Mama sauer. Zum Glück hat sie ihre Kinder aber gut erzogen. Wir Zürcher Yuppies möchten nämlich trotz Klimawandel auch weiterhin unser hart erarbeitetes Geld mit beiden Händen ausgeben. Verzichten? Wie unsexy! Aber das Klima ist uns ja auch irgendwie wichtig. Die Gretchenfrage lautet deshalb: Wie können wir das Klima schützen, ohne Mama Kapitalismus sauer zu machen?

Vor lauter greenwashing sehen wir nämlich den Wald nicht mehr.

Die Antwort liegt natürlich auf – respektive in – der Hand. Klimaschutz muss konsumierbar werden. Genau dieser Aufgabe haben sich im letzten Jahrzehnt Abertausende von Startups verschrieben. Ihr Ziel: Der globalen Elite auch weiterhin den gewohnten Lebensstandard zu ermöglichen und ihnen gleichzeitig das Gefühl geben, etwas gegen die drohende Klimakrise zu tun. Die «Green Economy» war geboren.

Das alles las ein schlauer Fuchs namens Elon Musk in den Sternen, als er 2004 bei Tesla einstieg. Unter seiner Federführung etablierte sich das Unternehmen zum Symbol für klimafreundliche Luxusgüter. Ein Wirtschaftszweig, der kontinuierlich wächst und sich mittlerweile auf fast alle Lebensbereiche ausgedehnt hat.

Heute bieten deshalb so viele Unternehmen «nachhaltige» Produkte an, weshalb das Wort selbst zum sinnfreisten Begriff überhaupt geworden ist. Die Bezeichnung «greenwashing», ursprünglich erfunden, um Pseudo-Umweltschutz sichtbar zu machen, ist dadurch völlig überflüssig geworden. Vor lauter Greenwashing sehen wir nämlich – wortwörtlich – den Wald nicht mehr.

Für etwas mehr Geld gibt’s Klimaneutralität.

Sogar die zahlungskräftigsten Drahtzieher:innen der gegenwärtigen Klimakrise wie Shell oder die Credit Suisse erlauben sich deshalb mittlerweile die Dreistheit, ihr «nachhaltiges Wirtschaften» öffentlich zu rühmen. So kommt es, dass die mit Abstand effektivste Massnahme gegen den Klimawandel – der Verzicht – irgendwie völlig in Vergessenheit geraten ist.

Die Folge: Genauso wie die Google-Chefetage in den Nullerjahren Tränen gelacht hat über die alte Vision, das Internet würde zu einer globalen Daten-Anarchie und Gleichstellung aller Menschen führen, prusten deshalb heute die Wirtschaftsverbände heimlich in ihre Krawatten, wenn jemand noch immer denkt, der Klimawandel würde uns alle in genügsame Buddhas verwandeln. Natürlich nicht!

Wer nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel. Und in Mamas Toolkasten liegt seit Jahrzehnten bloss ein einziges Werkzeug: Konsum. Damit hat sie es geschafft, uns Klimaschutz als luxuriöse Statussymbole für besonders umweltbewusste Zeitgenoss:innen zu verkaufen. Für etwas mehr Geld gibt’s Klimaneutralität. Klimaschutz to go, sozusagen.

Wieso ich also Teslas hasse? Ganz einfach: Weil Luxus-Klimaschutz dazu führt, dass sich Tesla-Fahrer:innen in ihren stilvoll daherschaukelnden Ledersesseln als Teil der Lösung und nicht als Teil des Problems sehen. Und während sie dann geräuschlos in Richtung Tessiner Ferienhaus fahren, in der einen Hand den zertifizierten Kiwi-Smoothie im kompostierbaren Pappbecher, mit der anderen Hand durch die neue rPET-Kollektion von Zara scrollend, bleiben auch diese nachhaltigen Konsument:innen vor allem eines: Konsument:innen. Mama ist stolz!

Kolumnist DJ Restaurant
DJ Restaurant glüht für gesellschaftliche Brennpunkte. Deshalb sinniert er als freier Autor und Kolumnist regelmässig über die kleinen Flammen des Alltags. Über die grossen Brände dieser Welt forscht er als Klimawissenschaftler an der Uni Bern. Abends ist DJ Restaurant oft in seinem Zürcher Musikstudio anzutreffen, wo er stundenlang an winzigen Knöpfen herumdreht. Seit er vor fünf Jahren ein Schwein hinter dem Ohr gekrault hat, träumt er von seinem eigenen Bauernhof. Wie naiv. Doch für nichts auf der Welt würde er seinen Leichtsinn hergeben.
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Yuppie-Kolumne
Die neue urbane Elite wird in jüngster Zeit als aspirational class bezeichnet. Während früher teure Autos und schicke Uhren als Statussymbol galten, braucht es für die Aneignung moderner Statussymbole nicht viel Geld, sondern Insiderwissen. Billige Digitaluhren, zerrissene Hosen, Adiletten, wackelige Tattoos auf den Fingern, Drehtabak – alle diese Statussymbole sind nicht teuer. Ihre Träger:innen müssen sich aber das nötige Wissen für deren Aneignung erarbeiten. Gerade in einer so unglaublich wohlhabenden Stadt wie Zürich, wo sich die städtische Elite (und damit sind nicht bloss die Google-Mitarbeiter:innen aus der Europaallee gemeint) seit Kindesbeinen an alle Requisiten des «guten Lebens» leisten kann, sind solche neuartigen Statussymbole allgegenwärtig. Diesen Symbolen und Manifestationen möchte DJ Restaurant mit seiner Kolumne auf die Spur gehen.

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