Mitten in Zürich: Drehstart der Bestsellerverfilmung bei Hitze und Verkehrschaos - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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29. August 2017 um 11:13

Mitten in Zürich: Drehstart der Bestsellerverfilmung bei Hitze und Verkehrschaos

Seit letzter Woche wird Thomas Meyers Bestseller «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» in der Schweiz verfilmt. Zu diesem Anlass wurden am letzten Samstag Medienvertreter*innen ans Filmset und zu einem Interviewtermin mit Regisseur und Hauptdarsteller*innen eingeladen.

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Kaum woanders in der Schweiz dürfte die jüdisch-orthodoxe Gemeinde das alltägliche Stadtbild so sehr prägen wie im Zürcher Kreis 3. Es ist eine etwas merkwürdige Sache. Wie man sich in Wiedikon zwar ständig begegnet, dabei aber nie miteinander in Kontakt kommt und so wenig von den anderen weiss.
Im Jahr 2012 bot Thomas Meyers Roman «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» einen kleinen Einblick in den jüdisch-orthodoxen Alltag. Mit viel Humor, grossem Sprachwitz und Herz begeisterte der Roman seine Leser*innen, wurde im deutschen Sprachraum über 100'000 Mal verkauft und stand 46 Wochen lang auf der Schweizer Bestsellerliste.

Die Handlung selbst entpuppt sich als nur wenig originell. Im Mittelpunkt steht Mordechai, genannt Motti, Wolkenbruch, der in einer streng jüdisch-orthodoxen Familie aufgewachsen ist. Während er sich für die jungen Frauen, mit denen ihn seine Mame zu verkuppeln versucht, nur wenig erwärmen kann, ist es eine nichtjüdische Mitstudentin an der Uni, die ihm den Kopf verdreht: Die Schickse Laura. Hin- und hergerissen zwischen religiöser Tradition, Familie und seinen neu erwachten Gefühlen muss Motti in der Folge seinen eigenen Weg suchen und dabei weitreichende Entscheidungen treffen.

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Der ehemalige Werbetexter Thomas Meyer hat gleich selbst Hand angelegt und das Drehbuch für die Verfilmung seines Romans geschrieben. Auf dem Regiestuhl hat Michael Steiner Platz genommen. Mit Kinoerfolgen wie «Grounding» und «Mein Name ist Eugen» hat er die Schweizer Filmlandschaft ordentlich aufgewirbelt. Doch seit seinem schmerzlichen Flop «Das Missen Massaker», den er vor fünf Jahren ins Kino gebracht hat, ist es still um ihn geworden. Mit Joel Basman hat er sich einen Deutschschweizer Shooting Star als Hauptdarsteller vor die Kamera geholt, mit dem ihn eine persönliche Freundschaft verbindet. In der Rolle der Laura verdreht ihm die Walliserin Noémie Schmidt den Kopf, welche in Frankreich schon einige Erfolge feiern konnte. Abgerundet wird der vielversprechende Cast von Inge Maux und Udo Samel in den Rollen von Mottis Eltern.

Verkehr und Hitze machen zu schaffen
Am letzten Samstag wurde das erste Zusammentreffen zwischen Laura und Motti an der Badenerstrasse zwischen Pflanzschul- und Feldstrasse gedreht. Auf dem Set herrschte reges Treiben, sorgte doch die VBZ an diesem Tag mit Verkehrsumleitungen und der Betriebsschliessung am Stauffacher für Chaos, sodass die Szene nicht wie geplant gedreht werden konnte und kurzfristig umdisponiert werden musste. Es war der vierte von rund dreissig geplanten Drehtagen. Über vierzig Personen tummelten sich an dem Set mitten in der Limmatstadt, wo es an diesem Nachmittag über dreissig Grad heiss war. Rund drei Stunden dauerten die Dreharbeiten für die kleine Schlüsselszene, welche im Film etwa eine Minute einnehmen wird. Darin stossen Laura und Motti mit dem Velo zusammen, wobei Lauras Handy zu Boden fällt. Motti hebt es auf und gibt es Laura zurück. Ihre Blicke treffen sich für einen kurzen Moment, bevor Motti in Richtung Stadtzentrum weiterfährt. Die Szene musste in mehreren Einstellungen gedreht werden, auch ein Kamerawagen kam zum Einsatz.

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Die 32 Grad Hitze brachten vor allem Joel Basman zum Schwitzen, der mit Kippa, Perücke, Brille, Bart, Hemd, Pullover und Anzug deutlich zu warm angezogen war. Entsprechend musste er sich ständig den Bart neu festmachen lassen, der sich immer wieder löste. Etwas abseits stand ein kleines Zelt, in dem Michael Steiner konzentriert vor einem Monitor sass und die Darbietungen kritisch betrachtete. War eine Aufnahme abgeschlossen, besprach er mit allen Beteiligten die Szene und gab Anweisungen. Die Anspannung stand dem Regisseur ins Gesicht geschrieben, lachen sah man ihn nur selten. Immer wieder wurden Szenen wiederholt. Es waren Details, um die es ging: Das richtige Tempo, in dem die Schauspieler mit dem Velo angefahren kamen; der Winkel, in dem sie zusammenstiessen wohin das Handy fiel und wie Joel Basman es aufhob. Das alles spielte eine Rolle. Kleinigkeiten, die immer wieder diskutiert und angepasst werden mussten.

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Mit «Jiddisch Light» für mehr Toleranz
Alle Beteiligten betonen in Interviews, dass es sich für sie um ein Herzensprojekt handelt. «Nachdem ich das Buch damals gelesen hatte, schrieb ich Thomas Meyer, ob Bedarf an einer Verfilmung bestehe», erzählt Basman im Interview. «Doch da waren die Rechte schon vergeben. Dann habe ich lange nichts mehr gehört, bis ich jetzt über andere Ecken dazu gestossen bin, was mich umso mehr gefreut hat, da ich nicht mehr damit gerechnet habe.»
Während Basman in der Deutschschweiz grosse Bekanntheit geniesst, ist Noémie Schmidt vor allem im französischen Sprachraum bekannt. Sie lebt in Paris und hat in Frankreich mit dem Kinofilm «L'étudiante et Monsieur Henri» sowie der Serie «Versailles» Erfolge gefeiert. Wolkenbruch wird ihre erste Deutschschweizer Filmproduktion – eine ganz besondere Erfahrung, wie sie erzählt. Insbesondere das Spielen in deutscher Sprache stellt für die gebürtige Walliserin ein Novum dar. Sie ist inzwischen seit rund einer Woche in Zürich. Die Bedingungen, unter denen gearbeitet wird, seien hier in der Schweiz ganz anders als in Frankreich, erklärt sie. «Dort ist die Filmbranche etabliert und Filmschaffende geniessen grosse Anerkennung.» Das erlebt sie in der Schweiz ganz anders. Zudem sei es auf Schweizer Sets chaotischer als in französischen Produktionen, wo alles von A bis Z durchorganisier ist. Meyers Geschichte jedenfalls hat es der jungen Schauspielerin sehr angetan. «Die explosive Begegnung zweier so gegensätzlicher Menschen gibt Raum für Poesie und Humor und gefällt mir speziell», schwärmt sie.

Michel Steiner fasziniert vor allem der Gegensatz zwischen den zwei Welten, der in der Geschichte zutage tritt. «Da ist unsere ‘freie’ westliche Welt, mit Individualität und Offenheit, die jedoch das Risiko birgt, dass man sich darin verloren und nicht zugehörig fühlt. Und da ist die andere Welt der orthodoxen Gemeinschaft, in der man sich aufgehoben fühlt, deren grösste Herausforderung hingegen das Dogma ist.» Auch wenn er das Plädoyer für Toleranz und Respekt, welches in der Geschichte zum Ausdruck kommt, allegorisch verstanden wissen möchte, war es ihm wichtig, das orthodoxe Judentum richtig darzustellen. Eine grosse Herausforderung für den Regisseur wie auch die Darsteller*innen, ist es doch eine ganz andere Welt, in der Motti aufgewachsen ist. Hilfe holte sich das Filmteam bei verschiedenen Berater*innen und Expert*innen. Für das Jiddische etwa, das im Roman eine wichtige Rolle spielt, arbeiteten sie mit einer Professorin zusammen, welche sie bei den Dialogen unterstützte. Herausgekommen ist eine Art «Jiddisch Light», wie es Steiner nennt.

Besonders gefreut hat Michael Steiner, dass sie im Vorfeld von orthodoxen Juden Einblick in deren Alltag erhalten haben. «Wir haben mit ihnen Kontakt aufgenommen und gesagt, dass wir einen Film machen, der in seiner Essenz auch um ihr Leben und ihre Kultur geht, und fragten, ob sie uns einen Einblick geben würden. Das haben sie dann getan. Wir durften an einem Schabbatessen und an einer Bar Mitzwa teilnehmen und konnten mit den Menschen reden.» Fasziniert ist auch Joel Basman: «Diese Rituale sind mit all ihren Regeln so komplex. Du musst dabei sein, um das nachvollziehen zu können. Wenn du es selbst miterlebst, dann ist das alles wunderschön und ergibt auch Sinn.»

Bereits im Sommer oder Herbst 2018 soll die Komödie mit einer Laufzeit von rund 90 Minuten im Kino starten. Dann kann sich jede*r selbst ein Bild von dem Film machen.

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