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Von Simon Jacoby

Co-Geschäftsleitung & Chefredaktor

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18. Januar 2015 um 14:22

Wo sind nur alle #Szenis geblieben?

Die Stadt wird überschwemmt mit Szenis. Alles Hippiekacke. Jeder versucht etwas zu sein: Induviduell und fresh und nice. Es wimmelt nur so von den Fixiefahrern und MacBook-Besitzerinnen. Alles Schwachsinn.

Die Stadt wird überschwemmt mit Szenis. Alles Hippiekacke. Jeder versucht etwas zu sein: induviduell und fresh und nice. Es wimmelt nur so von den Fixiefahrern und MacBook-Besitzerinnen. Alles Schwachsinn.

Wir schreiben das Jahr 2015. Seit einigen Jahren geistern Szenis durch unsere schöne Limmat-Stadt. Enge Röhrenjeans aus dem Brocki, Hornbrille auf der Nase, ein altes Rennvelo unter dem Arsch, das iPhone in der Tasche und einer von diesen Fällhaven, Fjällhavn-Rucksäcken (wie schreibt man das?) umgeschnallt.

Ja, früher waren das alle Szenis, oder Hipster. Heute nicht mehr. Es ist alles Mainstream. Eine ziemlich krasse Wendung, wenn man bedenkt, was den Szeni früher mal ausgemacht hat: die maximale Individualität. Doch diese wurde tausendmal kopiert. Durch das stetige Streben nach Einzigartigkeit fanden sich die jungen Menschen plötzlich dort wieder, wo sie niemals hin wollten: in einer Gruppe. Im Mainstream. Im Stinknormalen. Es ist nicht szenig in einen Bioladen zu gehen. Es ist nicht szenig, im Z am Park oder im Kafi Bonheur zu sitzen und mit dem MacBook irgendetwas im InDesign oder Photoshop zu basteln. Es ist normal! Es ist sogar sehr normal, wenn dazu Sneakers von New Balance getragen werden und ein Reclam-Büchlein (vielleicht eines von Foucault?) aus der Freitag-Tasche guckt. So leben wir nun mal in Zürich. Es ist völlig Mainstream, wenn junge Menschen die Zigaretten selber drehen und auf der Josefswiese oder der Bäckeranlage ihre Wurst grillieren. Es ist eine Frage des Budgets. Wir Jungen machen halt das, was wir uns leisten können. Darum gehen auch viele im Brocki ihr Outfit kaufen. Das ist nicht szenig!

Die Aufzählung lässt sich endlos weiterführen:

Szeni-Quartier? Hä? Wasischlooos? Es sind gemütliche und gesellschaftlich liberale Orte in der Stadt. Junge Menschen, die sich keine Wohnung für 4000 Franken leisten können und gemütlich, in der Stadt und nah beim Alkohol wohnen wollen, müssen ja dahin: in die Kreise 3, 4 und 5. Ah was, du bist auch eine Veganerin? Du Szeni. Nein! Nur wer gesund leben möchte und dabei sogar die Umwelt schont, ist noch kein Szeni! Das ist normal. Das ist so ein bitzli Teil des Mainstreams geworden. Auch Männer mit langen Haaren sind normal geworden. Wer das nicht glaubt, soll mit seinem alten Rennrad die Langstrasse rauf und runter fahren: der Laufsteg Zürichs. Die langen Haare (geföhnt und zu einem kleinen Schwänzchen geformt) sind so was von Mainstream. Das ist nichts Spezielles! Auch wenn die Röhrenjeans (oder blaue, grüne, graue Hosen) unten ein wenig hochgeredelt sind. Das ist so was von 2009. Das ist inzwischen sogar den grossen Modemarken zu normal. Die haben das vor einigen Jahren wieder aufgegeben.

Dann wäre da noch der happige Ironie-Vorwurf: Es sei typisch für Szenis, dass sie immer so ironisch seien: Vollbart, kaputte Shirts – halt aussehen, wie ein Nerd. Dazu dumme Sprüche reissen, ja nichts ernst meinen. Ja, sie sind ironisch. Aber wer denn nicht? Alle sind ironisch. Das ist Mainstream! Das ist langweilig. Es gehört dazu.

Es ist nicht szenig, wenn man als junger Stadt-Mensch viel in Bars unterwegs ist, an eine Vernissage geht und da interessiert tut, nur um sich kostenlos betrinken zu können. Es ist ganz normal. Es ist ganz normal, ein iPhone zu haben, schliesslich ist es das meistverkaufte Smartphone der Welt. Wenn man darauf den Newsletter von Ron liest und dann an einem Indie-Konzert oder einer Party im Klubi landet – janu, es ist eben so. Vielleicht gehörte Ron Orp schon zum Mainstream, als es noch Szenis gab. Ok. Nehmen wir das Beispiel der Besetzer-Parties. Oder der illegalen Parties. High-Heels sind auch da schon angekommen. Beim Binz-Umzug im vorletzten März waren die ganzen Party-Mädels auch dabei. Es ist ganz normal. Es ist dieser Junky-Chic-Lifestyle.

Klar ist, es gibt immer solche, die auffallen wollen. Es gibt immer die, die ein wenig ausscheren müssen. Es gibt immer die, die eigentlich zu kurze Haare für ein Schwänzchen haben, aber trotzdem eins machen (oben auf dem Kopf). Es gibt immer jene, welchen der Blog nicht reicht und die dann eine Zeitung machen müssen. Aber he, nicht mal das ist szenig. Das gibt es überall: Es soll ja sogar schwule Fussballer geben (Achtung: Ironie).

Eigentlich ist es schade, dass es keine Szenis mehr gibt. Es gibt so viele davon, dass alles Mainstream geworden ist. Nicht, weil es lustig war, sich darüber lustig zu machen, obwohl man selber dazu gehörte. Es ist schade wegen der Subkultur – die fehlt. Wenn es sogar für Parties auf dem Labitzke-Areal eine Gästeliste gab, scheint es dafür schlicht keinen Platz zu geben. Oder sie ist schon ganz woanders. An einem fernen Ort ohne Aufwertungs-Lädelis an jeder Ecke. An einem Ort, wo noch nicht alles durch-kommerzialisiert ist. An einem Ort, wo die ZHdK noch nicht das Stadtbild prägt. Vielleicht heisst dieser Ort Altstetten (hinter dem ehemaligen Labitzke) oder Schlieren. Vielleicht heisst dieser Ort aber auch Atlantis.

Bild: Twitter

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