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21. August 2017 um 11:58

«Wir empfehlen, nur Insekten aus kontrollierter Zucht zu essen.»

Heuschrecken und Mehlwürmer dürfen in der Schweiz seit Mai legal als Lebensmittel verkauft werden. Auf diesen Moment hat das Zürcher Start-Up Essento jahrelang hingearbeitet. Seit Montag sind ihre Insekten-Balls und -Burger bei Coop erhältlich. Wir haben mit Mitgründer, Christian Bärtsch, gesprochen.

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Herr Bärtsch, seit vielen Jahren unterstützt die UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft das Vorhaben, Insekten im Kampf gegen den Welthunger einzusetzen. Weshalb bietet essento Insektenprodukte in der Schweiz an, wo niemand Hunger leiden muss?

Insekten sind eine ressourcen-effiziente, gesunde und leckere Ergänzung für unseren Speiseplan.

Bedienen Sie hier nicht nur ein paar hippe Foodys, die ihren Freunden etwas Abgefahrenes auftischen wollen?

Essento bietet leckere Insektenprodukte für eine breite Bevölkerungsgruppe an.

Wie gesund sind Insekten wirklich?

Insekten enthalten interessante Nährstoffe wie hochwertige Proteine – in Qualität und Quantität vergleichbar mit Fleisch – ungesättigte Fettsäuren, Vitamine, Mineralstoffe und Nahrungsfasern. Der Nährstoffgehalt ist bei allen angebotenen Insektenarten ähnlich.

Weshalb handelt es sich bei den Produkten, die Essento ab heute bei Coop anbietet, um Convenience Food?

In einer ersten Linie möchten wir Interessierten einen einfachen Einstieg ermöglichen und nicht mit ganzen Insekten schocken.

«Nose to Tail» und «Leaf to Root» ist aber doch das neuste Credo für nachhaltige Hobbyköche. Glauben Sie, dass die meisten Konsument*innen dennoch abgeschreckt wären, wenn Sie ihnen Heuschrecken und Würmer in Rohform anbieten würden?

Für Interessierte und für Gastronomen bieten wir auch ganze Insekten an. Wie die Nachfrage bei den übrigen Konsumenten ist, werden wir sehen.

Ihre Produkte haben recht stolze Preise. Wie begründen Sie das?

Aktuell produzieren wir eine kleine Anzahl an Produkten. Diese werden in unserer Manufaktur in Zürich in sorgfältiger Handarbeit von unserem Team hergestellt. Zudem setzen wir bei den übrigen Zutaten auf natürliche Produkte wie Gemüse und Hülsenfrüchte, welche wenn immer möglich aus der Schweiz kommen. So können wir garantieren, dass wir sichere und leckere Lebensmittel anbieten können.

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Foto: Tina Sturzenegger

Könnte man nicht einfach auch Heuschrecken und Ameisen essen, die man selbst gefangen hat? Das wäre günstiger.

Wir empfehlen nur Insekten zu konsumieren, welche aus einer kontrollierten Zucht stammen. Insekten aus der Natur zu essen, empfehlen wir nicht, da Insekten in freier Natur Pestizide und Schwermetalle im eigenen Körper akkumulieren.

Ist die Zucht von Insekten nachhaltig?

Verglichen mit Rindfleisch sind Insekten gemäss der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zehnmal effizienter. Sprich, sie brauchen zehnmal weniger Ressourcen für die gleiche Menge an Protein.

Wo werden die Insekten, die Essento verwendet, gezüchtet?

Aktuell arbeiten wir mit Züchter in Belgien und Österreich zusammen. Hoffentlich kommen bald Züchter aus der Schweiz dazu.

Bei der konventionellen Fleischgewinnung wird immer wieder vom Leiden der Tiere gesprochen, das bereits mit der Haltung beginnt. Was versteht man bei Insekten unter artgerechter Haltung?

In der Insektenzucht geht es darum, den Insekten möglichst die Konditionen, die sie in der Natur haben, zu geben.

Es ist wissenschaftlich nicht bewiesen, dass Insekten keine Schmerzen empfinden. Die Tiere, die für Ihre Produkte getötet werden, sterben durch Erfrieren. Ist es wissenschaftlich belegt, dass dies die schmerzfreiste Variante ist?

Der respektvolle Umgang mit Insekten ist wichtig. Wissenschaftliche Erkenntnisse deuten in die Richtung, dass das Einfrieren eine gute Methode ist. Hierzu sind wir und unsere Partner im Austausch mit Experten.

Gehören auch Leute, die kein Fleisch essen, weil sie die heutige Tierhaltung nicht ethisch vertretbar finden, zu Ihrer Zielgruppe?

Insekten sind in erster Linie eine schmackhafte Alternative zu konventionellem Fleisch. Durchaus möglich, dass Personen, die heute kein Fleisch essen und dafür künstliche Präparate zu sich nehmen, ihren Speiseplan teilweise mit Insekten ergänzen.

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Foto: Tina Sturzenegger

«Mit viel Sauce und Gewürzen waren sie geniessbar, interessant, knackig, aber wirklich lecker schmeckt für mich anders», schrieb Foodbloggerin Zoe Torinesi über eine Insekten-Degustation, die Ihr Unternehmen in Zürich angeboten hatte. Ein hartes Urteil. Wie würden Sie den Geschmack von Insekten beschreiben?

Der Geschmack kommt auf die Art und auf die Zubereitung an. Locusta (Heuschrecken) schmecken eher wie Hühnchen, Tenebrio (Mehlwurm) schmeckt nach Haselnuss und Acheta (Grillen) nach frischem Popcorn. Am besten überzeugt ihr euch selbst.

Schmeckt man die Insekten bei Ihren Burgerplätzchen und Insect-Balls überhaupt heraus, neben den anderen Zutaten wie Gemüse, den Kichererbsen und den Kräutern?

Unser Ziel bei den Produkten ist es, kulinarisch attraktive Produkte zu kreieren. Die Insekten und die weiteren Zutaten ergänzen sich hervorragend. Bei den Insect-Balls ist zum Beispiel noch eine leichte Haselnussnote der Mehlwürmer erkennbar.

Wie bereitet man die Produkte zu?

Die Produkte sind einfach zu kochen. Die Burger und die Balls können in der Pfanne ganz einfach zubereitet werden. Kurz auf beiden Seiten anbraten, vorsichtig wenden und schon können sie serviert werden.

Essento bietet auch bereits Kurse an. Welchen empfehlen Sie denjenigen, die noch etwas skeptisch sind gegenüber dem Kochen mit Mehlwürmern und Heuschrecken?

Zum Einstieg würde ich einen Anlass an der «Essento Dinner»-Serie empfehlen. Für Personen, die gerne selbst anpacken, empfehle ich den Kochkurs und für Neugierige, die gerne etwas mehr über die neue Bewegung erfahren wollen, den Workshop bei Sobremesa.

Verraten Sie uns Ihr Lieblingsinsektenrezept?

Ich mag Heuschrecken-Spiesschen mit Teriyaki-Sauce gern oder Polenta-Roulade mit Mehlwürmern. Beide Rezepte findet man auch in unserem prämierten Kochbuch «Grillen, Heuschrecken & Co.»

Das Interview mit Christian Bärtsch, Co-Founder von Essento, wurde schriftlich geführt.

Titelbild: CCO

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