Winterrede Camille Roseau: «Brechen Qualität und Vielfalt der Medien weg, gerät ein wichtiger Pfeiler der Demokratie ins Wanken» - Tsüri.ch #MirSindTsüri
account iconsearch

31. Januar 2022 um 11:00

Winterrede Camille Roseau: «Brechen Qualität und Vielfalt der Medien weg, gerät ein wichtiger Pfeiler der Demokratie ins Wanken»

Es ist wieder soweit: Karl der Grosse lädt zur alljährlichen Ausgabe der «Winterreden» ein. Vom 17. bis 28. Januar 2022 haltet jeweils um 18 Uhr eine Persönlichkeit aus Politik, Kultur oder Kunst eine Rede aus dem Erkerfenster des Karls. Du hast die Winterrede verpasst? Bei uns kannst du sie nachlesen!

Die WOZ-Werberin und Co-Präsidentin des Verbands «Medien mit Zukunft» über die Beerdigung des «Watchdogs» Journalismus – und deren Folgen. (Fotos: Jill Oestreich)

Hier geht's zu allen Winterreden.

Rede: Camille Roseau

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, 

Ohne öffentliche Finanzierung von Soziokultur stünde ich heute nicht hier, dieses Fenster bliebe geschlossen, es bliebe vermutlich still auf diesem Platz mit Blick auf das Grossmünster. Stattdessen darf ich zu Ihnen sprechen und sagen, was ich will. Sogar ein Honorar bekomme ich dafür, dass ich dieser erfreulichen Aufgabe nachkommen kann.

Es bezahlt mich also die Stadt oder – wenn man so will – «der Staat» dafür, dass ich mich öffentlich äussere. Und trotzdem habe ich die Rede ganz allein verfasst, niemand hat mir meine Sätze vorformuliert und in die Maschine diktiert. Kein Mitglied der Stadtzürcher Regierung hat mich im Vorfeld indoktriniert, ich habe einfach «Carte Blanche» für meine Winterrede, weil es in der Stadt Zürich eine politische Mehrheit gibt für öffentliche Einrichtungen wie das «Karl der Grosse», die der öffentlichen Meinungsbildung dienen. 

Warum erzähle ich Ihnen das? Es ist so: Das «Karl der Grosse» hat mich freundlicherweise eingeladen, über etwas zu sprechen, das die politische Schweiz erst seit kurzem, dafür aber umso brennender interessiert: Über Medienvielfalt und Demokratie. Was aktuell auch heisst, dass wir uns über Medienförderung unterhalten sollten, das heisst über eine öffentliche Teilfinanzierung von privaten journalistischen Medien.

Denn: Unter dem Titel «Staatsmedien Nein» kommt am 13. Februar ein Referendum zur Abstimmung, das eine These in den Raum stellt: Mit Staatsgeldern für private Medien würden Journalistinnen und Journalisten gekauft, eine freie Berichterstattung über Politik, Parteien und Regierungshandeln sei damit verunmöglicht. Die vierte Gewalt, die Wächterin der Demokratie, würde durch öffentliche Gelder ausgehebelt, zahnlos, blutarm, durch Zensur von ganz oben zerstört. 

Das ist schlicht und ergreifend grosser Unsinn. Die Medienförderung, so wie sie jetzt vors Volk kommt und damit auch in Ihren Abstimmungskuverts auftaucht, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ist ein gutschweizerischer Kompromiss, der es durch National- und Ständerat geschafft hat und der eigentlich eines lösen soll: Die Finanzierungskrise des Journalismus. Und eines verhindern will: Den Kahlschlag innerhalb der Schweizer Medienlandschaft.

Und zwar nach einem ausgefeilten Prinzip: Der smarten Giesskanne für eine bestimmte Kategorie von Medien. Was wiederum keine so schlechte Idee ist. Alle Bezahlmedien in der Schweiz werden gegossen, keines sitzt auf dem Trockenen. Unabhängig davon, wem dieses Medium gehört und auch unabhängig davon, welche politische Färbung das bestimmte Medium hat. Die Förderkriterien sind allein formaler Natur, zum Beispiel ist eine deutlich erkennbare Trennung von Werbung und redaktionellem Teil gefordert. Ausserdem ist eine gewisse Themenbreite Voraussetzung: Das Medium sollte über Politik, Gesellschaft und/oder über Kultur berichten. 

Aber der Reihe nach: Worin besteht eigentlich das Problem und was trägt das Paket zur Lösung bei? Was würde passieren, wenn man einfach «den Markt spielen» lässt, wie es die Gegner:innen fordern? Und warum spreche ausgerechnet ich zu Ihnen über dieses Thema? 

Dass sich Medien in der Krise befinden, dürfte Ihnen bekannt sein. Mir ist das Thema Krise als solches auch vertraut, ich arbeite nämlich seit vierzehn Jahren bei der Wochenzeitung WOZ, die 1981 im bewegten Zürich gegründet wurde. Als ich dort im zarten Alter von 27 Jahren 2008 meine neue Stelle in der WOZ-Werbeabteilung antrat, steckte den Kolleginnen und Kollegen die grosse Krise von 2005 noch merklich in den Knochen. Das Kollektiv hatte eine Fast-Pleite hingelegt. 2003 hatte es Redaktion und Verlag ausgebaut, die Refinanzierung über neue Abonnent:innen und über kommerzielle Inserate hatte einfach nicht geklappt. Wir drehten also jeden Franken um, bevor wir ihn ausgaben.

Nach der Finanzkrise, ebenfalls 2008, ging es langsam bergauf, immer mehr Menschen interessierten sich für ökonomische und gesellschaftliche Alternativen, für Genossenschaften, für soziale Kämpfe, für Feminismus, für ökologische Fragen und lösten darum ein Abonnement der WOZ. Unser Betrieb ist heute finanziell breit abgestützt: Unsere Leser:innen finanzieren uns zu gut 85 Prozent über ihre Abobeiträge und Spenden, 10 Prozent kommen über Inserate, rund 4 Prozent unserer Erlöse stammen aus der Posttaxenverbilligung, von der später noch die Rede sein wird. Wir zahlen dank der Schweizer Steuerzahler:innen weniger Geld für den Transport der Zeitungen, was unseren finanziellen Erfolg verbessert. Diese «Staatsknete» können wir gut gebrauchen, es ist ungefähr das, was wir im Jahr für betriebliche Projekte in der Weiterentwicklung einsetzen, wie zum Beispiel dem Relaunch der Website oder dem Programmieren einer App. Unserem Betrieb geht es gut. Das ist ein Glück, aber auch Resultat der Selbstverwaltung, einer 40-jährigen Aufbauarbeit mit niedrigen Löhnen und nicht ohne weiteres reproduzierbar.

Bei vielen Schweizer Medien ist die Lage indes deutlich weniger gut. Oder wie es der Bundesrat in seiner Botschaft zum Paket nüchtern formuliert: Die einheimischen Medien sind mit einem beträchtlichen Einbruch an Werbe- und Publikumseinnahmen konfrontiert worden. Zwei Zahlen dazu: In den letzten 15 Jahren sind knapp 70 Prozent der Inserateinnahmen, die früher den Journalismus finanzierten, aus der Erfolgsrechnung der Schweizer Medien verschwunden. Zum einen ist dieses Problem auf die Ausgliederung des Rubrikengeschäfts auf Plattformen unter dem eigenen Konzerndach zurückzuführen (Looking at You, TX-Group), zum anderen gehen diese Schweizer Werbegelder auch einfach an amerikanische Plattformen und fördern dort das Geschäftsmodell aus Profitmaximierung, Inkaufnahme von Hatespeech und massiver Datensammelwut. Zudem sind die Erlöse aus dem Verkauf von Abonnements quer durch die ganze Branche gesunken, was mit einer fehlenden Zahlungsbereitschaft seitens der Leser:innen zusammenhängt. Das sind grosse Verlage zum Teil auch selbst schuld, weil sie über lange Jahre alles gratis publiziert haben. Item.

Die Folgen dieses Umsatzeinbruchs sind Stellenabbau, Zusammenlegungen von Redaktionen und ein allgemeiner Rückgang von Medienvielfalt, ja geradezu ein Artensterben, das sich insbesondere in den Regionen und Gemeinden zeigt. Besonders eindrücklich ist dazu eine zweite Zahl. Seit 2003 sind 70 verschiedene Titel verschwunden; die Liste ist auf der Website des Bundesamtes für Kommunikation einsehbar, sie heisst «eingestellte einheimische Zeitungstitel». Es ist ein bisschen wie im naturhistorischen Museum Zürich, wo die ausgestorbenen Tierarten mit einem roten Leuchtpunkt gekennzeichnet sind. Der Vergleich zum Artensterben hinkt allerdings: immerhin entstehen im Gegensatz zur richtigen Biosphäre in wenigen Jahren neue Arten in der Medientaxonomie. Es gab und gibt viele neugegründete Medien in der Schweiz, von denen mir viele gut bekannt sind. Warum? 

Ich arbeite nicht nur bei der WOZ, sondern bin seit fünf Jahren nebenberuflich als Vertreterin konzernunabhängiger Medien aktiv. 2017 hat die WOZ (gegründet 1981) mit den Zürcher Medien Tsüri.ch (gegründet 2015) und der Republik (2017 noch in Vorbereitung), Zentralplus (gegründet 2013) aus Luzern, der TagesWoche aus Basel (gegründet 2013, leider eingestellt 2018) sowie den Gewerkschaften Syndicom und SSM und dem Berufsverband für Journalist:innen Impressum den Verband Medien mit Zukunft aus der Taufe gehoben. Mit dabei war auch We.Publish, ein digitaler Infrastrukturanbieter für Medien. In den letzten Jahren sind noch weitere Titel dazugekommen wie die Hauptstadt und Babanews, beide aus Bern, das Kulturmagazin Saiten aus St. Gallen, das Wissenschaftsmagazin Higgs und das P.S., ebenfalls aus Zürich.

«Mäzenatentum in der Medienfinanzierung ist problematisch, weil es sich der demokratischen Kontrolle entzieht, indem es als private Angelegenheit hinter verschlossenen Türen stattfindet.»

Camille Roseau

Das ist klassisches Empowerment durch einen Zusammenschluss von Gleichgesinnten – in der medienpolitischen Debatte hatten wir bis dahin als einzelne nicht besonders sichtbar werden können. Durch die Gründung unseres Vereins ist das anders geworden, glücklicherweise so, wie wir uns das in den Statuten vorgenommen hatten:

Darin heisst es nämlich:

«Der Zweck des Vereins [Verband Medien mit Zukunft] ist, unabhängigen Journalismus und den Aufbau und Unterstützung neuer und bestehender unabhängiger Medienmarken in der Schweiz zu fördern und die Interessen journalistischer Organisationen zu vertreten. Er bringt sich als Stimme für den Journalismus in die medienpolitischen Debatte ein.»

Und das machen wir, auch wenn der Journalismus kein Geschäft mehr ist. Auf diesem Weg haben wir die politische Debatte um das Medienpaket aus nächster Nähe mitbekommen: Den ganzen langen Weg, den das Paket genommen hat vom zuständigen Ministerium, dem UVEK, durch die jeweiligen vorbereitenden national- und ständerätlichen Kommissionen hin zu Abstimmungen in National- und Ständerat. Die vielen Schlaufen, die dabei nötig waren, erspare ich Ihnen an dieser Stelle, hier nur so viel: Es war eine Zitterpartie. Die einen wollten die Printförderung nicht mehr (Altpapier herumfahren auf Staatskosten!), die anderen keine Onlinemedienförderung (alles Quatsch, was in diesen neuen Medien steht!), wieder andere hatten die Zeichen der Zeit erkannt und riefen: Es gibt nur einen Journalismus, der print und online daherkommen kann. 

In einer repräsentativen Umfrage mit dem Forschungsinstitut gfs hatten wir vom Verband Medien mit Zukunft im Herbst 2020 zudem herausgefunden, dass die Leser:innen, auf die es ja wesentlich ankommt, sich zu grossen Teilen sowohl online als auch print zu politischen Fragen informieren. Für sie spielt die Unterscheidung von Print und Online gar keine Rolle.

Das Paket, das jetzt zur Abstimmung steht, enthält drei Säulen:

Erstens: Die seit 1849 bestehende indirekte Presseförderung wird ausgebaut. Die Zustellung von Presseerzeugnissen wird verbilligt, den Medienbetrieben entstehen für den Vertrieb weniger Kosten.

Neu ist die Onlinemedienförderung. Der gewährte öffentliche Zuschuss bemisst sich am Umsatz, den das Medium am Leserinnenmarkt erzielt, ob mit Abobeiträgen oder mit Spenden. Beiden Förderinstrumenten ist gemein, dass sie nach dem Prinzip der Degression vergeben werden, d.h. je kleiner das Medium ist, desto grösser ist anteilsmässig die gewährte Unterstützung. 

Die dritte Säule des Massnahmenpakets umfasst Elemente, die der ganzen Branche zugutekommen: Die Förderung der Nachrichtenagentur Keystone/SDA, die den Nachrichtengrundstoff für die Berichterstattung liefert. Zuschüsse für die Aus- und Weiterbildung von Journalist:innen – das Rüstzeug für eine fachlich kompetente Ausübung des Berufs. Und – last but not least – eine finanzielle Unterstützung für den Presserat, der branchenethischen Institution, die über die Einhaltung des Pressekodex wacht und Beschwerden aus Publikum und von Medienschaffenden behandelt.

So sieht es aus: Das Paket, bei dem für viele Medien und die Branche als Ganzes etwas dabei ist. Die smarte Giesskanne, die kleine Pflanzen mehr giesst als grosse. Es ist ein Paket, das zum Ziel hat, journalistische Medien in der Schweiz finanziell zu stabilisieren und das das Potential hat, das Artensterben im Bereich der Medien aufzuhalten und dabei besonders die kleinen und mittleren Betriebe im Blick hat. 

Klar ist die Frage zulässig, warum man nicht – frei nach Darwin – den Markt einfach machen lässt und auf das Survival of the Fittest wartet wie man es bei Naturgewalten halt macht, wenn man Fatalist:in ist? Einfach deshalb, weil Journalismus nicht einfach irgendein Gut, irgendeine Dienstleistung ist. Sondern zentral für unsere demokratischen Prozesse, auch ein bisschen unabhängig davon, wie klein das Pflänzchen ist. Ohne professionell gemachten Journalismus keine Demokratie, das zeigt eine Studie des Schweizer Nationalfonds. Die Medien informieren die Bevölkerung und ermöglichen dadurch wichtige Debatten. Durch sie haben Journalistinnen und Journalisten den finanziellen und publizistischen Spielraum, um ihrer Arbeit nachzugehen: Die richtigen Fragen zu stellen, fundiert zu recherchieren, Fakten einzuordnen und Prozesse in Zivilgesellschaft und Politik zu reflektieren. Unternehmen in ihrem Geschäftsgebaren zu kontrollieren, das vielleicht legal, aber anderweitig problematisch ist. Behörden und Mandatarinnen auf die Finger zu schauen, Regierungskommunikation zu analysieren und auf Hohlstellen abzuklopfen. Auf nationaler Ebene, kantonaler Ebene und in der Gemeinde.

Brechen Qualität und Vielfalt der Medien weg, gerät ein wichtiger Pfeiler der Demokratie ins Wanken, der Watchdog, der sprichwörtliche Wachhund, der die Mächtigen in Schach hält, wird zahnlos oder gleich ganz beerdigt. In dem Land, in dem der Begriff «Watchdog» synonym für journalistisch arbeitende Medien verwendet wird, in den USA, ist das schon vielerorts bittere Realität: In den so genannten News Deserts, in denen keine Zeitung mehr über das politische Geschehen vor Ort berichtet, weil es keine mehr gibt. Seit 2004 ist jede fünfte Zeitung in den USA verschwunden. Oder sie ist zu einem «ghost newspaper» verkommen, das nur noch ein Schatten seines früheren Selbst ist. Vermutlich sind auch in den USA Zentralredaktionen im Spiel und es geht um Titel, von denen nur noch der Titelkopf übrig ist. Item. In diesen Nachrichtenwüsten nimmt nachweislich die Stimmbeteiligung ab, die Polarisierung der Gesellschaft nimmt zu, Desinformation wird omnipräsent. Es kommt eher zu Korruption, beispielweise weil niemand mehr die Auftragsvergabe der öffentlichen Hand kontrolliert. Das wollen und können wir in der Schweiz nicht tolerieren. 

Was wir uns in der Medienmacher:innenstadt Zürich nur schwer vorstellen können: Es gibt leider bereits heute Landesteile, in denen der Newsregen schon versiegt ist und die langsam versanden, vor allem im Tessin und in der Romandie. Die Folge ist auch ein Versanden der Teilhabe, die aber – anders als in den USA – einen ganz wesentlichen Stellenwert im demokratischen Gefüge hat. Die Information über anstehende Vorlagen kann und darf nicht allein über die Abstimmungsunterlagen erfolgen, so überlegt formuliert sie auch sein mögen. Ohne eine externe Einordnung erfährt der Stimmbürger, die Stimmbürgerin beispielsweise nichts über die Hintergründe der Urheber:innen gewisser Vorstösse.

Und da wir gerade bei Urheber:innen von Vorstössen sind: Wer hat eigentlich das Referendum ergriffen in Sachen Medienpaket? Rechtsbürgerliche Kräfte waren die offiziellen Absender des Referendums. Vor den Karren spannen lassen haben diese sich von den sogenannten Freunden der Verfassung. Rechtsbürgerliche und libertäre Kräfte im Schulterschluss also, die ordnungspolitische Bedenken für sich entdeckt haben (Stichwort «Staatsmedien»), ihre schlimmen Bauchschmerzen gegenüber Subventionen (Fun Fact: Viele davon sind in der SVP, der Direkthilfen-Partei für die Schweizer Bauern) und unverhoffte Kapitalismuskritik («Keine Steuermilliarden für Medienmillionäre»).

Welche Alternativen sehen sie zur Medienfinanzierung? Das Mäzenatentum. Also reiche Freund:innen und Förderer:innen in Personalunion, die als vermögende Einzelpersonen Medien finanzieren. Das kann eine Weile gutgehen, kann aber auch zu Publikationen führen, die von den freundlichen Unterstützern zur Verbreitung ihrer politischen Agenda alimentiert werden. Es verdichten sich die Anzeichen, dass genau das das Ziel der Einreicher:innen des Referendums ist; siehe auch Weltwoche oder Nebelspalter, deren Leute hinter dem Referendum stehen. Wird das Medienpaket an der Urne abgelehnt, könnte das ein wahrscheinliches Szenario für die Schweizer Medienlandschaft werden. To name names: Ja, es sind Köppel, Somm und Konsorten, die sich gemeinsam mit ihren Weggefährten besonders vehement gegen das Medienpaket einsetzen. Dabei: Ihre Medien sind nun wirklich kein Ausbund an Transparenz, niemand weiss so genau, woher ihre Mittel stammen und ob den Nebelspalter wirklich 70 Millionäre finanzieren oder ob es nur ein Milliardär ist. Aber da begebe ich mich auf spekulativen Grund.

Nüchterner ausgedrückt: Mäzenatentum in der Medienfinanzierung ist problematisch, weil es sich der demokratischen Kontrolle entzieht, indem es als private Angelegenheit hinter verschlossenen Türen stattfindet. Verfolgt der Mäzen eine politische Agenda, ist es für ihn ein Leichtes, diese den Medienschaffenden aufzuzwingen. Dort kann die Prämisse «Wer zahlt, befiehlt» tatsächlich gelten, im Rahmen des Medienpakets nicht. Und dafür haben wir einen Beweis: Die indirekte Presseförderung in der Schweiz gibt es seit 1849, auf dem Pressefreiheitsindex sind wir auf Platz 10 von 180, einem Spitzenplatz. Auf Platz eins bis drei finden sich übrigens allesamt nordeuropäische Länder, die allesamt seit vielen Jahren direkte Presseförderung kennen, doch das nur so nebenbei.

Die Sache mit den Steuermilliarden für Medienmillionäre hat – wie jede Polemik – ein Körnchen Wahrheit für sich: Rechnet man die Medienförderung der kommenden sieben Jahre zusammen – auf diese Dauer ist sie nämlich befristet – kommt man auf 1.05 Milliarden, 7 mal 150 Millionen. Und ja, unter den geförderten Medienbetrieben sind welche, die Milliardären gehören und die Dividenden ausschütten. Das gefällt mir jetzt zum Beispiel auch nicht so gut. Aber: Auch in diesen Konzernen arbeiten Journalistinnen und Journalisten. Diese Medien haben immer noch viele Leser:innen. Ich nehme an, auch hier finden sich einige Tagi-Leser:innen, auch hier auf der Empore steht eine. Die können wir nicht dafür abstrafen, dass sich gewisse Verlegerfamilien astronomische Dividenden auszahlen!

Und so viele Millionäre gibt es nun auch wieder nicht unter den Medieneigner:innen. Ich zum Beispiel gehöre nicht dazu, obwohl mir ein Fünfzigstel einer Zeitung gehört. Full disclosure.

Vielmehr arbeiten viele Medienschaffende zu knapp bemessenen Löhnen und in einem stressigen Pensum. Die Betriebe schreiben eine rote oder schwarze Null. Mit der Medienförderung haben sie die Grundlage, genug Journalistinnen einzustellen, damit der ganze Betrieb besser abgestützt ist und Ferien und Krankheitsfälle nicht gerade zu Berichtsausfällen führen. Hat zum Beispiel ein lokales Onlinemedium 1500 Leserinnen, die 100 Franken im Jahr zahlen, macht es 150000 Franken Umsatz, davon können zirka zwei Redaktorinnen beschäftigt werden. Aus der Online-Förderung gäbe es nochmals 90 000 Franken dazu, damit wären es gerade noch anderthalb Stellen mehr. Nicht einfach nur Stellen, sondern auch Kolleg:innen, die dazu beitragen, dass mehr als nur das Notwendigste gemacht wird und das mit hängender Zunge und vielen Überstunden. Die technische Grundlage wäre mit den Beihilfen zur Infrastruktur auch schon gesichert. Mit der öffentlichen Förderung befindet sich dieses beispielhafte Onlinemedium also in einer deutlich besseren Position als ohne und wäre in der Lage, sich stabil aufzustellen. Um solche Medien geht es: Um Arbeitgeber:innen von Journalistinnen und Journalisten, die sowohl über Gemeindeversammlungen wie Bankenskandale berichten. Ohne sie wären wir als Gesellschaft aufgeschmissen.

Sie haben es vielleicht gemerkt: Ich halte das Medienpaket für eine gute Sache. Daher mein Appell an Sie: Sagen Sie am 13. Februar «Ja zur Medienvielfalt und ja zum Medienpaket».

Ausserdem möchte ich mich bei Ihnen bedanken. Herzlichen Dank an Sie, liebe Zürcher:innen, liebe Mäzen:innen, die diese Winterrede bezahlt haben und mir trotzdem nicht reingeredet haben. Ich freue mich auf angeregte Diskussionen mit Ihnen beim öffentlich finanzierten Glühwein!

Alle bisherigen Reden 2022:

  • Winterrede Samuel Schwarz
  • Winterrede Natalie Rickli
  • Winterrede Schüler:innen Schule am Wasser
  • Winterrede Mischa Schiwow
  • Winterrede Eneas Pauli
  • Winterrede Amine Diare Conde
  • Winterrede Sonia I. Seneviratne
  • Winterrede Zineb Benkhelifa
  • Das könnte dich auch interessieren