Winterrede Benjamin Fischer: «Die Schweiz ist nicht nur zeitgemäss, sie ist ein Zukunftsmodell!» - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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18. Januar 2021 um 15:00

Winterrede Benjamin Fischer: «Die Schweiz ist nicht nur zeitgemäss, sie ist ein Zukunftsmodell!»

Karl der Grosse lädt zur siebten Ausgabe der «Winterreden» ein – und zwar bei dir zu Hause! Vom 11. bis 15. und vom 18. bis 22. Januar 2021 haltet jeweils um 18 Uhr eine Persönlichkeit aus Politik, Kultur oder Kunst eine Rede. Radio GDS.FM überträgt die Reden live. Hast du die Winterrede verpasst? Hier kannst du sie nachlesen!

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Benjamin Fischer (Kantonsrat und Präsident der SVP Kanton Zürich) hielt letzten Freitag seine Winterrede. (Foto: Jill Oestreich)

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Rede: Benjamin Fischer

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer

Was ich an den Winterreden von Karl der Grosse so schätze und weshalb ich die Einladung sehr gerne angenommen habe, ist die Tatsache, dass es keine Vorgaben zum Inhalt gibt. So sehe ich die Winterrede als gute Gelegenheit, die Hektik und Oberflächlichkeit der Tagespolitik etwas zu verlassen und über Grundsätzliches zu sprechen. Das ist in letzter Zeit etwas zu kurz gekommen, verständlicherweise. Bald sind wir ein ganzes Jahr im Krisenmodus und Krisen haben es an sich, dass sie den Blick verengen und das grosse Ganze in den Hintergrund rücken. Zuerst möchte ich aber allen Organisatorinnen, Organisatoren und Mitwirkenden herzlich danken, dass ihr kreative Wege gefunden habt, die Winterreden durchzuführen. Gerade jetzt ist das besonders wichtig. Ich weiss aus eigener Erfahrung, wie umständlich und deprimierend es sein kann, unter rasch ändernden Bedingungen Lösungen zu finden und etwas auf die Beine zu stellen.

Als ich vor vier Jahren hier sprechen durfte, habe ich das Buch «Das Zeitalter des Undenkbaren» von Joshua Cooper Ramo mit dem Untertitel «Warum unsere Weltordnung aus den Fugen gerät und wie wir damit umgehen können» erwähnt. Wichtigste Erkenntnis: Die Welt und unsere Gesellschaft werden immer komplexer, wenn nicht gar chaotischer, verlässliche Prognosen für die Zukunft somit immer schwieriger, wenn nicht gar unmöglich.

Ich habe damals gesagt: «Wir leben also in einem chaotischen Zeitalter, oder wie es Nassim Taleb (dessen Werke ebenfalls sehr zu empfehlen sind) ausdrücken würde, in einem fragilen Zustand. Beide Autoren lassen uns mit dieser Erkenntnis aber nicht alleine, sondern zeigen auf, wie man sich in diesen Zeiten verhalten soll. Das Zauberwort dabei; Resilienz, kurz gesagt Widerstandsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit, für alle Situationen gewappnet sein und das Beste daraus zu machen, egal was kommt.

Die Coronakrise und der weltweite Umgang damit, hat uns diese Fragilität brutal vor Augen geführt. In der Wirtschaftswissenschaft spricht man von der sogenannten «VUCA Welt», die vier Buchstaben stehen für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit. Was das bedeutet, zeigt die aktuelle Situation exemplarisch. Die unbequeme Nachricht ist; es führt kein Weg daran vorbei zu lernen, in einer VUCA Welt zu leben. Auch wenn Corona hoffentlich bald bewältigt ist, die Welt bleibt volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig. Nicht nur für uns persönlich, sondern auch für Politik, Unternehmen und Medien ist der Umgang damit schwierig. Der Mensch hat ein starkes Bedürfnis nach Stabilität, Sicherheit und einfachen Erklärungen. Gerade in der öffentlichen Diskussion und überall wo konkrete Entscheidungen getroffen werden, ist Vereinfachung und Reduktion auf das Wesentliche unumgänglich. Problematisch wird dies, wenn Vereinfachung zu Oberflächlichkeit verkommt und vergessen geht, dass wir es dahinter mit einer komplexen, mehrdeutigen und sicher verändernden Welt zu tun haben.

Eine Folge davon ist die Hype-Kultur, also Vereinfachung der komplexen Welt durch Konzentration auf ein alles bestimmenden Fokus. Dabei wird ein aktuelles Thema, das uns die VUCA Welt vor die Füsse spuckt herausgepickt und in allen Medien, auf sämtlichen Kanälen bewirtschaftet bis es zum allgemeinen Hype stilisiert ist und somit erst recht als relevant gesehen wird, was dann zu noch ausführlicherer Berichterstattung führt. Auch hier spielt die Digitalisierung eine Rolle, denn der Hype treibt die Klickzahlen nach oben. Natürlich handelt es sich bei der Klimabewegung, Donald Trump oder Corona um relevante Themen die selbstverständlich von den Medien behandelt werden müssen. Aber bei der zehnten Titelgeschichte, wie nun Greta Thunberg in die USA segelt und was sie zu Mittag isst, beim hundertsten Artikel über Trumps Tweets oder der pausenlosen Flut an Corona News steht nicht mehr Information zum Thema, sondern der Hype ums Thema im Vordergrund. Meistens sind solche Hypes denn auch sehr kurzlebig und oberflächlich. Vielleicht können Sie sich noch erinnern, als nach der Finanzkrise 2008 täglich über die Bewegung Namens Occupy Wallstreet berichtet wurde, dies sei nun das Ende des Finanzsystems wie wir es kennen, hiess es auch in etablierten Medien. Heute, 12 Jahre später spricht kaum jemand mehr davon, im Finanzsystem hat sich zwar einiges verändert, aber aus ganz anderen Gründen als Occupy Wallstreet und auch nicht unbedingt zum Guten.

Eine andere Art mit Unsicherheit, Komplexität und Veränderung umzugehen ist der Rückzug in sogenannte Echokammern oder Filterblasen, man legt sich ein Weltbild zurecht, das auf alle Fragen klare Antworten bereitstellt, konsumiert Medien die dem eigenen Weltbild entsprechen und umgibt sich mit Menschen, die gleich denken. In der Echokammer bestätigen und bestärken sich alle gegenseitig in ihrer Meinung. Das Internet und die sozialen Medien begünstigen das ungemein. Diese Entwicklung führt zu einer gefährlichen Zersplitterung der Gesellschaft, denn wer von ausserhalb des eigenen Echoraums den Meinungsfrieden stört wird rasch zum Feindbild. Dies lässt sich psychologisch leicht erklären. Vor allem aber setzt eine sinnvolle Diskussion eine minimale gemeinsame Basis voraus, quasi der kleinste gemeinsame Nenner auf den sich alle einigen können. Ich komme nochmals darauf zurück.

Zuerst aber zurück zum Ausgangspunkt. Der Tunnelblick der Krise lässt bei oberflächlicher Betrachtung rasch die Diskussion aufkommen, ob das Schweizer System denn noch zeitgemäss sei. So führen weitgehende Machtteilung, starker Föderalismus und Pragmatismus einer direkten Demokratie eher zu Trägheit und scheinen schlecht für die Bewältigung einer Krise geeignet. Dies mag in Einzelfällen zutreffen, dennoch würde ich, gerade in einer Krise, in keinem anderen Land lieber leben als in der Schweiz und so geht es interessanterweise auch vielen Kritikern des Schweizer Systems. Was am Ende wirklich zählt, sind nicht die kleinen Schwächen, sondern das Big Picture. Und da sind die schweizerischen Erfolgspfeiler unschlagbar.

Eine starke, zentralistische Staatsgewalt wie sie viele Länder kennen, kann rasch und effizient handeln, was im Krisenmodus wünschenswert ist, für eine Gesellschaft langfristig aber schädlich. Der schweizerische Föderalismus, der gerade in Zeiten von Corona heftig kritisiert wurde und häufig als «Kantönligeist» abgetan wird, sorgt dafür, dass Entscheidungen dort getroffen werden, wo sie auch zum Tragen kommen und die konkreten Lebensumstände der Menschen berücksichtigt werden können. Er fördert auch den Wettbewerb der Ideen, denn nur wenn es im Kleinen Spielraum gibt Dinge anders zu machen, zeigt sich was funktioniert und was nicht. Der wohl wichtigste Pfeiler ist die direkte Demokratie mit Referendums- und Initiativrecht. Sie sorgt dafür, dass sich Bürgerinnen und Bürger tatsächlich als Teil des Souveräns verstehen können und nicht von einer Politik von oben herab regiert werden, sondern sich auf Augenhöhe begegnen. Die direktdemokratischen Instrumente können kaum überschätzt werden, denn auch dort wo sie nicht genutzt werden beeinflussen sie die Politik. Allein das Wissen darum, dass jederzeit eine Volksabstimmung möglich wäre fördert austarierte Lösungen. Auch unsere freie Wirtschaftsordnung, das Milizprinzip und nicht zuletzt die Neutralität sorgen für nachhaltige Resilienz unserer Gesellschaft. Dies zeigt sich jedoch nicht daran, ob der Bundesrat nun einmal zu spät oder zu früh reagiert hat, zu viel oder zu wenig Massnahmen ergreift, sondern am Verhältnis zwischen Bürger und Staat und an der gesamten Lebensqualität einer Gesellschaft. Wir sollten also vorsichtig sein, mitten in der Krise unsere bewährten Staatssäulen zu verdammen, selbst wenn vieles falsch läuft. Ich auf jeden Fall habe eine klare Antwort: Die Schweiz ist nicht nur zeitgemäss, sie ist ein Zukunftsmodell! Tragen wir Sorge, dass dies so bleibt. Und damit will ich nicht sagen, dass es nicht auch viel zu verbessern gibt. Gerade die Krise hat einige Baustellen aufgetan, so müssen wir uns natürlich auch darüber Gedanken machen, wie der Staat in ausserordentlichen Situationen besser handlungsfähig und legitimiert ist. Der künftige Erfolg unserer Gesellschaft ist aber nicht nur eine Frage der politischen Ordnung, sondern auch der Gesellschaft selbst. Für eine gute öffentliche Debatte müssen wir wegkommen von der aktuellen Hype-Kultur und wir brauchen weiterhin einen minimalen gemeinsamen Konsens auf dem unsere Demokratie funktionieren kann.

Ich möchte diesbezüglich nicht zu rosa malen. Es ist mir bewusst, dass auch in der Schweiz der kleinste gemeinsame Nenner leider weiter schrumpft und ich möchte zum Schluss alle dazu aufrufen, aktiv an unserer gemeinsamen Basis zu arbeiten. Es beginnt damit, sich überhaupt für Politik und für unsere Gesellschaft zu interessieren und zu engagieren, wo auch immer. Sich bewusst mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen, andere Meinungen ernst zu nehmen was noch meilenweit davon entfernt ist, damit einverstanden zu sein. Manchmal reicht der etwas unschöne Begriff, eine andere Meinung «aushalten» zu können, noch besser ist natürlich ein ehrliches Interesse, die Motive des Anderen zu verstehen. Besonders gefällt mir die Formulierung, die auch der Philosoph Hans-Georg Gadamer verwendet hat «zumindest für möglich halten, dass der Andere Recht haben könnte». Wem dieser Gedanke bereits unangenehm ist, kann immer noch ergänzen «...selbst wenn die Wahrscheinlichkeit dafür sehr klein ist».

Ich hoffe, ich konnte Sie jenseits der aktuellen Tagespolitik etwas zum Nachdenken anregen und wünsche Ihnen alles Gute und mehr Normalität für das Jahr 2021!

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