Winterrede Alexander Keberle: «Das ist ein lang erarbeiteter Wohlstand» - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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26. Januar 2023 um 16:00

Winterrede Alexander Keberle: «Tragen wir unserem Wohlstand Sorge»

Es ist wieder soweit: Das Debattierhaus Karl der Grosse lädt zur alljährlichen Ausgabe der «Winterreden» ein. Verstummt der Glockenschlag des Grossmünsters um 18 Uhr, beginnt vom 16. bis 27. Januar 2023 eine Winterrede. Jeweils eine Persönlichkeit aus Politik, Kultur oder Kunst spricht aus dem Erkerfenster des Karls. Du hast die Winterrede verpasst? Bei uns kannst du sie nachlesen!

Geschäftsmitglied und Leiter Umwelt, Energie und Infrastruktur bei «economicsuisse», Alexander Keberle (Foto Alexandra Li)

Liebe Mitmenschen

Das letzte Jahr hat uns allen schmerzhaft vor Augen geführt, wie abhängig wir von Energie sind. Noch vor nicht allzu langer Zeit war Energie ein selbstverständliches Gut: Der Strom floss aus der Steckdose, die Gasheizung wurde ohne viel Gedanken aufgedreht und auch in unseren Nachbarländern floss der Strom, als ob es keine Grenzen gäbe.

Doch dann kam alles ganz anders. Ende 2021 bekam unsere Sorglosigkeit erste Risse: Mit einem Paukenschlag verkündete der Bund, dass sich bereits 2025 erste Lücken in unserer Stromversorgung auftun würden. Der Bund veröffentlichte Risikoanalysen, dass die Strommangellage die grösste Gefahr für die Volkswirtschaft der Schweiz sei mit möglichen Schäden im dreistelligen Milliardenbereich – noch mehr als eine Pandemie wie COVID. Das war wie ein Weckruf für die Politik, welche sich verschlafen die Augen rieb, nach ihrem energiepolitischen Nickerchen der letzten Jahrzehnte.

Die wirklich kalte Dusche kam dann im Februar 2022: Putin marschierte in die Ukraine ein und veranstaltet dadurch ein humanitäres Desaster. Noch immer sterben Menschen und das sicherheitspolitische Gefüge in Europa gerät aus allen Fugen. Eine weitere Folge ist, dass die Versorgungssicherheit in Bezug auf unsere Energie kräftig durchgeschüttelt wird. Die lang-gewachsene Abhängigkeit von Russland rächt sich: Energie, insbesondere Gas wird zum politischen Pfand, und Lieferungsstopps zur Waffe. Europa muss sich entscheiden zwischen dem eigenen warmen Wohnzimmer und dem Beistand der ukrainischen Partner.

Wie «Murphys Law» schon vorausgesagt hat, kam es noch schlimmer: Risse werden im Primärkreislauf des Atomkraftparks von Frankreich entdeckt, und etwa dreissig Atomkraftwerke müssen vom Netz. Der etwas übereilte Atomkraftausstieg von Deutschland stellt sich als Fehler heraus. Der Sturm ist perfekt: Die Strompreise steigen kurzzeitig auf etwa ein zwanzigfaches des langjährigen Mittels und plötzlich besteht die Möglichkeit einer Strommangellage in der Schweiz bereits im Winter 2022/2023 – diesem Winter. Oder mit anderen Worten: Wir stehen vor einem energiepolitischen Scherbenhaufen in Europa.

Das Erkerfenster vom «Karl der Grosse» (Foto: Alexandra Li)

Das ist schlimm. Energie ist nicht nämlich nicht einfach ein Luxus, den man mit einem zusätzlichen warmen Pulli ersetzen kann. Energie ist so etwas wie das Blut in den Adern unserer Gesellschaft und insofern erleben wir momentan einen Aderlass. Energie heizt Wohnungen, das müssen die Ukrainerinnen und Ukrainer besonders hart erfahren. Energie bringt uns von A nach B – von zu Hause zum Arbeitsplatz, zur Familie und zu Freunden. Aber auch in der Wirtschaft ist Energie nicht wegzudenken. Energie nährt unsere Mobilfunknetze, sie kühlt unsere Lagerräume und treibt die Prozesse an, mit denen lebenswichtige Medikamente produziert werden. Dabei kann bereits ein kleines Fehlen an Energie den Totalkollaps bedeuten: Spitäler brauchen Energie auf Intensivstationen, und zwar viel. Unternehmen betreiben Schmelzöfen, die Unsummen kosten und deren ungeordnetes Runterfahren sie zerstört. Man nehme beispielsweise Rohröfen in Zementwerken: Diese sind hunderte Meter lang und mehrere tausend Grad heiss. Sie drehen sich, damit sie sich nicht durchbiegen und brechen. Drehen sie nicht mehr, krümmen sie sich wie eine Banane und die Schäden sind immens.

Und nicht zuletzt ist Energie auch unerlässlich im Kampf gegen den Klimawandel: Elektroautos und der Ersatz fossiler Heizungen sind nur einige Beispiele, weshalb wir ohne saubere Energie die Klimawende in der Schweiz niemals schaffen werden. Die Schweiz war mit ihrem fast CO 2 neutralen Strom bisher in einer komfortablen Lage – aber diese Gewissheit ist dahin. Das sieht man auch daran, dass die Argumente der Gegner von Netto-Null sich um Versorgungssicherheit und Energieverbrauch zentrieren – und sehr viel Anklang finden. Saubere Energie ist so etwas wie die Munition im Kampf gegen den Klimawandel – und im Gegensatz zu echter Munition auch als neutrales Land importier- und exportierbar.

Eine Krise birgt jedoch auch immer eine Chance. Eine Chance lang gemachte Fehler auszubügeln und uns optimal für die Zukunft aufzustellen. Einen Ausblick darauf, wie das geschehen könnte, möchte ich heute geben. Dabei halte ich mich an die drei Horizonte, die wir im Kopf behalten müssen: Die kurze Frist oder: Wie kommen wir durch den nächsten Winter. Die mittlere Frist, oder: Wie stellen wir sicher, dass das Bibbern vor dem Bibbern im Winter nicht zur jährlichen Tradition wird. Und die lange Frist oder: Wie stellen wir unsere Energieversorgung auf nachhaltige, stabile Beine, damit wir die Schweiz so aufbauen können, dass wir und unsere Nachfahren in dieser leben möchten.

Kurze Frist

In der kurzen Frist geht es darum die schnell umsetzbaren Massnahmen zu ergreifen, damit uns nicht pünktlich zu Halloween nächstes Jahr das Schreckgespenst der Mangellage wieder heimsucht. Und hier hat die Schweiz bisher das gemacht, was sie besonders gut kann: Sich durchgewurschtelt. In Rekordzeit wurden Wasserkraftreserven gebildet, private Notstromaggregate für die Allgemeinheit verpflichtet und ein Gas-Reservekraftwerk gebaut, das niemand will, aber alle brauchen. Dank diesem Durchwurschteln und auch einer sich etwas entspannenden Situation in Europa mit den Atomkraftwerken in Deutschland und Frankreich rutschen wir diesen Winter wahrscheinlich nochmals durch.

Für den nächsten Winter sieht es aber ungemütlich aus. Das grosse Problem sind die Gasspeicher, die gemäss Stand heute schwer wieder zu füllen sein werden. Kanzler Scholz hat sich verbal selbst in die Ecke gestellt und den Atomausstieg in Deutschland endgültig auf April 2023 terminiert. Und bei aller Euphorie um Solarkraft – nächstes Jahr werden wir nicht genügend davon haben, insbesondere in unseren nebligen Wintern. Das Problem in der kurzen Frist ist also: So wahnsinnig viel können wir nicht machen.

Ein weiteres Problem in der kurzen Frist sind die Strompreise. Spitzen, wie wir sie zurzeit erleben, sind nicht zumutbar, weder für Haushalte noch Unternehmen. Die Monatsrechnung für Strom kann dabei schnell so hoch werden wie normalerweise für ein ganzes Jahr. Für Haushalte schlägt das ein schmerzhaftes Loch in das Budget. Für energieintensive Unternehmen kann das existenzbedrohend sein. Als wäre das nicht schon schlimm genug, haben unsere europäischen Partner Subventionen von gesamt fast 700 Milliarden Euro gesprochen. Zum Vergleich, das wäre, wie wenn die Schweiz ca. 20 Milliarden Franken aufwenden würde. Deutschland als Spitzenreiter hat über 200 Milliarden gesprochen, was auf die Schweiz umgemünzt gegen 60 Milliarden wären – ein Grossteil des ganzen Bundeshaushalts. Diese Subventionen sind aus vielerlei Gründen ein Problem. Zum einen, weil die Länder sich diese schlicht nicht leisten können und hier auf Kosten der zukünftigen Generationen wortwörtlich Geld verbrannt wird. Zum anderen, weil damit die Märkte verzerrt werden und Unternehmen in anderen Ländern mehr produzieren, als eigentlich bei so hohen Strompreisen Sinn macht. Und weil damit jeglicher Anreiz Energie zu sparen zunichte gemacht wird, was weder für die Versorgungssicherheit noch das Klima sinnvoll ist. Die Schweiz hat sich bisher jedoch noch nie an der Ausgabenpolitik der Nachbarn orientiert und sollte jetzt sicher nicht damit anfangen.

Mittlere Frist

In der mittleren Frist müssen wir den Zubau so schnell wie möglich vorantreiben. Es gilt tiefhängende Früchte zu ernten, von denen besonders viele im Solarenergiebereich reif sind. Für die Politikinteressierten: hier hat das Parlament vorwärts gemacht und Gesetze erlassen, die den Zubau von Wasser- und Solarkraft für die nächsten Jahre deutlich beschleunigen sollen.

Leider werden wir zwischenzeitlich auch auf veraltete Technologien zurückgreifen müssen, die wir eigentlich in der Schweiz nicht mehr sehen wollen. Das sind insbesondere Mehrstoff-Kraftwerke, die mit Gas aber auch Öl oder in Zukunft klimafreundlichem Wasserstoff betrieben werden können. Besonders wichtig ist es aber, dass wir eine Lösung mit der EU finden. Ab 2025 tritt eine neue Regelung in Kraft, welche für die Schweiz im europäischen Strommarkt einen grossen Nachteil bedeutet. Diese wird von der EU als Druckmittel verwendet, damit wir in der Europapolitik endlich vorwärts machen. Und das Druckmittel ist stark, denn der Strommarkt ist sehr wichtig für uns. Strom ist ein bisschen wie ein Seilziehen, wo beide Seiten, also Produktion und Verbrauch, gleich stark ziehen müssen, sonst fallen alle um, respektive das Netz bricht zusammen. Und umso mehr Leute auf beiden Enden ziehen, desto weniger schlimm ist es, wenn mal ein Mitspieler ermüdet. Deshalb ist es ein enormer Vorteil für die Schweiz auch im europäischen Netz zu sein, ansonsten kann ein kleiner Zwischenfall in einem wichtigen Kraftwerk zur Unzeit bedeuten, dass wir im Dunkeln sitzen.

Lange Frist

In der langen Frist zeigt sich die Grösse des Scherbenhaufens erst richtig. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Wir müssen unsere Stromproduktion an Erneuerbaren mehr als verdoppeln. Momentan produziert und verbraucht die Schweiz circa 60 TWh Strom. Zum Vergleich: Das ist etwa so viel, wie die Stadt New York. Dabei produziert sie etwas überproportional viel im Sommer, was wir an unsere Nachbarländer exportieren, dafür importieren wir im Winter. Nun gibt es bis 2050 zwei grosse Änderungen: Erstens werden wir unsere bestehenden Kernkraftwerke verlieren. Wir können die Laufzeit der KKW zwar noch etwas strecken, aber irgendwann würde selbst dem grössten Atomkraftfan etwas unwohl, so alte Kraftwerke am Netz zu behalten. Damit verlieren wir jährlich 20 Terrawattstunden. Zweitens wird unser Stromverbrauch steigen – hoffentlich! Denn der Kampf gegen den Klimawandel bedeutet, von fossilen auf elektrische Energiequellen umzusteigen. Wenn wir also vorwärts machen gegen den Klimawandel, dann wird unser Stromverbrauch zunehmen aber gleichzeitig unser Gesamtenergieverbrauch abnehmen, weil wir effizienter unterwegs sind. Zudem wächst die Schweizer Bevölkerung auf bis zu 10 Millionen an. Wenn man das alles zusammenzählt, fehlen uns 40-50 TWh oder: nochmals so viel, wie wir mit Erneuerbaren momentan produzieren. Das ist enorm viel.

Um das zu bewerkstelligen, werden wir viel von allem brauchen. Eine Hauptsäule wird sicherlich die Solarkraft sein, bei der noch mit Abstand am meisten Ausbaupotential besteht. Daneben werden wir das verbleibende Wasserkraftpotential ausschöpfen müssen, wobei hier schon viel erschlossen ist. Auch Wind wird eine Rolle spielen, ersetzt doch ein Windrad mehrere Fussballfelder an Solarpanels. Ob Atomkraft eine Rolle spielen soll, wird das Stimmvolk womöglich bald an der Urne entscheiden.

Damit der notwendige Zubau aber stattfinden kann braucht es vor allem eines: eine Beschleunigung der Verfahren. Im Moment dauert es Jahrzehnte bis Anlagen zur Energieerzeugung stehen, wenn sie nicht bereits im Bewilligungsverfahren abgeschossen werden. Dadurch zieht sich der Zubau zu lange hin, auch länger als im Ausland. Und dadurch investieren unsere eigenen Stromunternehmen lieber im Ausland, denn dort können sie auch tatsächlich bauen. Es braucht hier wirklich eine radikale Verbesserung, ein Umdenken, sonst bleiben die Projekte im Stau stecken. Und dafür fehlt uns schlicht die Zeit. Deshalb müssen wir in den sauren Apfel beissen und unsere Landschaft mit ein paar Windräder und Solarpanels mehr ausstatten, als uns lieb ist, auch wenn wir Schweizer besonders Windräder irgendwie gar nicht mögen. Die EU macht mit einem neuen radikalen Gesetz gerade vor, was es heisst den Energieturbo zu zünden, während wir noch etwas zögerlich agieren. Wenn wir auf die Erneuerbaren für die Energiewende bauen wollen, dann müssen wir sie auch wirklich bauen.

Alexander Keberle an seiner Winterrede (Foto: Alexandra Li)

Das «Nicht Bauen Wollen» ist übrigens ein Thema, das über die Energiepolitik hinausgeht: Wir haben ein Infrastrukturproblem. Um das zu erkennen, muss man allerdings schon zweimal hinschauen, denn eigentlich wirkt unsere Infrastruktur top.

Wer kennt das nicht: Man fährt auf dem Landweg in die Ferien und kaum überquert man die Grenze merkt man: jetzt sind wir nicht mehr in der Schweiz. Alles wirkt, man kann es nicht anders sagen, einen Tick schlechter – die Strassen, die Sauberkeit, die Pünktlichkeit der Züge, die ÖV-Anbindung, das Mobilfunknetz. Dieser Eindruck ist nicht Konsequenz eines verklärten Patriotismus, sondern er stimmt. Die Schweiz erreicht im grossen Länderranking des World Economic Forum im Bereich Infrastruktur mit einer «fast perfekten» Note den vierten Rang weltweit. Unsere Infrastruktur ist gut, sehr gut sogar. Doch diese Beobachtung ist trügerisch. Denn die Infrastruktur, auf die wir heute stolz sind, ist das Ergebnis von jahrzehntelangen Investitionen. Wir zehren von dem, was die Generation unserer Eltern und Grosseltern gebaut hat. So stammt zum Beispiel ein grosser Teil unserer Tunnels, Brücken oder der Abwassersysteme aus den Siebziger- und Achtzigerjahren. Aber wenn man nach vorne schaut, zeigen sich doch einige faule Stellen:

  1. Das Strassennetz ist chronisch überlastet. Jeden Tag stehen Schweizerinnen und Schweizer im Schnitt etwa 200'000 Stunden im Stau.
  2. Auf der Schiene gibt es einen riesigen Baustau.
  3. Im Flugverkehr besteht praktisch Stillstand. Nur eine Pistenverlängerung um wenige Meter am Flughafen Zürich – nicht einmal Ausbau – zur Erhöhung der Sicherheit und Bewahrung der Kapazität dürfte sich bis nach 2030 hinziehen.
  4. Die Wasserversorgung ist noch nicht fit für den Klimawandel, wie kürzlich von einem Bericht des Bundes bestätigt wurde. Ein Grossteil der Leitungen in der Schweiz stammen aus dem letzten Jahrhundert und sind sanierungsbedürftig.
  5. Im Mobilfunk sind über 3'000 Baugesuche für Antennenaufrüstungen hängig, die im Schnitt mindestens drei Jahre brauchen.

Dieses Problem gilt es ganz grundsätzlich anzugehen. Wir müssen einsehen: Wir haben jetzt lange in einem tollen Haus gewohnt, das von unseren Eltern und Grosseltern gebaut wurde. Aber eine Totalrenovation steht an.

Und eine Totalrenovation kostet. Ich möchte hier reinen Wein einschenken und sagen: Wir werden uns auf höhere Kosten einstellen müssen. Wir haben jahrzehntelang von den Kraftwerken gelebt, die unsere Vorfahren gebaut haben. Damit ist jetzt langsam Schluss. Denn Kosten werden anfallen: Für den Ausbau der Energieerzeugung, für die Netze, um all diesen Strom zu transportieren, und für die Speicherung des Stroms, damit wir diesen vom Sommer in den Winter bringen können. Laut Schätzungen der EMPA werden wir entweder Speicher von 25x die Gotthardröhre für Wasserstoff oder 12t Batterien brauchen – und das pro Person. Wie wir gutschweizerisch sagen: «Das schläckt gei Geiss ewäg».

Auch wage ich jetzt noch etwas Unverschämtes anzusprechen und nehme das «A-Wort» in den Mund – die Atomkraft. Es ist allen klar: in der kurzen Frist spielt Atomkraft für die Versorgungssicherheit nur insofern eine Rolle, als wir die bestehenden Kraftwerke nicht abschalten dürfen, bevor wir eine gute Alternative haben. Denn der Bau eines neuen Atomkraftwerks dauert Jahrzehnte. Selbst China braucht um die zehn Jahre, und man kann sich vorstellen, dass Einsprachen dort ein kleineres Problem sind als bei uns. In der langen Frist sollten wir die Technologie aber noch nicht abschreiben und zumindest die Forschung unterstützen, wie das beispielsweise Bill Gates in den USA auch tut.

Ein Lichtblick am Ende

Zum Schluss möchte ich aber noch etwas Positives hervorheben. Denn wenn wir mal den Blick über den Tellerrand der Landesgrenzen heben, können wir uns glücklich schätzen, in der Schweiz zu leben. Nicht weil unsere Energiepolitik erfolgreicher ist, sondern weil wir, um dieses Modewort zu verwenden, «resilienter» sind. In anderen westeuropäischen Ländern stellen sich die Menschen ernsthaft die Frage, ob sie warm essen oder heizen können. Das ist dramatisch. Wenn ein hochentwickelter Staat es nicht mehr schafft, seine Bürger:innen mit Energie zu versorgen, ist das ein Staatsversagen sondergleichen und bedeutet einen fast irreparablen Vertrauensverlust in den Staat.

Was ist in der Schweiz anders? Neben dem erwähnten «Durchwurschteln» haben wir einen grossen Trumpf: Das ist ein lang erarbeiteter Wohlstand. Die Energieausgaben machen bei unseren vergleichsweise hohen Löhnen im Durchschnitt 5% der Ausgaben aus. Für viele Haushalte sind 50% höhere Energiekosten problematisch, aber vermögen diese nicht gerade in die Armut abzudrängen. Bei uns müssen sich nur ganz wenige Haushalte die Fragen stellen, ob sie heizen oder warm essen sollen. Unser Wohlstand und unser funktionierendes Land sind damit so etwas wie der Speckgürtel, der uns durch den sprichwörtlich kalten Winter bringt. Während wir den über die Festtage gewonnenen Winterspeck auch abzustrampeln versuchen, sollten wir doch zu unserem Speckgürtels des Wohlstands Sorge tragen. Wir dürfen auf unsere Staatsfinanzen, unserer Wirtschaft und unsere Sozialwerke Stolz sein. Schauen wir, dass das so bleibt.

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