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Von Jenny Bargetzi

Praktikantin Redaktion

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28. Juli 2021 um 06:00

Wie ein Sexkino zum neuen Quartiertreffpunkt werden soll

Das Kino Sternen in Oerlikon sorgte in der Vergangenheit für Zoff und hitzige Köpfe. Seit heute gehört das denkmalgeschützte Gebäude nun einer neuen Gruppe Oerliker:innen. Wie das ehemalige Sexkino dem Quartier wieder Leben einhauchen soll und was das Brauerei-Team mit dem Schritt zu tun hat.

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Die Betreiber:innen der neuen Venus Bar. (Alle Fotos: Elio Donauer)

Der fensterlose Gebäudeteil ragt auffällig aus der beigen Front an der Franklinstrasse heraus. Dahinter verbirgt sich die Kinoleinwand des 1949/50 erbauten Kinos Sternen in Zürich-Oerlikon, das vor mehr als 20 Jahren zum Sexkino umfunktioniert wurde.
Bekanntheit erlangte das Gebäude aber nicht nur deswegen. Über die Jahre entwickelte sich ein Streit um die Frage, ob das Kino schützenswert sei oder nicht. Denn das Gebäude mit der charakteristisch herausragenden Fassade gilt als Pionierwerk, entworfen vom Zürcher Architekten Werner Stücheli. Ein Pionierwerk ist es auch deshalb, weil sich Stücheli als erster Architekt den kantonalen Bestimmungen, das Publikum im Erdgeschoss zu platzieren, widersetzte und die 560 Plätze kurzerhand ins erste Obergeschoss verlegte.

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Das Kinogebäude an der Franklinstrasse steht seit 2018 definitiv unter Denkmalschutz.

Nach seiner Zeit als klassisches Kino wurde es im Verlauf der Jahre mehrmals umgenutzt, zuerst zu einer Tanzschule, dann wieder zurück zum Ursprung – fast zumindest. Denn von 1999 an diente es als Sexkino, das lange den Ruf genoss, die sexuelle Liberalisierung der Stadt zu fördern.

Währenddessen befand sich einen Stock weiter unten der Tearoom «Micky-Maus», der aber nach einem Rechtsstreit mit Disney wieder geschlossen werden musste. Schliesslich fanden vor über 35 Jahren die «Venus Bar» und das Restaurant «Inter» ihren Platz an der Franklinstrasse, das seinen Betrieb vergangenes Jahr eingestellt hat.

Der Streit um ein Sexkino

So beschaulich die Zeit des Kino Sternen bis zur Jahreswende verging, so wirr wurde sie danach. Den Anfang machte der Entscheid der Erbgemeinschaft, das Haus abzubrechen, um an dessen Stelle ein noch undefiniertes Wohngebäude zu bauen. Dem folgte der Beschluss des Zürcher Stadtrats im April 2015, das Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen.

Daraufhin rekurrierte die Erbgemeinschaft beim Zürcher Baurekursgericht und bekam Recht zugesprochen. So wurde im November desselben Jahres der Denkmalschutz abermals aufgehoben. Das wiederum passte dem Zürcher Heimatschutz nicht, der den Fall 2017 vor das Verwaltungsgericht zog. Das Haus sei ein Vertreter der 1950er-Jahre und weise eine hohe architektonische Qualität auf, hiess es in der Medienmitteilung des Heimatschutzes. Hier kam zudem die Kantonale Denkmalpflege ins Spiel und stützte die Argumentation des Heimatschutzes. Das schien Früchte zu tragen, denn 2018 wurde das Kino Sternen in Oerlikon vom Stadtrat definitiv unter Denkmalschutz gestellt.

Seitdem blieb es ruhig rund um das Gebäude. Bis Anfang dieses Jahres, als eine Gruppe von Oerliker:innen mit einer Umnutzung des Gebäudes liebäugelten und es schliesslich kauften. «Wir fanden schon lange, dass das Gebäude viel Potenzial hat. In Oerlikon ist in den vergangenen Jahren einiges passiert und der Ort könnte zu einem neuen Ankerpunkt werden», erzählt Fabian Wegmüller, Mitglied des Verwaltungsrats der Brauerei Oerlikon. Die Besitzerfamilie hätte keine festen Pläne für das Gebäude gehabt und liessen sich deshalb auf ein Gespräch mit den neuen Käufer:innen ein. «Es dauerte aber dennoch rund sechs Monate, bis der Kauf tatsächlich zustande kam», so Wegmüller weiter.

Die Einwohner:innen von Zürich-Nord haben Durst nach Neuem.

Fabian Wegmüller, Mitglied des Verwaltungsrats der Brauerei Oerlikon

Ein neuer Kern für Oerlikon

Dass sich die zukünftige Umnutzung nicht einfach gestalten lässt, erahnt Wegmüller und meint: «Wir müssen mit dem Heimatschutz und dem städtischen Denkmalschutz zusammensitzen und abklären, was die jeweiligen Vorstellungen sind. Was ist überhaupt möglich und mit welchen Veränderungsmöglichkeiten dürfen wir rechnen.»

Definitive Pläne ihrerseits lägen betreffend dem Kinosaal im oberen Stock noch nicht fest. «Auch mit der Stadt wird’s einen runden Tisch geben, damit wir etwas Tolles fürs und im Quartier machen können», erklärt er.

Im Erdgeschoss wird währenddessen aber schon fleissig am neuen Gastrokonzept gearbeitet, denn da will die Brauerei Oerlikon zusammen mit den Gemüseretter:innen von «ACKR» und den Catering-Jungs von «Lust auf Mehr» Ende August ein neues Quartier-Bistro eröffnen. Ehrlich, mit viele Liebe und dem besten Kaffee in Oerlikon, heisst es im Spendenaufruf der Venus Betreiber:innen. «Das ist jetzt mal der erste Schritt. Wir wollen den Leuten lokale Produkte anbieten, keine Abfertigungen von Kettenrestaurants oder grossen Investoren. Die Einwohner:innen von Zürich-Nord haben Durst nach Neuem», sagt Wegmüller.

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Fabian Wegmüller bespannt für das neue Quartier-Bistro schon einmal die Stühle.

Auf die Frage, ob es am Ende doch noch eine Brauerei im Kino geben wird, meint Wegmüller: «Vielleicht. Wir werden das auf jeden Fall prüfen. Wie gross die tatsächlichen Chancen sind, wird sich zeigen. Vielleicht ist das auch noch ein wenig blauäugig», lacht er ins Telefon. Die Brauerei brauche in jedem Fall einen neuen Standort, denn die Zwischennutzung an der Schärenmoosstrasse gehe langsam zu Ende. Sie seien darum stets auf der Suche nach neuen interessanten Gebäuden in Oerlikon.

Wegmüller als Privatperson, losgelöst von der Käuferschaft, kann sich das Kino auch als eine Art Multifunktionsraum vorstellen: «Mit Arbeitsplätzen für Startups und Veranstaltungen rund ums Thema Nachhaltigkeit, auch wenn ich den Begriff Nachhaltigkeit an sich gar nicht mag», meint er. «Oder ein Betrieb, der nahe am Kulturbereich ist, um das Gebäude wieder zu seiner ursprünglichen Bestimmung zurückzuführen.»

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