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Von Dominik Wolfinger

Redaktor

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8. März 2018 um 14:06

Widmers wunderbare Welt

Seit gut 18 Jahren bebildert der Winterthurer Ruedi Widmer etliche Zeitungen mit seinen Cartoons. Mit Widmers Weltausstellung erscheint ein Buch mit ausgewählten Kolumnen und Zeichnungen. Nebst kühnem Strich und Eloquenz schafft er auch das Seltene: Die Welt zu erklären.

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Man müsste sich schon einigen Zeitungen entziehen, um die Signatur Widmer unter den charakteristischen Cartoons nicht zu kennen. Ruedi Widmer gehört ohne Zweifel zu den bekanntesten Cartoonist*innen der Schweiz. In der Deutschschweiz darf man wohl so weit gehen und sagen: Er ist der Bekannteste. Der gelernte Grafiker zeichnet und schreibt regelmässig, und das seit dem Jahrtausendwechsel Wechsel ins neue Jahrtausend. Ohne Unterbruch für die Winterthurer Tageszeitung Landbote mit seiner Serie «Die letzten Geheimnisse einer rationalen Welt» – dort erscheint bald der tausendste Beitrag. Hinzu kamen die WOZ und schliesslich der Tages-Anzeiger. Schwierig ist es, ihn zu belangen, denn Widmer hat Anstand, eine spitze Feder und stets einen angemessenen Ton.

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Hans Zwöll, WOZ 34/2015 20. August, ZVG

Möchte man sich der Essenz eines Widmer-Cartoons (ja, das ist ein Gerne) nähern, so tut man gut daran, das Rätselhafte zu respektieren. Sicherlich ist eine Zutat das zeitgenössische Thema, eine weitere die gelungene Pointe und als letztes die klare Haltung. Doch das Rätselhafte, sei es auch weltlicher Zugang und der Cartoon völlig verständlich, ist die kleine Drehung. Diese, so meine Behauptung, zeigt sich beispielhaft in der blauen Figur, die Barbapapa schon etwas ähnelt. Als eine Art Maskottchen erscheint diese ab und an in Widmers Welt. So lobt beispielsweise in einem Bild die blaue Figur die analytischen Fähigkeiten eines so stolzen Schweizers. Aber nicht nur sie steht gerne quer in Widmers Comic. Mal schaut auch gerne ein krokodilartiges Wesen, mit beiden Händen in der braunen Jackentasche, unbeeindruckt an einem Plakat, das schwer an die SVP-Plakate erinnert, vorbei. Das Schöne an Widmers Zeichnungen ist und bleibt, dass nebst dem Humoristischen stets eine Art Erklärung, wie die Welt eben so funktioniere, drinsteckt; dabei bleiben sie auch immer schweizerisch international.

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Männeranteil, Tages-Anzeiger, 15. November 2012, ZVG

Wer heute sogar noch gerne liest und sich nicht nur von farbenfrohen Bildern hypnotisieren lässt, der findet wohl ebenfalls Freude an Widmers Kolumnen. Diese erschienen jeweils in der WOZ. Ähnlich wie die Cartoons schlagen sie auch einen Ton an, der als weich zu bezeichnen wäre. Einlullend sind die Geschichten, behutsam die Wortwahl und phantastisch die Überlegung. Wie beispielsweise die kleine aber feine Verknüpfung im Text Emmentaliban: «Wenn sich der afghanische Krieger, der Linkschaot oder, wie in Mexiko, sogar die gesamte Bevölkerung vermummen darf, dürfen wir das auch», sagt man sich in den zum Kampf entschlossenen Tälern der Schweiz. Der St. Galler Textilindustrie steht wieder eine Blütezeit bevor [...]» (Emmentaliban 7. Mai 2009).

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Echter Nazi, WOZ 36/2015, 3. September, ZVG

Seine Weltausstellung eröffnete Widmer am Mittwochabend im Sphères. Und wie es um den Grad seiner Bekanntheit steht, war nicht nur der begrenzte Raum vorzeitig voll mit Menschen, auch weitere Bekannte wie Constantin Seibt verloren oder sangen, wie Manuel Stahlberger, ein paar Worte zum Geleit für Widmers Buch. Und wie es möglicherweise bei Büchern mit Cartoons üblich ist, las der Autor persönlich dem Publikum vor. Und hier darf vielleicht sanft Kritik ausgesprochen werden, denn Widmers trockene Art ist zwar charmant, doch eine Lesung der Zeichnungen aus dem eigenen Buch ist doch wenig originell – aber ja, zusätzlich noch als Entertainer zu bestehen, das muss nicht sein.

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Lärmklage, Tages-Anzeiger, 13. Januar 2007, ZVG

Es bleibt zu hoffen, dass Widmer weiterhin mit Wort und Bild die Welt erklärt. Nebst Vermittler der Welt ist Widmer auch Seelsorger: In den mit Schreckensnachrichten bepackten Zeitungen tut es nur gut, hin und wieder einen farbenfrohen Klecks mit Humor zu betrachten oder einen kurzen Spaziergang in Widmers besonnener Gedankenwelt zu tätigen. Etwa gut einen Drittel nehmen die Kolumnen in dem 168-seitigen Buch ein, der Rest bleibt dem Cartoons zu gute. Vorstellbar ist es, dass Widmers Weltausstellungen bei einigen auf der Toilette landet. Und das ist gut so. Oder eher: Widmers Weltausstellung sollte auch auf jeder Toilette liegen. Auch auf Öffentlichen.

Widmers Weltausstellung ist erhältlich im Rotpunktverlag
Ruedi Widmer: Widmers Weltausstellung
168 Seiten, ca. 34 Franken
Rotpunktverlag, 2018

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