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Von Elio Donauer

Co-Geschäftsleitung & Projektleiter Civic Media

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24. November 2020 um 15:35

Weststrasse: Ein Gentrifizierungsspaziergang

Die Weststrasse steht für die wohl schnellste und umfassendste Aufwertung eines Quartiers, die Zürich je erlebt hat. Wie eine Durchgangsstrasse zur Yuppie-Meile wurde, haben wir auf einem Gentrifizierungsspaziergang miterlebt.

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Zieht auch hier bald ein Yuppie-Café rein? (Fotos: Elio Donauer)

Im Rahmen des Tsüri Fokusmonats Wohnen führten die Stadtforscherin Monika Streule und Tsüri Chefredaktor Simon Jacoby am 23. November rund 20 Spaziergänger*innen der Weststrasse entlang. Hier erfährst du die wichtigsten Erkenntnisse des Rundgangs.

40 Jahre Provisorium
An der Ecke Werd-, Weststrasse beginnen wir mit dem Spaziergang. Monika Streule erzählt kurz, warum diese Strasse für Zürich so wichtig ist. Einst als Übergangslösung geplant, wurde die Weststrasse für 40 Jahre zum Provisorium. Mit dem «Zürcher Ypsilon» wurde damals eine Autobahnverbindung mitten durch die Stadt geplant. Um dem Verkehr während des geplanten Baus durch die Stadt zu leiten, baute man 1971 die einst ruhige Quartierstrasse zur zweispurigen Durchgangsstrasse um. Das Ypsilon wurde nach einem grossen politischen Hickhack schliesslich vom Volk abgelehnt. Die Weststrasse allerdings blieb, wie sie war. 40 Jahre lang war sie eine der wichtigsten Durchgangsachsen Zürichs und wurde erst 2009 für den Durchgangsverkehr geschlossen.

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Laut, aber günstig

In die Häuser und Wohnungen an der Weststrasse wurde während 40 Jahren kaum investiert. Manche Anwohner*innen konnten die Vibrationen der Lastwagen in ihren Wohnungen spüren, schildert Streule. Die Fassaden waren russgeschwärzt und die Immissionsgrenzwerte wurden regelmässig überschritten. Gerade deshalb aber gab es an der Weststrasse, was es sonst nirgends gab: günstigen Wohnraum mitten in der Stadt. Vor allem Menschen mit Arbeit im Niedriglohnsektor, Studierende und sozial Schwache fanden an der lärmigen Strasse ein Zuhause. Dies änderte sich schlagartig mit der Schliessung der Weststrasse als Durchgangsstrasse.

Aufwertung im Rekordtempo

Beim Spaziergang durch die Weststrasse erinnert kaum noch etwas an die Zeit der Durchgangsstrasse. Dies ist vor allem auf die enorme Bautätigkeit der letzten zehn Jahre zurückzuführen. Schon bald nach der Verkündung der Verkehrsberuhigung folgte eine Kündigungswelle. Luxussanierungen und Neubauten haben das Quartier grundlegend verändert. Anhand der demografischen Zusammensetzung lässt sich diese Veränderung gut nachvollziehen. 20- bis 30-Jährige (vor allem Studierende) wurden von 30- bis 40-Jährigen gutverdienenden «Yuppies» abgelöst. Personen mit Aufenthaltsstatus B (vorwiegend Expats) ziehen zu- und wieder weg und bewohnen die vielen Apartmentwohnungen an der Strasse. Langjährige Anwohner*innen wurden verdrängt und sind weggezogen; nach Altstetten, Affoltern, Schlieren oder sonst wo.

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Simon Jacoby erklärt, wie Häuser an der Weststrasse als Spekulationsobjekte genutzt werden.

Was hätte man anders machen können?
Monika Streule erinnert daran, dass die Zürcher Regierung nicht unschuldig ist an den Verdrängungsprozessen in der Weststrasse. Hätte sie früh genug eingegriffen und beispielsweise Liegenschaften aufgekauft, hätte sie die Entwicklungen abfedern können. So endete der Spaziergang auf dem Brupbacherplatz zwischen Gelateria di Berna und Raygrodski. Ein Platz, der sinnbildlich für die Veränderungen im Quartier steht. Cocktails und Gelati anstelle von Lastwagen? Inwiefern sind wir alle Teil der Gentrifizierung?

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Der Brupbacherplatz. Gelati und Cocktails für alle.

Fokusmonat «Wohnen» 2020
Dieser Artikel ist im Rahmen unseres Fokusmonats «Wohnen» entstanden. Neben dem hier veröffentlichten Bericht, sammeln wir mit einem Crowdfunding momentan Geld, um herauszufinden wem Zürich gehört. Zudem organisieren wir auch dieses Mal eine Pitch-Night, Podien und machen mit einer Stadtforscherin einen Spaziergang durch die Weststrasse.

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