Betreibungsweibel: «Jede:r von uns kann von heute auf morgen in eine solche Situation kommen» - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Rahel Bains

Redaktionsleiterin

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27. Dezember 2021 um 04:00

Aktualisiert 28.12.2021

Unterwegs an der Langstrasse mit Betreibungsweibel Hakan Kahraman

«Unter meinen Schuldner:innen befindet sich alles: Vom Drogenabhängigen über den Hipster bis zur Professorin», sagt Hakan Kahraman, Weibel beim Stadtammann- und Betreibungsamt Zürich 4. Er hat seit der Coronakrise besonders viel zu tun. Wir durften ihn auf einer seiner Touren durch die Langstrasse begleiten.

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Hakan Kahraman, Weibel beim Stadtammann- und Betreibungsamt Zürich 4. (Alle Bilder: Rahel Bains)

Dieser Beitrag ist zum ersten Mal am 16. März 2021 erschienen. Im Rahmen einer Repost-Woche holen wir die meistgelesenen Artikel 2021 aus unserem Archiv.

7:00 Uhr

Hakan Kahraman, Weibel beim Stadtammann- und Betreibungsamt Zürich 4, empfängt mich im Büro an der Hohlstrasse 35. Draussen ist es noch dunkel, im Gebäude herrscht jedoch schon reges Treiben. Hakan erfasst die Zahlungsbefehle, die am vorherigen Tag eingegangen sind. Danach stellt er unsere Tour für diesen Morgen zusammen, die uns durch die eine Hälfte des Langstrassen-Quartiers führen wird. Jene Hälfte, die mehr Bars als Restaurants aufweist. Die seit Monaten verwaist scheint, weil die Partyhungrigen zu Hause bleiben.

Letztere kennt Hakan gut, war der 39-Jährige nebst seiner langjährigen Tätigkeit als Logistiker früher mal Türsteher eines Clubs an der Langstrasse. Seit sieben Jahren stellt er nun Zahlungsbefehle zu. Anfangs habe die Langstrasse noch gelebt, sei nacht- und morgenaktiv gewesen. «Es gab viele Büezer hier», erzählt Hakan. Das habe sich nun geändert, die Gentrifizierung bekommt auch er zu spüren, renovierte und somit teurere Liegenschaften beheimaten ein anderes Klientel als früher. «Unter meinen Schuldner:innen befindet sich alles: Vom Drogenabhängigen über den Hipster bis zur Professorin.»

«Es braucht mehr Überwindung, ein freundliches Gesicht zu schlagen als ein unfreundliches.»

Bruno Crestani, Vorsteher des Betreibungs- und Stadtammanamts Zürich 4

7:30 Uhr

Eine Gittertür versperrt uns den Weg in ein Wohnhaus. Für einige Liegenschaften hat Hakan von den Verwaltungen oder Hausmeister:innen einen Schlüssel bekommen. Für diese nicht. Wir klingeln vergeblich, ziehen weiter, ohne den Zahlungsbefehl zuzustellen. Hakan ist zweifacher Vater, arbeitet 100 Prozent. Jeden Tag geht er auf Tour. «Die Gläubiger:innen wollen, dass die Zahlungsbefehle möglichst schnell zugestellt werden.» Er ist ein Quereinsteiger, war zuerst Aushilfe, hat danach das Bürofach- und Handelsdiplom absolviert.

Vor dem Beginn unserer Route spreche ich mit Bruno Crestani, Vorsteher des Betreibungs- und Stadtammanamts Zürich 4. Er erzählt: «Wir nehmen manchmal lieber jemanden mit weniger Erfahrung, der:die dafür charakterliche Stärken besitzt.» Ein:e Weibel:in müsse die Menschen gerne haben, das sei das Wichtigste. Crestani: «Es braucht mehr Überwindung, ein freundliches Gesicht zu schlagen als ein unfreundliches.»

Anständig, korrekt zu sein, sei noch immer die beste Gewaltprävention. Das versuche man in der Auswahl der Mitarbeitenden zu beachten. Die Strategie hat sich offenbar bewährt. Seit über 40 Jahren arbeitet Crestani auf dem Stadtammann- und Betreibungsamt Zürich 4, seit 30 Jahren ist er dessen Vorsteher. In diesem Zeitraum haben sich nur sechs tätliche Angriffe auf Weibel:innen oder Pfänder:innen ereignet.

Angegriffen wurde Hakan noch nie. Lediglich am Morgen seines ersten Arbeitstages drohte ihm ein Ex-Junkie, ihn «abzustechen», sollte er nicht schleunigst wieder verschwinden. Hakan schaffte es, den Mann zu beschwichtigen. Etwas, das er gut kann. Stets hat er ein Lächeln auf dem Gesicht, spricht freundlich und respektvoll mit und über seine Klient:innen. «Jede:r von uns könnte von heute auf morgen in eine solche Situation kommen», sagt er und fährt fort: «Ich frage mich deshalb stets: Wie hätte ich es gerne, sollte jemals ein Beamter auf mich zukommen?».

7:45 Uhr

Wir stehen erneut vor einem Gitter. Dieses Mal in Form eines Tors, das uns nach kurzer Wartezeit ein Mann von Innen öffnet. Hakan zückt einen Schlüssel und wir gelangen ins Mehrfamilienhaus, auf dessen Treppenstufen Zigarettenstummel liegen. Er klopft an die Wohnungstür, ohne Erfolg. Von vielen seiner, wie er sagt, «Stammkunden», hat Hakan die Handynummer. Sind sie bei seinen Besuchen nicht zuhause, vereinbart er telefonisch einen Termin für ein Treffen im Büro. So erspart er ihnen die Zustellungskosten. Zu manchen Klient:innen pflegt er ein fast schon freundschaftliches Verhältnis, gibt es doch Menschen, die tagtäglich betrieben werden. Sei es von der Krankenkasse, dem Steuer- oder Stadtrichteramt, den Handyanbieter:innen oder Versicherungen. Es sei auch schon vorgekommen, dass Gläubiger:innen eine Betreibung wegen 5 Rappen stellten. «Das ist dann aber nichts anderes als Schikane», so Hakan.

«Es gibt Familien, in denen beide Elternteile arbeiten müssen, weil sonst die Grundkosten nicht gedeckt werden können.»

Bruno Crestani, Vorsteher des Betreibungs- und Stadtammanamts Zürich 4

8:00 Uhr

Wir gehen weiter durch die Strassen, die sich langsam mit Leben füllen. Hakan wird gegrüsst, winkt freundlich zurück. Das Milieu kennt ihn und umgekehrt. Hakan zeigt auf einen Mann, der von der Polizei abgeführt wird. Offenbar ein mutmasslicher und im Quartier bekannter Drogendealer. «Ich wette mit dir, dass er am Ende unserer Route wieder auf freiem Fuss ist», sagt er schmunzelnd. Wir stehen erneut in einem Innenhof mit heruntergekommenen Hausfassaden, an die sich Rennvelos und Müllsäcke reihen und klingeln bei einer «notorischen Schuldnerin». Von diesen gäbe es viele, doch nicht alle würden in der Schuldenspirale hängen bleiben. Hakan kennt einige, die den Ausstieg geschafft haben. Das sei für ihn wie Balsam.

Bruno Crestani sagt dazu: «Wenn man mit 25’000 Franken Schulden ins Erwachsenenleben startet, wird es schwierig. Dann kommt man fast nicht mehr davon los.» Heute seien die Versuchungen im Vergleich zu früher zudem grösser: «Als ich jung war, hat man die Kreditkarte höchstens gebraucht, um sich etwa einen Flug in die USA zu kaufen. Leasing gab es auch nicht. Meiner Generation wurde eingeimpft: Du kannst nicht mehr ausgeben als du einnimmst.»

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Crestani glaubt nicht, dass der:die Normalbürger:in mit Absicht Schulden verursache. «Das passiert», sagt er und nennt ein Beispiel: Das Familien-Existenzminimum liege bei zwischen 5500 und 6000 Franken, darin eingerechnet eine günstige Wohnung von maximal 1600 Franken. «Da muss man aber Glück haben, eine solche Wohnung zu finden und das nicht nur in der Stadt Zürich», so Crestani.

Zudem müsse man bedenken, dass nicht jede:r Netto 6000 Franken verdiene. Dies gehe in der Diskussion rund um die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie oftmals vergessen. «Es gibt Familien, in denen beide Elternteile arbeiten müssen, weil sonst die Grundkosten nicht gedeckt werden können.» Die Erwerbstätigkeit habe dann nichts mehr mit Selbstverwirklichung zu tun, sondern komme aus der Not heraus. Deshalb ist Crestani auch ein Anhänger von Tagesschulen und möglichst vielen kostengünstigen Krippenplätzen: «Jedes Elternpaar soll sich so organisieren können wie es will.»

«Die Dünnhäutigkeit hat durch die Corona-Krise massiv zugenommen.»

Bruno Crestani, Vorsteher des Betreibungs- und Stadtammanamts Zürich 4

8:10 Uhr

Ein anderer Innenhof, die gleiche Stille. Wir stehen vor einem Bordell. Niemand meldet sich auf Hakans Klingeln zurück. «Ich werde am Nachmittag den Betreiber des Etablissements anrufen und ihn fragen, ob die angeschriebene Frau überhaupt noch hier ist.» Denn: Viele Sexarbeiterinnen seien in ihre Heimatländer zurückgegangen. Seit Corona rentiere das Geschäft nicht mehr. Ein Haus weiter kann Hakan endlich eine Betreibung zustellen. Im Treppenhaus ist Hundegebell zu hören, es riecht nach abgestandenem Zigarettenrauch. Nicht nur für Sexarbeiterinnen hat sich die Lage verschärft, erzählt Hakan danach. Immer mehr Firmen würden Konkurs gehen.

Crestani sagt dazu: «Die Dünnhäutigkeit hat durch die Corona-Krise massiv zugenommen.» Man warte jedoch noch immer, bis sich die Krise auch in den Zahlen zeige, denn: 2020 habe man im Vergleich zum Jahr 2019 in der ganzen Stadt plus minus 20 Prozent weniger Betreibungsfälle gehabt. Insgesamt 11‘796 Zahlungsbefehle waren es beim Stadtammann- und Betreibungsamt Zürich 4. Grund seien unter anderem politische Vorstösse, die dafür gesorgt haben, die Krankenkassen-Betreibungen zu minimieren. Zudem hätten wohl gewisse Gläubiger:innen Hemmungen gehabt, auf die Leute zuzugehen. «Das kommt aber alles noch. Wir werden dieses Jahr wohl viel mehr Steuerbetreibungen haben – von Privatpersonen und Firmen, die noch nie zuvor in eine solche Lage gekommen sind», befürchtet Crestani. Der Staat sei mit seinen Forderungen bislang ebenfalls auf der Bremse gestanden, das würde sich aber bald ändern.

8:30 Uhr

Hakan und ich sitzen in einer Bar und trinken mit Alf und seinem Freund Luigi Kaffee. Es wird geraucht. Auf dem Boden tanzen blaugrüne Discolichter, in der Mitte des Raumes stehen Kunstledersofas, darüber hängt ein Kronleuchter. Alf heisst eigentlich Alfred Cornero. Der 53-Jährige wohnt bereits seit 35 Jahren über der Bar, in der er, wie er sagt, als «Rezeptionist» arbeitet. Er ist der Einzige, der sich bereit erklärt hat, mit mir über seine Schulden zu sprechen. Darüber, wie schwierig es ist, davon loszukommen. Alf ist wütend. Auf die Behörden. Auf seine Krankenkasse. Und auf seine Ex-Frau. Sie war es, die ihn in seinen Augen zu einem lebenslangen Schuldner gemacht hat, indem sie Unterhaltsentschädigungen für ihren Sohn forderte – obwohl sich 14 Jahre später vor Gericht mittels DNA-Test herausstellt hat, dass Alf nicht der Vater ist.

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Alf Cornero

Da war es für ihn aber schon zu spät: Gerichtskosten, unbezahlte Alimente – die offenen Rechnungen wurden in diesen 14 Jahren immer zahlreicher. «Irgendwann resignierst du, sagst dir: Auf eine Rechnung mehr oder weniger kommt es auch nicht mehr an», erzählt Alf. Nun habe er sich mit dem Leben an der Grenze des Existenzminimums abgefunden, trotz vielen Einschränkungen: «Du bekommst zum Beispiel nur mit Mühe und Not oder kleinen Tricks eine Wohnung.» Er arbeitet 70 Prozent, im Januar wurde Kurzarbeit eingeführt, weil «nichts mehr läuft.» Alf ist froh, eine Anstellung zu haben. «Es ist heutzutage schwierig. Mit 45 hätte ich jeden Job gemacht, habe mich zum Beispiel bei McDonalds als Putzkraft beworben, aber eine Absage gekriegt, weil ich offenbar ‹überqualifiziert› war.»

«Ich komme da nicht mehr raus. Wenn ich tot bin, könnt ihr mir die Betreibungen in den Sarg legen.»

Schuldner Alfred Cornero

Hakan sei ein Engel, wirft Luigi plötzlich ein. Alf bestätigt: «Er behandelt uns wie Menschen, nicht wie Scheisse. Er gibt uns Rat. Ich gehe jetzt gerne aufs Betreibungsamt, das war in Luzern, wo ich mal kurz gewohnt habe, nicht so. Dort habe ich die Zahlungsbefehle aus Frust zerrissen.» Er sei kein Unmensch, habe Fehler gemacht.

Auf die Frage, wie gross der Betrag seiner Schulden ist, wendet er sich fragend an Hakan. Dieser sagt: «Etwas zwischen 40’000 und 50’0000 Franken». Alf zeigt sich erstaunt: «Wow, nur 40’000 Franken? Ich dachte, die Kosten würde sich bestimmt auf eine Million belaufen.» Sollte er jemals den EuroMillions-Jackpot knacken, würde er schnurstracks auf das Betreibungsamt gehen und sagen: «Jetzt könnt ihr abrechnen und den Rest in einem Tresor verstauen. Für jene Schuldner:innen, die nach mir kommen.» Die Hoffnung auf ein schuldenfreies Leben hat Alf jedoch schon lange aufgegeben: «Ich komme da nicht mehr raus. Wenn ich tot bin, könnt ihr mir die Betreibungen in den Sarg legen.»

Crestani bestätigt Hakans Aussage, jede und jeder könne von heute auf morgen zur:zum Schuldner:in werden. Ursache kann ein Schicksalsschlag, plötzlicher Stellenverlust oder eine Scheidung sein. Wenn Männer zum Beispiel plötzlich Alimente zahlen müssen oder Kurzarbeit eingeführt wird. Crestani: «Bei vielen Menschen ist das Budget gleich hoch wie der Lohn. Wenn man nur noch 80 Prozent von Letzterem erhält, ist es schon passiert.» Es seien vor allem Männer, die betrieben werden. Seine Erklärung: «Frauen haben das bessere Netz und sobald Kinder involviert sind, können sie sich nicht einfach gehen lassen.»

«Im einen Stockwerk waren Dealer, im anderen Junkies, die sich ihre Spritzen gesetzt haben. Alles war voller Fäkalien.»

Hakan Kahraman, Weibel beim Stadtammann- und Betreibungsamt Zürich 4

9:15 Uhr

Wir verlassen Alf und Luigi, treten aus der schummrigen Höhle wieder ans Tageslicht. Ziel ist die Neufrankengasse, wo die zwei einstigen Gammelhäuser stehen. Nach einer polizeilichen Grossaktion gegen Mietzinswucher im Oktober 2015 stellte sich heraus, dass an der Neufrankengasse und Magnussstrasse mindestens 120 Menschen auf engstem Raum und in desolaten Zuständen wohnten. Auch Hakan kennt die Gammelhäuser noch von diesen Zeiten. «Im einen Stockwerk waren Dealer, im anderen Junkies, die sich ihre Spritzen gesetzt haben. Alles war voller Fäkalien.» Seit eineinhalb Jahren betreibt die Stadt Zürich als neue Besitzerin in den beiden Liegenschaften der Neufrankengasse wohnintegrative Angebote.

Hakan muss in beiden Gebäuden jeweils eine Betreibung zustellen, doch nur in einem davon hat er Erfolg. Angst vor seinen Schuldner:innen? Hat er noch bislang nicht verspürt. Es habe auch noch nie jemand versucht, ihn zu bestechen. Einige Schuldner:innen hätten ihn zwar auch schon mal nackt an der Türe empfangen, doch auch hier sage er sich jeweils: «Professionell und fokussiert bleiben.»

Die Weibel bilden im Betreibungsverfahren mit dem Zustellen des Zahlungsbefehls quasi die erste Instanz, die Aufgabe der Pfänder:innen ist der Vollzug. Wenn der:die Gläubiger:in eine Fortsetzung verlangt, kommt es zu einer Pfändung. «Wir laden die Leute vor, dabei werden die persönlichen aber auch die Vermögens- und Einkommensverhältnisse angeschaut und geprüft, was gepfändet werden kann», sagt Vollzugsbeamtin Larissa Beeler während eines Interviews, das nach der Tour mit Hakan stattgefunden hat.

Bevor ihre Kollegin Sarah Zumstein Stellvertreterin von Bruno Crestani wurde, war sie fünf Jahre lang ebenfalls in der gleichen Funktion tätig. Auch sie ging regelmässig zu Schuldner:innen nach Hause, jedoch immer zu zweit. «Ich kam auch schon in Situationen, die mir nicht ganz geheuer waren», erinnert sie sich. Sie verlasse sich dann stets auf ihr Gespür.

Es komme einem generell viel Wut entgegen, seit der Coronakrise habe sich das zusätzlich verstärkt. «Die Frage nach dem Kontostand treibt einige zur Weissglut. Vor allem, wenn dieser seit langem eine 0 aufweist und man auf Geld wartet, das einfach nicht kommt.» Auch sie rechnet damit, dass sich die Lage in diesem Jahr verschärfen wird: Bereits jetzt seien zahlreiche neue Schuldner:innen auf ihre Liste gelangt, darunter viele Restaurants.

Article image for Betreibungsweibel: «Jede*r von uns kann von heute auf morgen in eine solche Situation kommen»

9:45 Uhr

In der stationären Wohnintegration an der Feldstrasse stellt Hakan einer jungen Frau einen Zahlungsbefehl zu. Diese erkundigt sich nach dem weiteren Vorgehen. Wieder draussen, schlagen wir den Weg in Richtung Kaserne ein. Hakan erzählt, dass ihm aufgefallen ist, dass im Vergleich zu früher mehr junge Frauen betrieben werden. Und das vor allem aufgrund kleiner Beträge: «Offene Sunrise-Rechnungen, Schwarzfahren, Gerichtskosten, noch nicht bezahlte Online-Käufe», zählt Hakan auf. Er nimmt auch die Gläubiger:innen in die Pflicht: Diese müssten die Bonität der Kundschaft richtig prüfen.

Unsere Route neigt sich ihrem Ende zu. «Was meinst du, ist besagter Drogendealer schon wieder zurück?», fragt mich Hakan. Eine Minute später läuft dieser an uns vorbei, in der Hand ein Sandwich.

10:20 Uhr

Meine Route ist zu Ende, für Hakan geht sie noch weiter. Er wohnt mit seiner Familie ausserhalb der Stadt. Ob er sich manchmal wünscht, in einem anderen Stadtkreis mit hübschen Altbauwohnungen statt in dieser Gegend zu arbeiten, in der ein rauer Umgangston herrscht und er sich regelmässig in verrauchten und dreckigen Treppenhäusern wiederfindet? «Noch nie», antwortet er lachend. Man gewöhne sich an alles, sagt er. Und immerhin sei es hier an der Langstrasse lebendig – noch.

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