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Von Benjamin von Wyl

Journalist

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8. Juni 2017 um 07:12

Was die Uniform-App der Stapo Zürich über ihr Menschenbild aussagt

Wird deine Wall seit 2014 mit krakelig ausgeschnittenen Fotos deiner Facebook-Freunde in Uniform geflutet? Nicht? Dann ist entweder deine Filterbubble dicht oder das Streumarketing der Zürcher Stadtpolizei nicht so erfolgreich, wie die Kommunikationsabteilung der Stadtpolizei denkt.

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Die «Uniform-Anprobe» der Stapo ist eine Facebook-App, die ein Jahr nach der Lancierung auch in die App Stapo News für Android und IOS integriert worden ist. In einem Tab kann man den Notruf wählen, im anderen kann man sich als Polizist*in verkleiden. Die grafische Qualität und Bedienung weisen eher auf geringe finanzielle Mittel für die Entwicklung hin. Man kann sich fragen, ob man der App überhaupt Aufmerksamkeit schenken sollte, aber das Spielzeug vermittelt eben auch: Die Stadtpolizei Zürich will menschlich sein. Wenigstens ein Bruchteil der Leute, die sonst auf Tinder (vor allem) nach links swipen, sollen stattdessen Zeit vernichten, indem sie Fotos von sich, ihren Freund*innen oder ihrer French Bulldog mit Uniformen verkleiden und dies dann auf Facebook oder Twitter teilen. Ein Spiel, eine Spielerei. Andere vergleichbare Apps, etwa jenes der Kantonspolizei, kennen solche Gimmicks nicht, sondern setzen auf News/Medienmitteilungen und Notruf-Funktion.

Die Spielfreude der Stadtpolizei machte mich etwas traurig. Nicht, weil ich der Stapo den Spieltrieb nicht gönne, sondern wie sie spielt: Wenn mir die Polizei deshalb sympathischer werden soll, da ich auch meinen kahlen Hippiekopf in der Uniform eines Demopolizisten gesehen habe, vertritt sie ein grundsätzlich anderes Menschenbild als ich. Mein Kopf, der Kopf meiner Freund*innen, jeder Kopf wird auf diese Art entmenschlicht. Ausser der Kopf einer French Bulldog: Die wird vielleicht minim menschlicher.

Michael Wirz von der Kommunikationsabteilung der Stapo erzählt mir dann am Telefon, dass es nicht nur um Sympathien gehe: «Das Ziel der virtuellen Uniform-Anprobe ist Personalwerbung.» Das heisst, die Polizei will gar nicht um meine Sympathie werben, sondern um jene von Menschen mit einem Uniform-Fetisch. Das machte mich noch trauriger.

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Grosse Teile der Gesellschaft nehmen Uniform-Träger*innen nicht mehr als Individuen wahr, besonders solche, die bei politischem Engagement, Cannabis-Konsum oder Velofahren in Konflikt mit ihnen geraten. Da die Auflösung in der App dann auch noch lächerlich schwach ist, wird der Effekt noch überspitzt. Mit der App sieht man sich selbst als Polizist*in, so wie ein RJZ-Mitglied mit massiver Weitsichtigkeit die Polizei sieht. Parolen wie ACAB (ich hab gehört, das heisse All Cats Are Beautiful ;-) ) kann es nur geben, da man Polizist*innen als Einheitsuniformen wahrnimmt. Ja, als ich die App zum ersten Mal gesehen hab, habe ich kurz geseufzt. Denn dass das sympathisch sein soll, hat mich wieder eine Sekunde lang erfühlen lassen, wie krass die Wertvorstellungen innerhalb derselben Gesellschaft auseinanderdividieren.

Aber immerhin kennen Michael Wirz und ich beide die Folgen ewiger Budget-Cuts: «Die Entwicklung der Facebook-App war relativ günstig und da viele das Foto auf Social Media posten, erreichen wir recht viele potentielle neue Mitarbeitende. Wir setzen vermehrt auf solche Werbeformen, denn klassische Inserate sind teuer und erreichen unsere Zielgruppe kaum mehr. Unser Werbebudget wurde in den letzten Jahren um zirka 40 Prozent gekürzt.» Das ist mir aus den Branchen, in denen ich mich bewege, bekannt. Wenn wir schon ein entgegengesetztes Menschenbild vertreten, finden wir uns immerhin da.

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