Was das Wetter im Menschen bewegt
Kolumnistin Julia Weber steht im Regen und spricht mit der Kioskfrau. Diese erklärt, wieso sie nie gerne über das Wetter redet. Dennoch fasziniert es die Kioskfrau, was der fallende Regen, die Jahreszeiten und das Wetter in den Menschen auslöst.
Sie habe nie gerne über das Wetter geredet, sagt die Kioskfrau und streckt ihre Hand durch das, ein Spalt weit geöffnete, Schiebefenster ihres Kioskhäuschens hindurch, bis die Fingespitzen draussen bei mir im Regen sind. Sie bewegt die Fingerspitzen im Regen.
Sie habe sich immer wahnsinnig gelangweilt, wenn Menschen angefangen hätten über das Wetter zu Reden oder über Bergspitzen oder über Yogafiguren oder Kissenbezüge, selbstgenäht oder Büstenhalter mit oder ohne Bügel oder darüber wie verrückt es doch sei, dass in jedem Tal der Schweiz die Menschen einen anderen Dialekt sprechen würden und sich, stünden sie auf den Kanten ihrer Berge und riefen in das nächste Tal hinein, sie dort unten niemand verstehen würde.
Solche Sachen hätten sie immer gelangweilt, sagt die Kioskfrau und ich sehe wie ein dicker Tropfen neben mir, meiner Körperseite entlang fällt und auf ihrem blutroten Fingernagel landet. Blutrot, Rostorange, Sonnengelb, Hamsterbraun, Hirschkäferschwarz.
Sie habe sich nie für Jahreszeiten interessiert, sagt sie. Sie habe es nicht verstanden wie die Menschen an den Fenstern der Züge geklebt seien, wenn in diesen wenigen Tage Ende Oktober, Anfang November die Wälder ausgesehen hätten als würden sie brennen, als stünden ganze Wälder wundersam in Flammen.
Sie habe in ihr Buch geschaut oder auf den See, obschon sie auch dafür, das müsse sie zugeben, zu jener Zeit, keine grosse Faszination gehabt habe, sie habe auch den See und auch sein seichtes Wasser langweilig gefunden. Ob es nun ein gutes Wetter oder ein schlechtes sei und inwiefern dieses gute oder schlechte Wetter auf uns einwirke, sagt die Kioskfrau und noch immer fallen die Regentropfen auf ihre langen, bleichen Finger und die Fingernägel Leuchten neben mir, das liege doch in unserer Verantwortung, was wir in dieses Wetter hinein interpretieren würden.
Sie habe bei Regen immer gesagt, Wasser, das aus dem Himmel falle, das sei doch eine tolle Sache, aber auch nur eine von vielen, habe sie dann gesagt, wenn ihre Freunde wieder einmal vom Wetter so angefahren gewesen seien, dass sie das Gefühl gehabt habe, sie müssten augenblicklich in die Karibik transportiert werden. und nun gebe es plötzlich diese Momente, und die Kioskfrau berührt mit ihrer schönen Hand meine Hand, ich die im Regen steht, von meiner Kapuze tropfen die Tropfen, sammeln sich am Boden um meine Schuhe herum.
Nun gebe es diese Momente, sagt die Kioskfrau und schaut mich aus ihren herbstlichen Augen an, da würde sie am Fenster stehen und sich von der Jahreszeit richtiggehend gemeint fühlen. Vom Herbst, der rieche, wenn es regne und die Regenwürmer, die aus dem Boden kämen und im Herbst das Laub, das nach Vergänglichkeit und nach Blindschleiche und nach Kürbiskerne und nach Fuchskacke rieche und sie wisse jetzt, dass die Zeit des Jahres, die vergehe, irgendwie ja auch ihre Zeit sei, die vergehe. Sie rieche dann auch ein wenig nach dem feuchten Laub und den Schnecken und sie habe auch eine kühle, nasse Oberfläche und sie vergehe auch, sie werde auch ganz langsam zu dieser Erde, aus der sie einmal entstanden sei.
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