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Von Lara Blatter

Co-Geschäftsleitung & Redaktorin

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19. Mai 2020 um 12:23

Universität Zürich führt Geldstrafen für politischen Aktivismus ein

Der Universitätsrat will am 25. Mai eine Änderung der Disziplinarordnung absegnen. Neu können «Störungen des universitären Betriebs» mit Geldstrafen von bis zu 5’000 Franken sanktioniert werden. Das feministische Hochschulkollektiv ruft zur Telefon-Demo auf und auch der Verband der Studierenden kritisiert die Revision.

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Anruf bei der Bildungsdirektion (Foto: Lara Blatter)

Die Nummer der Bildungsdirektion des Kantons Zürich ist gewählt, das Telefon gilt Bildungsdirektorin Silvia Steiner. Das feministische Hochschulkollektiv ruft am 19. Mai zu einer Tele-Demo auf – telefonisch oder via Kontaktformular sollten sich Studierende gegen die Revision der Disziplinarordnung der Universität Zürich wehren.

Die Disziplinarordnung regelt den Umgang mit Plagiaten, Störungen des universitären Betriebs oder von Veranstaltungen, sowie Verstösse gegen die Vorschriften der Universität. Diese Ordnung soll nun revidiert werden, da sich das Sanktionssystem der bisherigen Disziplinarordnung als relativ unflexibel erwiesen hätte, so Rita Ziegler, Mediensprecherin der Uni Zürich. Die Zürcher Studierendenzeitung berichtete bereits im Februar über die Revision und den Unmut der Studierenden, nun soll der Universitätsrat am 25. Mai über die neue Disziplinarordnung beraten.

Geldstrafen bis 5’000 Franken oder 40 Stunden gemeinnützige Arbeit

Vergehen wie die Plagiatherstellung, Störungen des universitären Betriebs und allgemeines Verstossen der Vorschriften durch Studierende und Doktorierende wurden bis anhin mit schriftlichen Verweisen und Suspendierungen gebüsst, so der Verband der Studierenden der Uni Zürich (VSUZH). Neu sollen auch Geldstrafen von bis zu 5’000 Franken oder gemeinnützige Arbeit von bis zu 40 Stunden möglich sein. Wobei die Uni Zürich betont, dass der Fokus auf gemeinnütziger Arbeit liege. Ziel der Revision sei die verschärfte Sanktionierung von unlauterem Prüfungsverhalten wie etwa Plagiaten.

Mit dieser Revision würde die Uni Zürich repressionstechnisch zur Vorreiterin, so das feministische Hochschulkollektiv. Lediglich zwei weitere Universitäten in der Schweiz – die HSG und die Uni Fribourg – kennen solch ein Geldstrafen-System, wobei dort die maximal Busse um einiges tiefer liege, so Isaias Moser, Co-Präsident vom VSUZH. Auch er steht der Revision kritisch gegenüber: «Die Universität Zürich benötigt keine Geldstrafen. Unseres Wissens gibt es kaum Wiederholungstäter*innen, darum scheinen uns die aktuellen Sanktionsmöglichkeiten ausreichend.»

Vermehrte politische Aktionen als Ausschlag?

Klima- und Frauen*streik-Kollektive sind in den letzten Jahren präsenter an der Uni geworden. Der Zeitpunkt der Revision scheint dem feministischen Hochschulkollektiv kein Zufall. Sie kritisieren die Änderungen scharf, die Universität rühme sich damit, kritisches Denken zu lehren. «Aber jetzt fühlt es sich an, als ob das keinen Platz mehr hat. Wir setzen uns an der Uni mit vielen kritischen Dingen in den Vorlesungen auseinander, da soll es doch auch möglich sein, diese nach aussen zu tragen, wenn auch nicht immer bewilligt», so Rebekka* vom feministischen Hochschulkollektiv.

Seitens der Uni steht das Vorgehen gegen unlauteres Prüfungsverhalten im Vordergrund, zumal das die meisten Verfahren ausmache. Die Hochschule betont, dass politische Aktionen möglich seien und sich die Uni in den letzten Jahren kulant zeigte.

Viel Geld für Student*innen

«Wir stellen uns die Frage, ob wir künftig für nicht bewilligte Aktionen Geldbussen kassieren», so Rebekka und erwähnt als Beispiel eine Installation, welche das weibliche Geschlecht in der Öffentlichkeit thematisierte. Unabhängig vom Geldbeutel soll es möglich sein, an politischen Aktionen teilzunehmen. Die maximale Busse von 5’000 Franken sei absurd und nur privilegierte Studierende könnten sich das leisten. Auch die gemeinnützige Arbeit von bis zu 40 Stunden sei für Studierende, die nebenbei arbeiten, untragbar.

Auch der VSUZH sieht das Problem in der Geldstrafe. Jene Studierenden, welche von den Eltern unterstützt werden, seien von einer Busse nicht in der gleichen Art betroffen als jene, die eben keinen finanziellen Zustupf bekommen würden. Zudem könnte ein Gefühl entstehen, dass Studierende sich von Verstössen «freikaufen» könnten.

Die finanziellen Verhältnisse der Studierenden werden berücksichtigt und die 5’000 Franken seien der Maximalbetrag, sagt Rita Ziegler, Mediensprecherin der Uni Zürich. Ausserdem sei in bestimmten Fällen 5’000 Franken wenig: «Dann etwa, wenn die angeschuldigte Person für das Verfassen einer Master-Arbeit 10’000 Franken an einen Ghostwriter bezahlt hat.»

Die Bildungsdirektion schweigt

Der Universitätsrat habe über die Revision noch nicht beraten, bei diesem Stand des Geschäfts könne dazu auf Stufe Universitätsrat derzeit keine Stellung bezogen werden, so Urs Bühler von der Bildungsdirektion. Ähnliche Antworten bekommen die Studierenden, die dem Aufruf vom feministischen Hochschulkollektiv folgen und sich telefonisch oder via Kontaktformular melden.

Noch werden Sanktionen von einer mehrköpfigen Disziplinarkommission ausgesprochen. Mit der Revision wird der Universitätsanwalt gemeinnützige Arbeit und Geldstrafen bis zu 1’000 Franken alleine verordnen dürfen. «Es kann doch nicht sein, dass sich die Entscheidungsgewalt so auf eine Person konzentriert», sagt Rebekka.

Allgemein seien die Studierenden der Uni Zürich zu wenig über die neue Disziplinarordnung informiert worden. «Es gibt uns das Gefühl, als ob die Uni die Revision hinter verschlossenen Türen durchboxen will», so Rebekka, «darum die Tele-Demo, eine Art letzter Hilferuf.»

*Name der Redaktion bekannt

Update zur Tele-Demo

Die Telefonleitungen der Bildungsdirektion seien aufgrund der vielen Anrufen am 19. Mai geschlossen worden, so das feminisitsche Hochschulkollektiv. Sie rufen am 20. Mai erneut zur «Tele-Demo» auf, man solle sich nun per Mail an den Unirat wenden.

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