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Von Isabel Brun

Redaktorin

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6. September 2019 um 04:32

Aktualisiert 27.01.2022

Trendforscherin: «Unsere zukünftigen Chef*innen werden Roboter sein»

Die Digitalisierung verändert die Welt – auch die Arbeitswelt. Doch was bedeutet das für unseren Arbeitsalltag? Ein Blick in die Zukunft mit der Trendforscherin Karin Frick.

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Photo by Franck V. on Unsplash

Frau Frick, wie wird sich «Arbeit» in den nächsten 30 Jahren verändern?
Karin Frick: Während in den letzten Jahren vor allem neue Berufe dazukamen, werden traditionelle in Zukunft gänzlich verschwinden. Es kommt also zu einer Verschiebung auf dem Arbeitsmarkt. Zusätzlich werden sich die Aufgabenfelder innerhalb eines Berufes extrem stark verändern: automatisierbare Arbeiten übernimmt die Maschine.

Wir müssen vom Konkurrenzdenken eines Mensch gegen Maschine-Szenarios wegkommen. Es ist vielmehr Mensch UND Maschine.

Karin Frick, Trendforscherin

Sind von diesem Wandel alle Berufe betroffen?
Ja, neue Technologien verändern jede Berufsgattung. Die einen Berufe mehr, die anderen weniger.

Wir werden also von Maschinen ersetzt?
Jein, es werden gewisse Arbeitsvorgänge durch Maschinen ersetzt. Wir müssen vom Konkurrenzdenken eines Mensch gegen Maschine-Szenarios wegkommen. Es ist vielmehr Mensch UND Maschine.

Wie ist das zu verstehen?
Nehmen wir den Pflegeberuf als Beispiel. Zum einen gibt es dort – wie natürlich auch in anderen Berufen – Arbeiten, die von Menschen nicht so gerne gemacht werden. Diese könnten vermehrt von Robotern übernommen werden. Zum anderen herrscht in diesem Sektor jetzt schon ein Fachkräftemangel. Dieser Mangel wird sich in den nächsten zehn Jahren durch die Zunahme von pflegebedürftigen Menschen verstärken. Maschinen können helfen, dieses Defizit auszugleichen.

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Karin Frick (Foto zVg)

Über die Interviewpartnerin
Karin Frick erforscht seit 15 Jahren Trends und Gegentrends in Wirtschaft, Gesellschaft und Konsum. Sie ist Mitglied der Geschäftsleitung des Gottlieb Duttweiler Instituts. Die gebürtige Liechtensteinerin studierte Volkswirtschaftslehre an der Hochschule St. Gallen.

Sollten wir also lernen zu programmieren oder zumindest etwas mit Technik studieren?
Auf dem künftigen Arbeitsmarkt ist das sicher kein Nachteil. Allerdings gehört die Entwicklung von Ideen genauso dazu wie das Implementieren von Programmen. Aber: In jedem Berufsfeld existiert eine technologische Komponente, die es zu verstehen gilt. Das ist ja bereits jetzt der Fall.

Inwiefern?
Sie als Medienschaffende schreiben Ihre Geschichte auch nicht mit Stift und Papier, sondern auf einem technischen Gerät. Und trotzdem formen Sie die Story im Kopf. Die Verschiebung der Aufgabenfelder, die nicht mehr von Menschenhand geführt werden, wird weitergehen. Diese Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen.

Was ist denn mit Erwerbstätigkeiten, die weniger kopflastig sind?
Es wird in Zukunft mehr Brain gefordert werden. Das bedeutet leider auch, dass Menschen ohne Studium noch mehr benachteiligt sein werden. In einer smarten Welt haben Arbeitnehmer*innen, die lediglich die Kompetenz «Kraft» besitzen, ganz klar das Nachsehen, da diese Arbeit von Maschinen mühelos übernommen werden kann. Dadurch wird die Diskrepanz zwischen hoch- und niedrigqualifizierten Menschen weiter zunehmen.

Fähigkeiten wie aus jeder Situation das Beste herauszuholen, Möglichkeiten zu erkennen und sich anpassen zu können, werden zentral sein.

Karin Frick, Trendforscherin

Was wäre der anzustrebende Beruf?
Das zu diesem Zeitpunkt der Entwicklung zu konkretisieren, ist schwierig. Was aber gesagt werden kann, ist, dass Generalist*innen auf dem Arbeitsmarkt mehr Chancen haben werden als Spezialist*innen.

Weshalb?
In der digitalen Welt verändert sich Wissen rasant. Was heute noch als neu gilt, ist morgen bereits veraltet. Fähigkeiten wie aus jeder Situation das Beste herauszuholen, Möglichkeiten zu erkennen und sich anpassen zu können, werden zentral sein. Spezialist*innen sind solchen Veränderungen hingegen ausgeliefert, da sie zu statisch sind.

Und welche Veränderungen gibt es in Bezug auf die 42-Stunden-Woche?
Meines Erachtens gibt es diese in der Schweiz nicht mehr. Dadurch, dass es der Wirtschaft momentan so gut geht, können es sich viele Arbeitnehmer*innen leisten, Teilzeit zu arbeiten. Wer kann, arbeitet nur 60 oder 80 Prozent.

Wird dieser Trend anhalten?
Solange es keinen Wirtschafts-Crash gibt schon. Zusätzlich wird das Modell der «Arbeit auf Zeit» noch öfter gewählt werden. Das bedeutet, dass man von Projekt zu Projekt arbeitet, mal 120 Prozent ausgelastet, mal 2 Monate nicht erwerbstätig ist – bevor man sich wieder in eine neue Aufgabe stürzt.

Das «Work-Life-Balance»-Prinzip bleibt also wichtig?
Ich finde diesen Begriff ziemlich überholt. Arbeit als Lebensinhalt hat schon heute an Bedeutung verloren und das wird es in unserer Wohlstandsgesellschaft auch weiterhin. In 20 Jahren wird kaum jemand die Frage «Wer bist du?» mit der Berufsbezeichnung beantworten. Der Beruf ist vielmehr nur ein Teilaspekt der Selbstdefinierung.

Ist der Begriff «Homeoffice» auch bereits überholt?
Ja, Homeoffice gibt es bereits seit dem Zeitalter der Industrialisierung. Damals hiess es Heimarbeit. Seit der Kommerzialisierung des Computers in den 90ern wurde es wieder populärer. Forschungen haben jedoch gezeigt, dass bei der Arbeit im eigenen Zuhause zum einen die Produktivität abnimmt und zum anderen Arbeitnehmer*innen unzufriedener werden. Niemand arbeitet gern dauerhaft in Isolation.

Unsere zukünftigen Chef*innen werden Roboter sein.

Karin Frick, Trendforscherin

Gibt es Alternativen?
Ich nenne die Alternative «mobile Arbeit». Nach Möglichkeit wird Arbeit an verschiedenen Orten stattfinden. Einer dieser Orte kann zwar auch mal das eigene Zuhause sein, allerdings arbeitet man an anderen Tagen vom Café oder Büro aus. Oder aber man geht in einen Co-Working-Space.

Welche Führungsform ist dafür am geeignetsten?
Keine konkrete. Unsere zukünftigen Chef*innen werden Roboter sein.

Wie bitte?
Das hört sich abgefahrener an, als es ist. Führungskräfte sind dafür da, Management-Funktionen zu übernehmen und Ressourcen sinnvoll zu verteilen. Das können Computer viel objektiver. Ausserdem gibt es bereits gute Beispiele, bei denen Koordinierungssysteme die Führungsposition übernehmen.

Welche wären das?
Das Taxidienstunternehmen Uber oder der Anbieter AirBnB. Bei beiden Plattformen ist eine Maschine die Schnittstelle zwischen Arbeitnehmer*in und Klient*in: Sie koordiniert Angebot und Nachfrage, wägt Fähigkeiten und Bedürfnisse ab – bei einer Verfügbarkeit von 24 Stunden. Darüber hinaus ist ein System besser darin, Fehler oder Probleme zu identifizieren. Bezüglich Effizienz hat die Maschine also einen klaren Vorteil gegenüber der menschlichen Führungskraft.

Wo haben wir einen Vorteil gegenüber Robotern?
Kreative Prozesse werden vorerst nicht an Maschinen abgegeben.

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