Tabu-Serie: Schuppenflechte – «Ich wünschte, es wäre weg» - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Sonya Jamil

Praktikantin Redaktion

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23. September 2020 um 09:00

Tabu-Serie: Schuppenflechte – «Ich wünschte, es wäre weg»

Es fing alles an mit einem kleinen roten Punkt. Nach einem Besuch beim Hausarzt stand fest: Der 6-jährige Urs hat Schuppenflechte. Der heute 45-Jährige über seine Hautkrankheit.

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Foto: Urs

Unsere Gesellschaft kennt viele Tabus, wenn es um das Thema Gesundheit geht. In der Tabu-Serie porträtieren wir Menschen, die sonst nicht oft zu Wort kommen.

Psoriasis, so wird die genetische Krankheit auch genannt, zeichnet sich durch rote, schuppige Flecken auf der Haut aus. Diese erscheinen in Schüben und sind zwar entzündet, aber nicht ansteckend. Wer Schuppenflechte hat, bei dem juckt und schneit es abgestorbene Haut.

Mit Haut und Haaren

In einem hellblauen T-Shirt betritt Urs das Café in der Nähe des Limmatplatzes. Diese helle Garderobe sei typisch für ihn; wenn er sich kratzen würde, könne man auf einem dunklen Oberteil ja die Schuppen sehen. «Vermutlich sieht man mir die Schuppenflechte nicht an», meint er verschwörerisch. Er habe gelernt, sie zu verstecken und sich so zu tarnen. Als er kurz das T-Shirt anhebt, kommen die roten, tropfenförmigen Flecken jedoch zum Vorschein. «Die werden im Wasser feuerrot», betont Urs. Nebst dem Oberkörper hat er die Schuppenflechte manchmal an den Armen, dem Rücken und seit er denken kann am Haaransatz. Den dazugehörigen Juckreiz hat er immer im Hinterkopf.

Urs bekam die Schuppenflechte nie im Gesicht, an den Händen oder den Beinen. «Darüber bin ich sehr froh», so Urs. Momentan habe er seinen «Schuppenflechten-Peak». Der Mittvierziger hofft, dass sich die Flechte nicht weiter ausbreitet; er kann jedoch nur hoffen.

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Kuren am Toten Meer

Als Kind schämte sich Urs für seine Schuppenflechte; er erinnert sich an den obligatorischen Schwimmunterricht aus Schulzeiten. Das Baden meidet er auch heute noch, er will keine Blicke auf sich ziehen.

Es gibt jedoch einen Ort, da geht Urs gerne ins Wasser: Das Tote Meer; einmal im Jahr zieht es ihn deshalb nach Israel. Er besucht dort der Psoriasis wegen ein Kur-Hotel, dessen Kosten jedoch nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Die Reise nach Israel kommt ihn jedes Mal teuer zu stehen und musste dieses Jahr coronabedingt ausbleiben.

Nach einem Besuch im dortigen Kur-Hotel hat Urs Wochen oder sogar Monate Ruhe von seiner Hautkrankheit. Während seiner Kur trifft er jedes Mal auf Gleichgesinnte, mit denen er sich über Psoriasis austauschen kann. Er merkt dabei, dass er mit seiner Krankheit nicht alleine ist. Diesen Austausch hatte er bis Mitte 30 nicht. Leidensgenoss*innen könnten schliesslich auch von eigenen Erfahrungen berichten. Mit gutgemeinten Ratschlägen, wie dem Wechsel von Pflegeprodukten, kann Urs nichts anfangen, insbesondere wenn sie von Menschen mit gesunder Haut kommen.

Krankheit in Schüben

Wenn die Schuppenflechte ausbrechen, dann reagiert das Immunsystem wie bei einer Hautverletzung: es löst Entzündungsreaktionen in der Haut aus und beschleunigt die Prozesse zur Hauterneuerung. Diese schnelle Hauterneuerung führt wiederum zu Schuppen. Man sagt der Hautkrankheit auch nach, dass sie vererbbar sei. Aus seiner Familie und früheren Generationen ist Urs allerdings kein weiterer Fall bekannt. Die Schuppenflechte kommt und geht wann sie will; ausgelöst durch Stress, Infektionen, Verletzungen der Haut oder Medikamenten.

Urs ist auch schon aufgefallen, dass seine Haut auf Antibiotika reagiert; abgesehen davon, kann er keinen bestimmten Trigger nennen. Das macht es für ihn schwierig, der Krankheit auf den Grund zu gehen. Von Ende 20 bis Mitte 30 habe er überhaupt keine Schuppenflechte gehabt. Aus diesem Grund hat er sich selbst einen sieben-Jahre-Rhythmus ausgerechnet, der nun bald wieder ansteht.

In der Vergangenheit setzte Urs noch auf Kortisonspritzen, mittlerweile nur noch auf eine gesunde Ernährung mit viel Gemüse und wenig Alkohol. Er weiss, dass die Sonne gegen die Hautkrankheit hilft, eine UV-Licht-Bestrahlung zieht er momentan nicht in Betracht. Psoriasis wäre der Sammelbegriff, der Krankheitsverlauf sei bei jedem unterschiedlich, fügt Urs hinzu. Die Krankheit stellt an sich kein Risiko für Folgeinfektionen dar; Patienten*innen ab 65 Jahren sollten jedoch Vorsicht walten lassen, denn sie gehören laut dem BAG zu der Risikogruppe.

Psoriasis – auch eine Krankheit

«Hey, hast du auch Psoriasis?» Wenn Urs neue Menschen kennenlernt, sieht er ihnen die Hautkrankheit oftmals gleich an. Sie würden sich auffallend oft kratzen und hätten eine gewisse Schüchternheit und Unsicherheit an sich. So aufmerksam wie Urs ist nicht jeder; verdeckt durch Kleidung fällt seine Schuppenflechte gar nicht auf. Dadurch fehle oft das Verständnis von Mitmenschen.

Urs findet es wichtig, über seine Krankheit zu sprechen und sie so zu enttabuisieren. Die Haut ist schliesslich unser grösstes Organ; wir berühren und werden täglich berührt. In der deutschen Sprache, wie auch in Fremdsprachen, gibt es zahlreiche Redewendungen über die Haut. Mittlerweile habe man schon viel mehr Wissen über Schuppenflechte; früher seien Menschen mit dieser Hautkrankheit hierzulande mit Lepra-Kranken verglichen und wurden dementsprechend auf die Lepra-Inseln Spinalonga bei Kreta geschickt, erzählt Urs.

Urs, der sonst gerne die Kontrolle über sein Leben hat, musste durch die Krankheit lernen, sie abzugeben. Mittlerweile kann er sich mit seiner Hautkrankheit arrangieren. Seine Devise: «Wenn ich meine Schuppenflechte in Ruhe lasse, dann lässt sie mich auch in Ruhe».

Mehr Informationen zu Psoriasis unter: Schweizerische Psoriasis und Vitiligo Gesellschaft (SPVG)

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