Stadtzürcher Bauernhöfe: Der Bio Waidhof in Zürich-Seebach - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Jenny Bargetzi

Praktikantin Redaktion

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13. August 2021 um 07:26

Aktualisiert 26.01.2022

Stadtzürcher Bauernhöfe: Der Bio Waidhof in Zürich-Seebach

Für unseren Fokusmonat «Stadt-Landwirtschaft» im September haben wir vorab vier städtische Bauernhöfe besucht. Dieses Mal erzählt uns der Pächter des Bio-Waidhofs, wieso sie trotz kleineren Erntemengen, grösserem Risiko und mehr Aufwand froh sind über den Entscheid, biologische Landwirtschaft zu betreiben.

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Fun Fact: Die Farbe der Eierschalen kann an den Ohrläppchen der Hennen vorhergesagt werden. Eine Henne mit roten Ohrläppchen legt braune Eier, eine mit weissen Ohrläppchen legt weisse Eier. (Alle Fotos: Jenny Bargetzi)

Keine Trämmliglocke, kein Quietschen eines vorbeifahrenden Zuges und kein Automotor ist zu hören. Trotzdem liegt der Bio Waidhof Zürich noch im Stadtgebiet in Zürich-Seebach. Seit 1984 wird der lokale Bio-Bauernhof von der Familie Götsch-Rutz bewirtschaftet, das Land gehört der Grün Stadt Zürich. Damit ist der Hof einer von insgesamt neun Landwirtschaftsbetrieben der Stadt, die an Bauernfamilien verpachtet und auf eigene Rechnung geführt werden.

Vor zwei Jahren haben der Sohn Markus Götsch und seine Lebenspartnerin Yvonne Wiederkehr den Hof von Götschs Eltern als Pachtbetrieb der Stadt Zürich übernommen. Gemeinsam mit einer:m Lernenden, einer weiteren angestellten Person und der Hilfe der Eltern von Götsch unterhalten sie einen Hof mit 36 Hektaren. Die Unwetter hätten durchaus ihre Spuren hinterlassen, so Götsch. Kraut- und Knollenfäule seien die Folgen, Kartoffeln würde es dieses Jahr darum nur noch etwa die Hälfte geben. Das Feld mit den Sojabohnen sei etwas durcheinander gebracht worden. Den restlichen Feldern mit Weizen, Hafer, Silomais und Hirsen gehe es mehr oder weniger gut.

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Am Milchautomaten kann beliebig viel Milch der hofeigenen Kühe gekauft werden.

Nebst dem Betreiben von Ackerbau und Graswirtschaft halten Götsch und Wiederkehr 30 Milchkühe, 20 Kälber und Rinder, 50 Mastschweine, 280 Legehennen, 25 Bienenvölker, Rauch- und Mehlschwalben, ein Hund und eine Katze auf dem Biobetrieb.
Obwohl am Ende das Fleisch verkauft werde, würden sie ihre Tiere nicht übermästen, so Götsch. «Wir geben schon sehr Acht darauf, dass es den Tieren gut geht. Und ja, einige von ihnen, zum Beispiel unsere Kühe, haben einen Namen», lacht er und biegt in Richtung Schweinestall ab. Als die drei Monate alten Ferkel ihn erblicken, rennen sie quietschend und grunzend auf ihn zu.

Bio ist mehr als ein Trend
Auf dem Waidhof sei aber nicht immer pestizidfrei gewirtschaftet worden, so der Landwirt. Auf die Frage, wieso sie mittlerweile ein Biohof seien, meint Götsch, dass sie im Jahr 2002 angeordnet von der Stadt auf Bio umstellen mussten. Davon sei sein Vater damals wenig begeistert gewesen: «Er hat sich zu Beginn gesträubt und meinte, die Stadt mische sich zu fest ein. Auch war biologisches Landwirtschaften damals noch nicht so populär. Man hatte Angst um die Ernte». Angst darüber, dass sich die Felder verkrauten würden. «Die Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet. Im Gegenteil, im Nachhinein betrachtet, war es das einzig Richtige. Wir könnten uns heute nichts anderes mehr vorstellen.»

Der Einsatz von Pestiziden wäre sicher einfacher, aber auf Dauer funktioniert das nicht. Es ist nicht die Lösung.

Markus Götsch, Landwirt

Seitdem gehört der Waidhof mit seinem biologischen Anbau und Tierhaltung zu den 7’450 Landwirtschaftsbetrieben, die schweizweit nach den Richtlinien von Bio Suisse produzieren. Die Tendenz sei zunehmend, heisst es in einer Medienmitteilung der Vereinigung Schweizer Biolandbau-Organisationen. So vermeldete der Schweizer Detailhandel vergangenes Jahr gar eine Zunahme im Bio-Produktverkauf um 19,1 Prozent. Somit ist jedes zehnte eingekaufte Lebensmittel aus biologischer Produktion.

Eine wichtige Rolle in dieser Entwicklung spiele Corona. Götsch vermutet, dass als Folge der geschlossenen Restaurants die Konsument:innen vermehrt selbst eingekauft und Zuhause gekocht haben. «Corona brachte eine Welle und es wurde viel regionaler und mehr Bio eingekauft. Das ist mit der Öffnung der Grenzen aber wieder zurückgegangen. Der Preis entscheidet eben doch.»

Ein damit zusammenhängendes Problem, sind die hohen Margen der Grossverteiler auf den Bioprodukten. Dagegen wehrte sich der Schweizer Tierschutz im vergangenen Jahr und lancierte eine Initiative. Fleisch mit Biolabel werde zu teuer verkauft, konventionelles Fleisch aber zu billig. Für das Bio-Rindfleisch würde er von den Verteilern gerade mal einen Franken mehr pro Kilo erhalten, sagt Götsch. Wenig Geld für einen grossen Aufwand, der mit höheren Risiken einhergeht. Chemische Notfallmassnahmen bei plötzlichem Pilzbefall sind nicht erlaubt, stattdessen müssen die Landwirt:innen auf biologische Präparate und natürliche Pyrethroide, also synthetische Insektenmittel, setzen.

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Gefüttert werden die Tiere mit der eigenen Ernte vom Hof. Deren Mist wird anschliessend wieder als Hofdünger eingesetzt.

Aufwand und Ertrag scheinen auf den ersten Blick also in einem Ungleichgewicht zu stehen. «Der Einsatz von Pestiziden wäre sicher einfacher, aber auf Dauer funktioniert das nicht. Es ist nicht die Lösung», erklärt Götsch. Genetisch veränderte Kulturen würden zwar vorübergehend Abhilfe schaffen, es sei aber zu einseitig. Die Resistenzen würden schnell wieder durchbrochen werden. «Hier muss der Biobereich noch weiterentwickeln. Für robuste und tolerante Sorten, die auch hierzulande funktionieren», so Götsch.

«Beginnt bei den Konsumierenden»
Von den Schweinen geht es über den Hof auf die Wiese mit Blick nach Oerlikon. 280 Legehennen gackern wild durcheinander, ab und zu ertönt ein Krähen von einem der vier Hähne. Götsch hebt ein braunes Huhn auf.
Die Hühner seien etwa vier Monate alt. Rund neun bis elf Monate werden sie hier auf dem Hof verbringen, hauptsächlich zum Eierlegen. Danach werden auch sie geschlachtet.

Natürlich komme mit der ganzen Preisdiskussion auch die Massentierhaltung zur Sprache, meint der Landwirt. Die dazu im Parlament hängige Initiative sei eine gute Sache und gehe in die richtige Richtung. Viele der geforderten Massnahmen würden aber bereits erfüllt sein. Die Landwirtschaft ist nicht von heute auf morgen komplett veränderbar, sagt Götsch. Es müsse die volle Wertschöpfungskette mitsamt dem Ernährungssystem miteinbezogen werden, dazu gehören auch die Konsument:innen. Es sei wichtig, dass man davon wegkommt, nur wieder Bäuer:innen Vorschriften zu machen. Viele davon wären schon bereit für mehr Tierwohl. Das Problem sei, dass dieses Fleisch am Ende oft nicht gekauft werde und im Überschuss sei.
«Es ist schwierig oder gar heuchlerisch, wenn Konsument:innen weniger Einsatz von Pestiziden wollen, sich beim Konsumieren und Einkaufen aber komplett anders verhalten», findet Götsch.
«BioSuisse ist nicht die Lösung aller Probleme, aber es ist ein Anfang. Der Übergang ist fliessend», sagt Götsch während ihm das Huhn vom Schoss springt.

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«Das Futter macht den Unterschied. Das Eigelb wird farblich intensiver», sagt Götsch.

Beim Rückweg zum Hofladen steht eine Familie vor dem Kuhgatter, das Mädchen klammert sich ans Bein der Mutter. Viele Familien seien speziell seit dem Lockdown wieder vermehrt hierher gekommen. «Sozusagen als Zoo-Ersatz», erklärt der Landwirt. Das werde sehr geschätzt und zwinge sie als Biohof automatisch zu einer guten Tierhaltung, meint er. Es sei auch schon einmal vorgekommen, dass ein Passant eine Mail an den Kantonstierarzt geschrieben hätte, weil er Warzen am Bauch einer Kuh gesehen habe. Daraufhin erhielt Götsch ein Telefon vom Arzt, erzählt er schmunzelnd.

Im Hofladen zeigt Götsch die hofeigenen Produkte und solche von anderen Bauernhöfen. In der Ecke neben der Tür hängt eine grosse Kasse, bezahlen tut jede Person selbst. Man vertraue den Kund:innen, meint Götsch. Die Kasse sei zwar vor Kurzem gestohlen worden, trotzdem wollen sie das System so beibehalten. Die Täter seien gefunden worden, so Götsch entspannt. Den Landwirt scheint wohl nichts so schnell aus der Ruhe zu bringen.

Fokusmonat «Stadt-Landwirtschaft»: Stadtzürcher Bauernhöfe
Ob solidarische Landwirtschaft oder vertikale High-Tech-Farm – Zürich übernimmt in der Landwirtschaft immer wieder eine Pionierrolle. Auf Zürcher Stadtgebiet gibt es unzählige Beispiele von innovativen und nachhaltigen Landwirtschafts- und Gartenprojekten. Aber auch traditionelle Bauernbetriebe, Rebberge und Bienenhäuser tragen ihren Teil zur Zürcher Stadt-Landwirtschaft und zur Biodiversität bei. Als Vorgeschmack auf unseren Fokusmonat «Stadt-Landwirtschaft» im September, haben wir bereits jetzt vier städtische Bauernhöfe besucht. Dabei gaben uns die Landwirt:innen einen Einblick in ihre Arbeit und sprachen mit uns über die Zukunft der Landwirtschaft, die Ausrichtung der Agrarpolitik und die Bedingungen für Produzent:innen.

1. Zu Besuch im Wein- und Obsthaus Wegmann
2. Der Bio Waidhof in Zürich-Seebach

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