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Von Jenny Bargetzi

Praktikantin Redaktion

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26. August 2021 um 09:55

Sommerserie: Tauchen im Zürichsee – verloren im grünen Nichts

Es muss nicht immer Übersee sein. So habe auch ich nie gedacht, dass ich einmal im Zürichsee tauchen werde. Ein Erfahrungsbericht über eine verrückte Idee in den grünen Tiefen des Zürichsees.

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Der Neoprenanzug füllt sich langsam mit Wasser während wir auf der Eisentreppe ins Wasser hinabsteigen. Die verlorene Plastikflasche des Jungen hinter Eric blieb verschwunden. (Alle Fotos: Andreas Winzeler)

Tauchen im Zürichsee, die Stadtgrenze abwandern, in jeder Bar an der Langstrasse ein Bier trinken: Für die aktuelle Sommerserie haben wir uns an Dinge herangewagt, die wir in dieser Stadt noch nie gemacht haben.

Es ist kalt. Meine Zehen fühlen sich langsam aber sicher etwas taub an und durch meinen Körper rauscht ein Frösteln. Ich schwebe, schaue nach unten in eine dunkelgrüne, schon fast schwarze Leere. Rechts von mir beobachte ich, wie das Dunkelgrüne in eine Mischung aus Hell- und Giftgrün übergeht. Eine klare Form erkenne ich nicht. Immer wieder schwimmen unzählige Partikel an mir vorbei und trüben die Sicht. Mit dem nächsten Ausatmen wandert mein Blick den Blasen nach, die eine nach der anderen hinauftanzt zum Licht. Ich weiss weder an welchem Ort, noch auf welcher Höhe wir uns befinden. Um uns herum ist nichts, wir sind verloren im Grün.

Ein Blick zur Seite verrät mir, dass Eric weg ist. Beinahe gerate ich für einen kurzen Moment in Panik, dann sehe ich ihn links schräg unter mir wieder. Alles gut.

Mit Daumen- und Zeigefinger formt er einen Kreis, das wohl meist bekannte Tauchzeichen: Alles ok? Ich signalisiere ihm, dass mir kalt ist. Er nickt und gibt mir zu verstehen, dass wir uns auf den Weg nach oben machen. Ein paar Minuten später tauchen wir auf.

Schwer beladen hieven wir uns aus dem Wasser die Eisentreppe hoch. Ich vermisse schlagartig die Leichtigkeit des Wassers, bin aber gleichzeitig froh, die Sonne zu sehen. Die schwere Montur abgelegt, schlüpfe ich schnell aus dem einen Neoprenanzug, um meine abgekühlte Haut aufzuwärmen.

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Kurzer Situationscheck nach dem Auftauchen.

«Es muss ja nicht immer Ägypten sein»

Nun sitzen wir plaudernd auf den Steinblöcken am Tiefenbrunnen, der rechten Seite des Zürichsees. Eric checkt seine Uhr. «Dauer 30 Minuten, maximale Tiefe 18 Meter. Hast du den Steinlöwen gesehen?», fragt er lachend. Ich bejahe und bin vor allem über die Dauer des Tauchgangs erstaunt. Während ich etwas esse um meinen Körper mit neuer Energie zu füllen, erzählt mir Eric leidenschaftlich von seinen vielen Taucherlebnissen. Er war es auch, der vor einigen Monaten eine E-Mail an die Tsüri-Redaktion geschrieben hat. Speziell in dieser Zeit biete Zürich seiner Meinung nach nur wenig Vergnügungsmöglichkeiten. Darum gehe er Flaschentauchen im Zürichsee. «Es muss ja nicht immer Ägypten sein», schrieb er.

In einem See tauchen war ich noch nie, sage ich und bin erstaunt über all die Taucher:innen um uns herum. Es herrscht reges Treiben; Menschen mit Wakeboards, Böötler:innen und Spaziergänger:innen haben sich an diesem Samstagmittag am Tiefenbrunnen versammelt.

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Das Vorbereiten der Tauchausrüstung. Eine volle 12-Liter-Tauchflasche wiegt an Land um die 14 Kilogramm.

Eric erzählt, dass er in Island schon in zwei Grad kaltem Wasser tauchen war. Dafür musste er einen zusätzlichen Tauchschein erwerben. Er erzählt auch aufgeregt von einem Rohr, hier im Zürichsee, dessen Ende er noch nicht gefunden hat. «Irgendwann werde ich nur diesem Rohr nachtauchen!», meint er aufgeregt.

In der Zwischenzeit sind meine Füsse wieder wohlauf, die Kälte im Innern des Körpers ist einer angenehmen Wärme gewichen und ich fühle mich bereit für den zweiten Tauchgang.

Das ganze Prozedere also nochmals von vorne: Der zweite, noch feuchte Neoprenanzug über den ersten, danach die Füsslinge überziehen, die Tauchweste mit der Flasche, den zwei Atemreglern und den Gewichten, zum Schluss die Handschuhe. Mit Taucherbrille und Flossen unter den Armen watscheln wir wieder zum Einstieg. Der erste Anzug füllt sich mit kaltem Wasser, dann der zweite. Ein Junge bittet uns, seine Plastikflasche aus dem See zu holen, er habe sie fallen gelassen. Wir versichern ihm schmunzelnd, das Gesuchte zu holen, falls es uns entgegen schwimmt.

Unter der Sprungschicht hat das Wasser gerade einmal eine Temperatur von 4 Grad Celsius. Ich spüre die beissende Kälte im Gesicht, der einzigen freien Stelle meines Körpers.

Beware of Crocodiles im Zürichsee

Taucherbrille auf, noch einmal tief einatmen und los geht’s. Während die Luft aus meiner Weste weicht, gleite ich langsam hinunter in die Tiefe. Über mir verschluckt das grüne Wasser die letzten Lichtstrahlen und die Sicht wird immer trüber. Auf der gewünschten Höhe angekommen, kippt Erics Oberkörper mit einer kontrollierten Bewegung langsam nach vorne. In einer liegenden Position mit den Armen am Körper, der typischen Körperposition beim Tauchen, schwebt er voran. Diesmal in die andere Richtung.

Die Sicht ist noch ein bisschen getrübter als vorher, die dunkelgrüne Farbe noch ein bisschen satter. Wir schwimmen dem leicht abfallenden Grund entlang und plötzlich ist es vor mir, das Rohr von dem Eric erzählt hat. Es ist riesig, ich schätze den Durchmesser auf etwa zwei Meter. Vielleicht sogar mehr, unter Wasser sind Grössen und Distanzen schwieriger einzuschätzen. Wir folgen dem Verlauf der in Algen und Muscheln eingehüllten Röhre, dessen Ende von der Dunkelheit verschluckt wird. Auf einmal wird es schlagartig kalt. Offenbar haben wir die Sprungschicht passiert. Wie mir Eric auf dem Weg zum See erklärte, habe das Wasser dann gerade einmal eine Temperatur von 4 Grad Celsius. Ich spüre die beissende Kälte im Gesicht, der einzigen freien Stelle meines Körpers.

Neben der Röhre ist etwas Grosses zu sehen, dessen Umrisse nicht viel verraten. Ein altes Boot vielleicht oder ein abgesackter Einstieg. Wir wissen es nicht und schwimmen weiter. Am Boden steht eine Prosecco-Magnum-Flasche, als ob sie jemand extra so dahin gestellt hat. Passt ganz gut zu Tsüri denke ich schmunzelnd mit dem Atemregler im Mund. Weiter, vorbei an einem grün gewordenen Longboard, entdecken wir die berühmte «Beware of Crocodiles»-Tafel. Eric hat mir schon davon erzählt. Das klassische Gelb drückt trotz einer leichten Algenschicht noch durch. Mir fallen einige lustige Ideen ein, wie die Tafel wohl hierher gekommen ist. Vielleicht ein heimlicher Versuch australischer Tourist:innen, mit einem Heimatsouvenir den Grund des Zürichsees zu übernehmen? Oder wohl doch eher das Resultat einer ausgearteten Geburtstagsparty einer Zürcher Schifffahrtsgesellschaft? (Wer es weiss; ab in die Kommentare!)

Eric legt den rechten Zeig- und Mittelfinger auf seine linke Handfläche; wie gross ist dein Luftvorrat? Ich schaue nach und deute ihm den Wert, es ist nicht mehr viel. Er gibt mir zu verstehen, dass es Zeit ist, zurückzukehren.

Wir schwurbeln langsam nach oben und bleiben auf einer bestimmten Höhe stehen, Zeit für den Sicherheitsstopp. Meiner Erinnerung nach, sollten wir nun auf rund drei bis fünf Meter unter der Wasseroberfläche befinden. Ein Blick nach oben verrät mir nämlich kaum etwas, ausser, dass es in Richtung Helligkeit, also nach draussen, geht. Das Tauchen im See zwingt einem definitiv mehr dazu, auf die Messgeräte zu vertrauen. Ein komisches Gefühl, denn das Tauchen im Meer bietet im Vergleich eine deutlich bessere Sicht, die es einem ermöglicht, die momentane Position abzuschätzen. Man fühlt sich etwas weniger verloren und etwas mehr der Welt unter der Wasseroberfläche zugehörig.
Nach ein paar Minuten lassen wir unsere Jacken mit Luft auffüllen. Auf einmal blendet das Licht, wir sind oben.

Das Knistern des Wassers

Zurück beim Einstieg ist der Junge bereits weg, seine Flasche bleibt im See zurück. Wieder bei den Steinblöcken erzählen wir uns aufgeregt von dem Gesehenen. «Ich habe einen Fisch angefasst!», platzt es aus ihm heraus. Er dachte, es sei ein Köder, als dieser auf einmal davon schwamm. Ich selbst hab das Tierchen verpasst, denn ich war zu beschäftigt mit Tarieren, dem Herstellen eines Gleichgewichts, um den optimalen Schwebezustand im Wasser zu erreichen. Von seinem Erlebnis erzählen, kann Eric mir erst jetzt. Im Wasser wird man regelrecht zum Schweigen gezwungen. Das ist eines der Dinge, das mir daran besonders gefällt.

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Ein weiterer Tauchgang ist durch. Während wir im Wasser waren, genoss der Fotograf die Sonne auf dem Tsüri-Tüechli.

Denn während man taucht, heisst es einfach: schauen, beobachten, aufnehmen, vielleicht mal dem Tauchbuddy etwas per Handbewegung zeigen. Ansonsten herrscht Stille, begleitet vom Geräusch des Ein- und Ausatmens und einem mysteriösen Knistern, wie es das Feuer normalerweise von sich gibt. Im See war dies deutlich schwächer als ich es mir vom Tauchen im Meer gewohnt war. Woher kommt das? Wie ich nachher googelte, sind die Ursachen des geheimnisvollen Knistern noch unklar. Eine Theorie besagt aber, dass viele kleine Garnelen und Krabben das Geräusch verursachen. Zusammen mit der Begründung der veränderten Schallgeschwindigkeit des Seewassers im Vergleich zum Meerwasser, gebe ich mich mit der Erklärung vorerst mal zufrieden.

Mühsam und mit viel zu viel Anstrengung befreie mich schliesslich aus den zwei nassen Neoprenanzügen, werfe mir ein Kleid über und verstaue die Tauchausrüstung in die Tasche. Die Tauchflasche hieve ich auf meine Schulter, wo mich die Haut einen Tag später mit einem bläulichen Fleck nochmals daran erinnert. Wir schleppen das unglaublich schwere Material etwa 100 Meter weit zum Stauraum der Tauchschule beim Wassersportzentrum. Zwei Mitarbeiter der Tauchschule Poseidon kommen uns entgegen, ich übergebe die Ausrüstung dankend.

Nachdem die Ausrüstung verräumt ist, schreibt Eric die beiden Tauchgänge in sein Tauchbüchlein, dem Logbuch. Ich gebe meine Unterschrift dazu und versuche mir zu merken, mich Zuhause auf die Suche nach meinem Logbuch zu machen. Denn diese beiden Tauchgänge dürfen darin auf keinen Fall fehlen.

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