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Von Sonya Jamil

Praktikantin Redaktion

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4. Dezember 2020 um 17:09

So kommen wir den günstigen Wohnungen einen Schritt näher

2011 haben die Stimmbürger*innen der Stadt einen Auftrag erteilt: Bis 2050 muss ein Drittel der Wohnungen gemeinnützig sein. Was können wir konkret tun, um den gemeinnützigen Wohnungsbau noch mehr zu fördern?

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Die Wohnexperten im Gespräch (Foto: Emilio Masullo)

Pünktlich um 19 Uhr beginnt die Podiumsdiskussion im Kulturpark. Auf den grau gepolsterten Stühlen sitzen Anita Wymann, Präsidentin der Wogeno, Astrid Heymann, Direktorin von Liegenschaften Stadt Zürich und Mario Schnyder, Leiter der Immobilien Pensionskasse NEST. Ursina Ingold vom Radio Stadtfilter führt durch den Abend.

Knappes Bauland durch Verdichtung

Die Quote an gemeinnützigen Wohnungen liegt momentan bei gut 26 Prozent – und stagniert. Die Stadt zeigt sich wenig optimistisch, diese Zahl auf 33 Prozent hoch zu bringen. Gemäss Astrid Heymann liegt es am knappen Bauland; in einer verdichteten Stadt sei das rares Gut. Aufgrund Infrastrukturbauten sei das offensive Vergeben von Bauland für Wohnungen etwas gebremst. Die Stadt sei aber doch sehr aktiv, betont Heymann. Momentan seien 2500 Wohnungen in Planung, in den letzten vier Jahren wurden 2400 Wohnungen erstellt. Das seien eine ganze Menge, aber die Privaten seien einfach schneller im Bauen und hätten mehr Geld zur Verfügung. Anita Wymann findet die Verdichtung per se nicht schlecht und nennt das Quartier Oerlikon mit seinen Bauten und Grünflächen als «spannendes» Beispiel.

Optimale Ausnützung der Grundstücke

Auch die Pensionskassen investieren viel in Immobilien und haben einen gesetzlichen Renditedruck, weil sie unser aller Renten sichern müssen. Liegt es denn im Interesse der Pensionskassen beim Erreichen des Drittelsziel mitzuhelfen?, will Ursina Ingold wissen. «Wir würden gerne», antwortet Mario Schnyder von NEST. Als einer der grösseren Aktionäre bei der Immobilienfirma Logisuisse liegt auch ihnen fairer Wohnraum am Herzen. Jedoch sei es sehr schwierig, auf dem freien Markt Bauland zu kaufen und dieses dann günstig anzubieten. Das Bauen an sich würde überall etwa gleich viel kosten, hier mache qualitativ hochstehendes Land den Unterschied. Schnyder spricht auch von der optimalen Ausnützung der Grundstücke in der Stadt und wünscht sich hier eine Lockerung. Wenn ein ehemaliges Gewerbehaus Wohnungen weichen würde, dann könnten auch Investor*innen günstigeren Wohnraum anbieten und kämen durch die Quersubvention immer noch auf ihre Kosten.

Diese Möglichkeit sei jedoch begrenzt, findet Astrid Heymann und erwähnt den Denkmalschutz. Ersatzneubauten sieht sie zwar als effektive Lösung, diese hätten es derzeit aber relativ schwer, nicht zuletzt aufgrund Widerständen von Quartierbewohner*innen.

Ausschreibungen der Wohnungen

Viele Menschen, die in Baugenossenschaften leben, würden lieber auf eine moderne Wohnung, statt auf eine günstige Wohnung verzichten, erzählt Anita Wymann von der Wogeno, die sich früher als «Gnossi-Kind» bezeichnete. Schon lange vor dem Drittelsziel hätten sich Baugenossenschaften für gemeinnützige Wohnungen eingesetzt, meint Wymann. In der Stadt Zürich solle eine durchmischte Gesellschaft leben, nicht nur die Grossverdiener*innen.

Astrid Heymann von Liegenschaften Stadt Zürich lobt jedoch die Vorgehensweise der Ausschreibungen moderner Baugenossenschaften und betont, dass die Stadt Zürich im Gegensatz zu früher auch jede Wohnung ausschreibe. Es ist kein Geheimnis, dass die Zürcher Stadtkreise 3 bis 5 beliebte Wohnquartiere sind. Wäre es denn überhaupt möglich, hier günstigen Wohnraum anzubieten, wird Wymann gefragt. Es sei eine Herausforderung meint sie. Insbesondere, da sich die meisten Genossenschaften eher am Stadtrand befinden und die Genossenschaften mit Anfragen überrennt werden. «Ich würde Zürich wünschen, dass der Druck vom Zentrum wegkommt», ergänzt Astrid Heymann.

Tiefere Wohnstandards

Als Baugenossenschaft lege man grossen Wert darauf, die Wohnung nach Vorschriften ihrer Grösse nach entsprechend zu belegen. Ausserdem würde man, wenn nicht dringend nötig, Häuser nicht komplett neu sanieren, meint Wymann. Auch die gemeinsame Nutzung der Waschküche, was insgesamt einem tieferen Wohnstandard entspreche, würde eine Rolle spielen. Als Paradebeispiel nennt Wymann die Baugenossenschaft Kalkbreite, bei der aufgrund der Tatsache, dass man kein Auto haben darf, keine Garage gebaut werden musste und damit ein Kostentreiber wegfiel. Ausserdem gäbe es dort auch Räume zur gemeinsamen Nutzung. So gibt es zwar nicht mehr Wohnungen, doch die Anzahl Menschen, die gemeinnützig leben können, diese steigt.

Schnyder ist der Meinung, dass man durchaus wiederverwertbare Materialien im Wohnungsbau verwenden könnte, mit positiven ökologischen und ökonomischen Folgen, jedoch denkt er, dass Landmenschen weniger aufgeschlossen seien, was die gemeinsame Nutzung von Dingen angeht und von daher auch der Wohnstandard steigt. Auch Heymann findet, dass man den Wohnstandard nur bedingt senken könnte, für sie ausschlaggebend sind die Landkosten.

Vereinte Lager

Das Drittelsziel sei ein sehr eng gefasstes Ziel, findet Astrid Heymann. Hier schaue man vor allem, was die Stadt, die Baugenossenschaften und die Privaten machen würden, jedoch dürfe man nicht ausser Acht lassen, dass der Markt auch noch andere «Player» habe, die ebenfalls günstigen Wohnraum anbieten. Schnyders Ansicht nach gibt es momentan noch zwei Lager; die Baugenossenschaften und die öffentliche Hand als die Guten, und die Versicherungen und Pensionskassen als die Bösen. Der Pensionskassenvertreter wünscht sich, dass die zwei Lager vermehrt aufeinander zugehen würden:«Ohne geht es nicht!» Bei der Wogeno vertritt man diesen Ansatz bereits, in dem sie auch bestehende Häuser von Privaten kaufen, welche die Philosophie der Genossenschaft vertreten.

Es ist noch unklar, wie das Drittelsziel genau erreicht werden soll. Gewisse Ansätze wie massvolles verdichtetes Wohnen und tiefere Wohnungsstandards sind da. In Zukunft wird mit grosser Warscheinlichkeit mehr in die Höhe gebaut und die Anzahl Menschen pro Quadratmeter wird steigen. An die Konsequenzen für die Stadt, die ein Nichterreichen des angestrebten Drittelsziels nach sich ziehen würde, denkt momentan noch keine*r der Anwesenden. «In den nächsten 30 Jahren kann noch viel passieren», schliesst Astrid Heymann hoffnungsvoll ab.

Hier geht es zum Interview mit Stadtrat Daniel Leupi zum Drittelsziel.

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