Sind die Alten am Ende? Die Ära der Neo-Banken oder wie Banken sexy werden wollen - Tsüri.ch #MirSindTsüri
account iconsearch
Von Jenny Bargetzi

Praktikantin Redaktion

emailfacebook logoinstagram logo

19. Februar 2021 um 08:34

Sind die Alten am Ende? Die Ära der Neo-Banken oder wie Banken sexy werden wollen

Die Banken sind das Aushängeschild der Schweiz. Über 3000 Filialen von rund 260 Banken verteilen sich schweizweit in den einzelnen Kantonen. Auch sie kommen am technologischen Wandel nicht vorbei. Wird es den Banken gelingen, mit neuen digitalen Lösungen junges Zielpublikum zu überzeugen? Vier Gäste diskutieren über Banken als App, digitale Finanzlösungen und Möglichkeiten, die Banken sexier zu machen.

Mood image for Sind die Alten am Ende? Die Ära der Neo-Banken oder wie Banken sexy werden wollen

Journalistin und Chefreporterin Helene Obrist eröffnet das Podium über Neo-Banken und Banking-Apps. (Alle Fotos: Zana Selimi)

Dieses Mal überträgt Tsüri.ch das Podium live aus dem Karl der Grosse. Helene Obrist als Moderatorin empfängt vier Expert*innen aus dem Bereich des Geldes und der Banken. Der erste Redner ist Mathias Dirksmeier, Product Manager der im 2018 eingeführten Banking-App neon. «Den Grossbanken den Stinkefinger zeigen» ist die Message ihrer Werbung. Damit generiert neon Aufmerksamkeit und provoziert bewusst die Position der klassischen Banken.

Als erste in der Schweiz verfügbare unabhängige Konto-App bietet das Unternehmen ihren Kund*innen ein digitales Bankkonto an. Online-Banking mit allem was dazugehört. Und das, obwohl neon rechtlich gesehen gar keine Bank ist. «Neon bietet dem Kunden alles, was er mit einem normalen Schweizer Bankkonto auch machen kann. Die Kund*innen erhalten ein Konto mit einer Schweizer IBAN, können online Transaktionen durchführen und erhalten eine gebührenfreie Karte», erklärt Dirksmeier. Ganz lizenzfrei ist neon aber nicht. So liegt die Hypothekarbank mit dem Kernbankensystem in Lenzburg.

Lea Hungerbühler, Wirtschaftsanwältin und Spezialistin im Finanzmarktrecht, bestätigt: «Rechtlich gesehen ist das durchaus legitim.»

Es sei durch die strikten Regelungen nicht einfach, in der Schweiz eine Banklizenz zu erhalten. Der Marktneuling Neon habe mit seinem System einen Weg gefunden, den Kund*innen moderne und fortgeschrittene Dienstleistungen anbieten zu können, ohne die gesamten regulatorischen Vorgaben zu erfüllen.

Auch die Credit Suisse ist mit ihrer neuen App CSX als digitales Banking-Angebot auf den Zug der Apps aufgesprungen.Trotzdem stellt Markus Locher, Leiter Digital Banking CS, klar: «Eine Bank zu sein ist mehr als nur eine App.» Die Banking-Apps würden zwar den Zeitgeist treffen. Dennoch bedürfe es an Werten wie Vertrauen und Tradition, wie bei den herkömmlichen Banken.

Den Zeitgeist treffen

Das Stichwort Zeitgeist greift auch Rino Borini auf. Der FinTech-Experte ist Gründer der Plattform Finance 2.0 und Verwaltungsratspräsident von Descartes Finance. Er erklärt das Prinzip des Zeitgeistes anhand des Paradebeispiels Revolut: «Viele Banken möchten so sein wie die digitale Bankalternative und App Revolut. Es ist die Art, wie Kunden die Banken erleben wollen. Diese Innovation der FinTech-Unternehmen fehlt den grossen Banken.» Borini betont dabei die Wichtigkeit der Customer Experience, die auch Moderatorin Obrist bestätigt. Revolut sei einfach, funktioniere und sehe zudem noch gut aus. Wo liege denn der Unterschied zu neon? Das Vertrauen, dass die Person unter anderem durch die Schweizer IBAN erhalte, meint Dirksmeier. Auch Locher unterstützt diese Aussage und ist sich dem Potenzial der neuen Banking-Apps bewusst. Die Standards seien neu gesetzt worden. Es liege an den Banken, sich da anzupassen und mitzumachen.

Article image for Sind die Alten am Ende? Die Ära der Neo-Banken oder wie Banken sexy werden wollen

«Eine Bank zu sein ist mehr als nur eine App», Markus Locher (Leiter Digital Banking CS)

Die Kund*innen mit Touchpoints erreichen

Als nächstes wirft Borini die Frage auf, ob die Kund*innen ihr Geld tatsächlich bei einer Bank ohne klare Banklizenz behalten möchten. «Hier erhalte ich bei Geldfragen keinen Support. Ich schätze es aber, bei der Bank anrufen zu können, wenn ich ein Problem habe. Das ist eine Dienstleistung. Darum bin ich nicht der Meinung, dass Banking gratis sein muss, es darf einen Preis haben.»

Der springende Punkt sei dabei der Mehrwert, den die Banken den Kund*innen bieten. Indem die Bank durch individuell angepasste Touchpoints ihre Kund*innen an sich bindet, geben sie Daten preis. Der Schlüssel läge also darin, diese Kundendaten durch datenbasiertes Banking so zu nutzen, dass der «Lifestyle» der Kund*innen erfasst werde. Das sogenannte Hygienebanking – das klassische Prozesse wie Rechnungen bezahlen oder Transaktionen durchführen beschreibt – rutschte somit in den Hintergrund. Die Folge: Banking werde sexy, so Borini. Denn im Endeffekt gehe es den Kund*innen hauptsächlich darum, mit möglichst wenig Aufwand am Ende des Monats mehr Geld zu haben. Und das erfordere bei den Banken kundenorientiertes statt verkaufsorientiertes Denken, erklärt Borini.

Den Aspekt des Lifestyles betont auch Hungerbühler. Die internationalen Dienstleister fordern die Banken, ihr Angebot anzupassen. Jedoch werde es auch in Zukunft von der Bereitschaft der Kund*innen abhängig sein, die eigenen Daten preiszugeben. Es bleiben weiterhin spannende Entwicklungen, stets Hand in Hand mit den kulturellen Entwicklungen des jeweiligen Landes.

Wie klassisches Banking auch in Zukunft attraktiv bleibt

Dass die Kund*innen das klassische Banking vollständig von sich wegschieben werden, glaubt Locher nicht. Trotzdem merkt auch er: «Banking und Geld ist für die Leute wichtiger denn je. Unsere Kunden loggen sich sehr oft in die App ein. Viel öfters, als dass sie zu uns in die Filiale kommen.» Das fordere die Credit Suisse, die Anzahl ihrer Filialen anzupassen. Darum ist es wichtig, die Kund*innen auch im digitalen Bereich an sich zu binden. Borini ergänzt: «Die Banken müssen kreativer werden. Schnellere Abwicklungen, weniger Wartezeiten und attraktivere Filialen. So holen sie sich die Kunden zurück in die Filialen.»

Als filiallose Banking-App legt Neon hingegen vor allem Wert auf die Erfüllung der Bedürfnisse der User*innen. Danach kämen die zusätzlichen Dienstleistungen. Als Beispiel nennt Dirksmeier neon green. Dabei werde pro spezifisch festgesetztem Geldbetrag ein Baum gepflanzt. Die Kund*innen können selbst aktiv werden und erhalten gleichzeitig einen Service, der über das normale Banking hinausgehe. Und neon selbst profitiere natürlich auch davon.

Ein weiterer Weg, Online-Banking ansprechender zu machen, sei unter anderem der Miteinbezug der jüngeren Generation. CSX arbeite mit jungen Menschen zusammen, um das App attraktiver zu gestalten. Leider werde aber vor allem die Generation Z von den Banken oft stiefmütterlich behandelt. Verpassen die traditionellen Banken dadurch die Digitalisierung? Hungerbühler verneint. Es brauche auch in Zukunft traditionelle Banken hinter dem System. Aber es werde Entwicklungen und Veränderungen geben, auch im Bereich des Datenschutzes. Da sei die Schweiz aber bereits auf einem hohen Level. Auch wenn als Spätfolge der Finanzkrise weiterhin eine Regulierungswelle herrsche, bestehe ein Rückwärtstrend. Sprich, eine Regulierung des Finanzplatzmarktes sowie auch eine Deregulierung.

Article image for Sind die Alten am Ende? Die Ära der Neo-Banken oder wie Banken sexy werden wollen

Lea Hungerbühler und Mathias Dirksmeier über die Schwierigkeit, in der Schweiz eine Banklizenz zu erhalten.

Mit Vorsicht in Kryptowährungen investieren

Nicht zu vernachlässigen seien ebenfalls Kryptowährungen. Denn das Interesse bei den Kund*innen bestehe durchaus, bestätigt Borini. Die Banken blieben aber nach wie vor vorsichtig. Hungerbühler erklärt diese Vorsicht als Folge von illegalen Geschäften oder hohen Summen von Geldverlusten. Der Umgang mit Kryptowährungen könne gefährlich sein, da viele Personen noch zu wenig Wissen über das Kryptogeschäft haben. Trotzdem wünscht sich Borini eine weniger abwehrende Haltung und mehr Offenheit von Banken gegenüber Kryptowährungen. Die Finanzindustrie trage Verantwortung, mit ihren finanziellen Services die Kund*innen auszubilden und das Thema die Hand zu nehmen.

Zusammengefasst brauche es weniger Informationsüberlastung, mehr Simplifizierung für Kund*innen und mehr datenbasiertes Bankingseitens der Banken. Denn das käme letztendlich wiederum den Kund*innen zugute. Bei der modernen Entwicklung mitzumachen sei wichtig, ansonsten würden einige traditionelle Banken den Sprung in die Welt der Neo-Banken verpassen.

Podium verpasst? Hier kannst du es nachschauen.

Dieser Artikel wurde automatisch in das neue CMS von Tsri.ch migriert. Wenn du Fehler bemerkst, darfst du diese sehr gerne unserem Computerflüsterer melden.

Das könnte dich auch interessieren