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11. April 2022 um 06:46

Podium «Silicon Limmattal»: weniger Bescheidenheit, mehr riskieren

Bei der Veranstaltung «Silicon Limmattal» wurde über den Tech-Sektor und die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt der Stadt Zürich diskutiert. Die Podiumsgäste plädierten für mehr Risikobereitschaft und weniger Bescheidenheit.

(Bild: ZVG/Stadt Zürich)

Die Stadt Zürich lockt IT-Giganten an: Google, Microsoft, Zalando, Facebook und Co. Was bedeutet der Silicon Valley Wind für das Arbeiten und Leben in Zürich? Unter dieser Frage diskutierten vergangenen Mittwochabend an einer Veranstaltung der Stadt Zürich prominente Gäste: Anna Schindler, Direktorin Stadtentwicklung Zürich, Dorian Selz, Mitgründer und CEO Squirro, Arijana Walcott, Gründerin und Managing Partner Dartlabs, Patrick Warnking Country Director Google Schweiz und Roger Wüthrich-Hasenböhler, Chief Digital Officer Swisscom. Das ordentlich besuchte Podium fand im Google Gebäude an der Europaallee statt und wurde von SRF-Moderatorin Kathrin Hönegger moderiert.  

Das Eingangsreferat hielt Tobias Straumann, Privatdozent am Historischen Seminar der Universität Zürich. Er fasste drei Faktoren zusammen, die für die Schweizer Wirtschaft seit je her antreibend und erfolgversprechend seien:  Bildung, Forschung und Immigration. Diese drei Faktoren seien für eine vielversprechende wirtschaftliche Zukunft massgeblich. Deshalb ist er überzeugt: «Zürich ist extrem gut positioniert». Seiner Meinung nach benötige es allerdings in puncto Immigration eine Reformidee: «Es ist wichtig, mit Fachkräften aus Drittstaaten neue Wege zu suchen, dass diejenigen, die hier studiert haben, auch hierbleiben und arbeiten dürfen.»

Welchen Wind des Silicon Valley's hat Zürich bereits aufgegriffen? Wo zeigen sich dabei die Schatten- und wo die Sonnenseiten? Fest steht: Zürich macht bereits vieles richtig. Arijana Walcott meinte, dass nicht nur der Schweizer Habitus von Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit im Ausland enorm geschätzt werde. Auch die Infrastruktur, der Standort, die Ausgewogenheit zwischen Natur und Stadt und die guten Löhne sprächen für die hiesige Tech-Wirtschaft. Ausserdem entstehe durch die ETH viel Knowhow und durch die überschaubare Grösse der Stadt seien viele gut ausgebildeten Fachpersonen an einem Ort.  

Förderung der Mint-Fächer bei Frauen

Trotzdem bringt der West-Wind auch Schattenseiten mit sich: «Google bezahlt Studienabgänger:innen ein Jahresgehalt zwischen 120'000 und 150'000 Franken, wohingegen ein Start-up ihre Mitarbeitenden mit nur gerade mal die Hälfte dieser Summe entlöhnen kann», sagt Patrick Warnking, Country Director Google Schweiz. Obschon Start-ups ihre Mitarbeiter:innen nicht mit hohen Gehältern anlocken können, sind sie als Arbeitgebende dennoch attraktiv: «Wer bei einem Startup arbeitet, der kann von Anfang an dabei sein, mitgestalten und Visionen umsetzen», so  Roger Wüthrich-Hasenböhler, Chief Digital Officer Swisscom.

Das Problem beginnt jedoch gemäss den Expert:innen nicht erst beim Berufseinstieg, sondern bereits bei der Studienwahl. «Die Mint-Fächer (Anmerkung der Redaktion: Mathematik, Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften und Technik) müssen gefördert und sichtbar gemacht werden», sagt Wüthrich-Hasenböhler weiter. Insbesondere Frauen soll der Zugang und das Potenzial der Mint-Bereiche nähergebracht werden. Weiter wurde die mangelnde Risikobereitschaft der hiesigen Jungunternehmer:innen diskutiert, was nicht zuletzt auf ihre Schweizer Bescheidenheit zurückzuführen sei. Was sie stattdessen brauchen ist «Biss, Durchhaltevermögen und die Möglichkeit, gross zu denken.»

(Bild: ZVG/Stadt Zürich)

Die rund 90-minütige Diskussion ergab, dass über Zürich ein eigener, also ein «Züri» Wind wehe und dieser bereits auf dem richtigen Kurs sei. Für die Stadt Zürich und ihre Wirtschaftsgeschichte ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Stärke dieses Luftstroms in Zukunft nachlassen wird. Wichtig ist, dass er die hiesige Wirtschaft auffrischt, in dem er den Nachwuchs – insbesondere in den Mint-Bereichen – fördert, und die Schweizer Bescheidenheit etwas fortbläst und stattdessen ermutigt, gross zu denken. 

Unter dem Titel «Stadt der Zukunft» widmet sich die Stadtentwicklung Zürich jedes Jahr einem anderen Schwerpunkt und greift wichtige Trends und Treiber der wirtschaftlichen, sozialen und räumlichen Stadtentwicklung auf. Im Rahmen der vierten Durchführung betrachtet die Stadtentwicklung den Wirtschaftsstandort Zürich. Am 9. Mai 2022 findet die nächste Gesprächsrunde zur nachhaltigen Wirtschaft in Zürich statt. Anmelden kann man sich hier

Passend zum Thema, der Artikel vom vergangenen November: Big Tech in Zürich: Kommt das Silicon Limmattal?

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