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Von Steffen Kolberg

Redaktor

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29. März 2022 um 04:00

Seefeld-Recherche: Wie der Krieg die Mietpreise steigen lässt

Der Krieg gegen die Ukraine führt nicht nur zu höheren Benzinpreisen. Auch die Mieten werden teurer, wegen höherer Preise für Öl und Gas und wegen der Inflation. Und auch die Geflüchteten, die hier ankommen, brauchen Wohnraum. Wir haben einen Immobilienberater gefragt, was das alles bedeutet.

Wie schnell können wir uns von Öl und Gas lösen? (Foto: Sigmund / Unsplash)

Während der Auswertung unserer Seefeld-Recherche wurden wir, wie alle anderen auch, vom Ausbruchs des Kriegs gegen die Ukraine überrascht. Nachdem sich der von Putin als «militärische Spezialoperation» anvisierte Blitzkrieg in einen Stellungskrieg mit grossflächigen Zerstörungen und massiven Angriffen auf die Zivilbevölkerung verwandelt hat, ist klar: Was dort passiert, wird uns noch lange beschäftigen.

Angesichts der grossen Zahl von Geflüchteten, die inzwischen Zürich erreichen sowie der massiv gestiegenen Energiekosten ist auch klar: Der Krieg wird eine Auswirkung auf den Immobilienmarkt, den Einbau von Heizsystemen und die Gestaltung der Mietzinsen haben. Auf Dinge also, mit denen wir uns auch in der Seefeld-Recherche eingehender beschäftigen.

Kürzlich hat das Immobilienberatungs-Unternehmen IAZI seine jährliche Immobilienstudie veröffentlicht und ist darin auch auf die Folgen des Krieges eingegangen. Wir haben mit Donato Scognamiglio, CEO des Unternehmens, über den Einfluss der Ereignisse auf den schweizerischen, und damit letztlich auch auf den Seefelder Immobilienmarkt gesprochen.

Steffen Kolberg: Im Zürcher Seefeld wird, wie in weiten Teilen der gesamten Schweiz, noch grossflächig mit Öl und Gas geheizt. Was bedeuten die momentan steigenden Energiepreise voraussichtlich für die Mieter:innen?

Donato Scognamiglio: Rund 70 Prozent der Schweizer:innen heizen mit Öl und Gas. Ich vermute, das wird im Seefeld ähnlich sein wie in der ganzen Schweiz. Die steigenden Energiepreise bedeuten eine Zunahme nicht auf der Seite der Nettomiete, sondern der Nebenkosten. Wenn Sie zum Beispiel eine 2.5-Zimmer-Wohnung mit 70 Quadratmetern haben, dann hat die, vielleicht nicht im Seefeld, aber in Bülach, eine Jahresmiete von rund 20’000 Franken, also etwa 1’500 Franken im Monat. Die Nebenkosten betragen erfahrungsgemäss 10 bis 15 Prozent, nehmen wir hier also 2’500 Franken pro Jahr. Bei einer solchen Wohnung entfallen etwa 40 Prozent der Nebenkosten auf das Öl. Bei den Energiekosten haben wir hier jetzt eine Verdoppelung. Damit gehen die gesamten Nebenkosten um etwa 35 Prozent nach oben. Aus Eigentümer:innensicht reagieren die Mieten selbst nicht wesentlich. Aber für die Mieter:innen ist natürlich der Gesamtbetrag im Fokus: Ihre Ausgaben nehmen wegen der Nebenkosten zu.

Gibt es auch einen Effekt bei der Nettomiete?

Ja. Denn wir haben im Moment eine Inflation von 2.2 Prozent. Gemäss dem Mietrecht darf die Eigentümer:in 40 Prozent der Inflation auf die Mieten überwälzen, sofern sie auch vorher immer alle Anpassungen gemacht hat. Konkret heisst das, dass die Mieten für jene, bei denen die Anpassung immer korrekt gemacht worden ist – das ist etwa ein Drittel der Mieter:innen – um rund ein Prozent steigen. Dann gibt es noch einen weiteren Effekt: Wenn die Inflation weiter zunehmen wird, können Sie davon ausgehen, dass wir auch Zinssteigerungen haben werden. Wenn man sich die heutigen langfristigen Hypothekarzinsen anschaut, sind diese schon ziemlich stark angestiegen, weil man Zinserhöhungen erwartet. Das fliesst ein in den Referenzzinssatz. Kurzfristig gehen also die Nebenkosten hoch, dann führt die Inflation bei einem Drittel der Mieter:innen zu einem leichten Anstieg der Mietzinsen, und mit einer Zeitverzögerung von rund zwei Jahren wird sich der Referenzzinssatz bewegen. Dort kann die Miete pro Viertelprozent um 3 Prozent steigen.

In Deutschland geht man davon aus, dass sich der Krieg wegen anhaltender Zulieferprobleme auch auf die Bauwirtschaft auswirkt. Ist das auch in der Schweiz so?

Ja, das ist so. Wir haben ja schon länger einen starken Anstieg der Preise für Öl und Gas, aber auch für Stahl, Holz oder auch Dinge wie Küchengeräte. Die Dachorganisation Bauenschweiz hat kürzlich ihre Medienmitteilung veröffentlicht. Da wurde jetzt schon darauf hingewiesen, dass fast alles teurer wird. Man kann also davon ausgehen, dass Sanierungen herausgeschoben werden, dass Leute ihren Öltank jetzt nur zur Hälfte füllen und dass es einen Effekt hat auf den Konsum insgesamt.

Wenn man jetzt auf den nächsten Winter unabhängig von Russland werden will, muss man kräftig Gas geben

Donato Scognamiglio, IAZI AG

Gleichzeitig liest man davon, dass sich der Trend zum Einbau von Wärmepumpen massiv verstärkt hat, so dass Eigentümer:innen für den Einbau jetzt schon bis zum nächsten Jahr warten müssen.

Es gibt zwei Effekte bei der Loslösung von Öl und Gas. Der eine ist, dass jede:r, die:der jetzt Rechnungen zahlen muss, sich für nachhaltige Energielösungen interessiert. Wobei dafür aber die Fachkräfte gar nicht immer im notwendigen Ausmass da sind. Der zweite Effekt ist der, dass man versucht, die Atomkraft wieder grün anzustreichen und salonfähig zu machen, um den Ausstieg aus fossilen Energieträgern zu schaffen. Es ist eine Sache, so einen Umbau über mehrere Jahre zu planen. Doch wenn man jetzt auf den nächsten Winter unabhängig von Russland werden will, muss man kräftig Gas geben.

Ist denn davon auszugehen, dass sich beim Fachkräftemangel bei Heizungsinstallateuren etwas verbessern wird, so dass sich die Dinge beschleunigen können?

Kurzfristig nein. Man kann dafür nicht einfach Irgendjemanden nehmen. Und ich glaube auch nicht, dass aus der Ukraine so viele Fachtechniker gekommen sind, die da einspringen könnten.

Das bedeutet, dass dieser Mangel sich dann am Ende auch wieder auf den Preis auswirkt.

Absolut. Die Wärmepumpen werden nicht gleich teuer bleiben. Die hohe Nachfrage wird die Preise in die Höhe treiben.

In unsicheren Zeiten wie diesen gelten Immobilien ja als sichere Wertanlage. Kann der Krieg den schon lange bestehenden Trend zum Immobilieninvestment noch verstärken und damit auch nochmal die Preise ankurbeln?

Wenn Sie eine Immobilie haben, die Sie vermieten, zum Beispiel ein Büro- oder Mehrfamilienhaus, dann haben Sie damit eine Inflationsabsicherung. Sie haben durch die Inflation zwar höhere Kosten, können diese aber überwälzen – bei Büroliegenschaften zu 100 Prozent, bei Wohnimmobilien zu 40 Prozent. Das haben Häuschenbesitzer:innen und Mieter:innen nicht, sie können das Niemandem überwälzen. Was ich aber als Häuschenbesitzer:in habe, ist der steigende Wert meines Vermögens. Als Sparer:in habe ich dagegen bei einer Inflation nur Verluste.

Die Schweiz hat genug Bauland, wenn sie will. Es ist nur eine Frage des politischen Willens

Donato Scognamiglio, IAZI AG

Im Moment kann man aber sagen, dass sich der Trend zum Immobilieninvestment sogar noch verstärkt durch die Unsicherheit?

Aktuell ja, in dem Sinne, dass vor allem die profitieren, die jetzt schon haben. Die, die jetzt einsteigen, gehen dafür ein hohes Zinsrisiko ein. Wenn der Zins irgendwann dreht, dann kann eine teuer eingekaufte Renditeliegenschaft beachtlich an Wert verlieren.

Als Folge des Krieges kommen auch sehr viele Geflüchtete aus der Ukraine in der Schweiz an. Inzwischen geht man von Hunderttausenden aus, die ja auch Wohnraum hier brauchen. Kann man schon abschätzen, was das für den Immobilienmarkt und die Mietpreise in Ballungsgebieten wie Zürich bedeutet?

Grundsätzlich wird ein Teil dieser Personen hier bleiben, Stellen suchen und hier zur Wertschöpfung beitragen. Wir haben hier in der Schweiz 70’000 leere Wohneinheiten. Aber es wird eine Mehrnachfrage da sein und zu einem höheren Flächenbedarf führen, was den Immobilienmarkt noch weiter stützt. Diese Mehrnachfrage wird man nicht in Zürich abdecken können, sondern in der Agglomeration. Es ist nicht so, dass das nicht ginge, bei einer höheren Nachfrage kann auch mehr gebaut werden. Die Schweiz hat genug Bauland, wenn sie will. Es ist nur eine Frage des politischen Willens.

Redaktionelle Mitarbeit: Marc Engelhardt, CORRECTIV CrowdNewsroom

Dieses Projekt wird unterstützt von JournaFONDS – Bündnis für Recherche und Reportage und der Stiftung Mercator Schweiz. 

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