Scharmützel beim Helvetiaplatz: Ein Drama in 2 Akten - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Simon Jacoby

Co-Geschäftsleitung & Chefredaktor

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3. Mai 2015 um 11:37

Scharmützel beim Helvetiaplatz: Ein Drama in 2 Akten

Der 1. Mai in Zürich



Personen: Polizei in Uniform, Polizei in Zivil, Publikum, revolutionäre Demonstranten

Prolog

Wie beiläufig trudeln die Protagonisten auf dem Helvetiaplatz ein. Die revolutionären Demonstranten bauen sich in der Mitte auf: Mit Megafon und Musik. Um sie herum vermischen sich die Statisten und das Publikum zu einem bunten Haufen von 200-300 Personen. Es ist ein interaktives Theater: Die Grenzen zwischen Publikum («Gaffer») und den Nebendarstellern sind bis zum Ende des Stücks nicht mehr klar zu ziehen.

Es ist ein klassisches Vorspiel: Der Zweck besteht nur darin, die Stimmung anzuheizen, damit der spätere Höhepunkt sehnlicher erwartet wird.

1. Akt

Die Stars der Gruppe sind nun vermummt, Schilder und Transparente werden in die Luft gehalten, der Pulk bewegt sich auf die Stauffacherstrasse.

Plötzlich schlägt die bisher fast unsichtbare Polizei zu: Innert zwei bis drei Minuten ist der Platz umstellt. Die Demonstranten rufen Parolen, sehen aber nach ein paar Minuten ein, dass an einen Umzug nicht mehr zu denken ist und ziehen sich langsam zurück. Die Staatsgewalt spielt die Karte der sanften Repression: Optisch und zahlenmässig völlig überlegen, aber bisher noch ohne Handlung. Die drei Wasserwerfer stehen zwar rum und machen einen guten Eindruck, sie bleiben aber ungenutzte Requisiten. Zuschauer können die Blockaden für die Pause verlassen, einige Statisten und Demonstranten gönnen sich ebenfalls eine Verpflegung. Die Hauptdarsteller der Polizei und der Demonstranten positionieren sich neu: Beide ziehen sich etwas zurück – die einen auf das Kanzlei-Areal, die anderen an die Eingänge des Platzes. 

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Ein von Steff Baumgartner (@20thcenturyphoto) gepostetes Foto am



2. Akt



Der eigentliche Höhepunkt des Schauspiels. Der Helvetiaplatz ist leer. An den Seiten beim Volkshaus und gegenüber beim Brunnen haben sich die Zuschauer in eine gute Position gebracht. Unter sie mischen sich Polizisten in Zivil: Jene mit den grossen Kameras, um die Demonstranten archivieren zu können und die sogenannten Greifer – ausgestattet mit Velohelm, Pfefferspray und übergrossen Sonnenbrillen. Diese bringen sich in Position, um Demonstranten zu pflücken.

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Ein von Steff Baumgartner (@20thcenturyphoto) gepostetes Foto am



Das nun folgende Spektakel spielt zwischen einer Handvoll Demonstranten und einem Grüppchen Polizisten: Mit Fackeln, Steinen und Flaschen bewaffnet wagen sich einige Revolutionäre aus der Deckung bis auf die Mitte des Platzes und provozieren die Staatsgewalt, deren Einstellung an Arbeitsverweigerung grenzt. Ein Stein fliegt, das Publikum johlt und applaudiert – das Gummigeschoss fliegt zurück, der Demonstrant rennt, die Zuschauer klatschen.

So geht das eine gute Stunde hin und her: Die Polizei wagt sich zögerlich bis in Wurfdistanz zu den Demonstranten, diese werfen Flaschen, die Männer am Gummischrotgewehr bewegen sich in Formation wieder zurück.

Nebenhandlung: Der Platz ist wieder leer, alle sind in Position, ein Mann löst sich aus dem Publikum, geht auf den Platz und beschimpft die Polizei. Diese will aber nicht mitspielen. Die Zuschauer sind entzückt und applaudieren wieder.

Nebenhandlung 2: Eine brennende Fackel und ein Demonstrant bewegen sich auf den Platz. Hinter ihm hüpft eine junge Frau über den Zaun vom Kanzlei-Areal und rennt von hinten auf die Fackel mit dem Mann zu und will die beiden trennen. Der Mann schlägt die Frau weg, diese stürzt zu Boden, das Publikum kreischt begeistert.

Epilog



Ein ereignisloses Drama plätschert seinem Ende entgegen. Nach der verhinderten Demo auf dem Helvetiaplatz hatte niemand mehr so richtig Lust, die Situation eskalieren zu lassen. Die Demonstranten wollten demonstrieren, das hat nicht geklappt. Die Ruhe kam viel eher von der Übermacht und der Passivität der Polizei, die dieses interaktive Theater mit dem Kessel rund um den Platz erst ermöglichten.



 

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Ein von Luis Hartl (@twoshortly) gepostetes Foto am


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