Radio Megahex.fm: politisch, subjektiv, radikal - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Sonya Jamil

Praktikantin Redaktion

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14. Januar 2021 um 15:00

Radio Megahex.fm: politisch, subjektiv, radikal

Seit April 2020 hat Zürich ein neues Online-Radio: Megahex.fm. Angetrieben durch die Corona-Krise informieren die Macher*innen unter anderem über die Missstände in der Stadt – Musik von unabhängigen Labels und spannende Talks dürfen dabei aber nicht fehlen.

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Die Collage hat das Kollektiv extra für diesen Tsüri.ch-Beitrag angefertigt.

Zürich hat unzählige Kollektive – was treibt diese an, wie sind sie organisiert und wie haben sie das Jahr 2020 erlebt? Wir haben es in dieser Serie für dich herausgefunden.

«Jede Woche neue Gäste für Rage, Fun, Jammern und spannende Geschichten über das Leben im Kapitalismus» so lautet der Beschrieb der Sendung «WastedTalk mit Namila», welche seit Dezember auf dem selbsternannten Pirat*innen-Radio Megahex.fm ausgestrahlt wird. Megahex.fm beschäftigt sich mit Themen, die in der Gesellschaft für einen Aufschrei sorgen, wie zum Beispiel die Situation der Flüchtlinge in den Bundesasylzentren in Zürich. «Close Bunker Urdorf NOW» fordert das Radio unter anderem auch auf ihrem Instagram-Account auf, dem zurzeit 1.5 Tausend Menschen folgen. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist es dem Radio, die Gentrifizierung der Stadt zu thematisieren. Das Radio ist politisch, subjektiv und radikal heisst es auf ihrem Twitter-Account. Das Kollektiv hat jedoch nicht nur einen aktivistischen Blick, sondern experimentiert auch gerne mit unterschiedlicher Musik, Podcasts und News-Formaten. Sollte einmal kein Programm laufen, schaffen die «Comrades» von Radio Megahex.fm In Form von «kein.fm» Abhilfe und sorgen für Beiträge im Online-Radio.

Im Zentrum steht die Community, verriet Megahex schon in einem früheren Interview mit Tsüri.ch – diese soll auch in den nächsten Jahren weiter wachsen und stärker werden. Das Web-Radio kommt bei den Menschen da draussen an, und sie wollen sich immer mehr einbringen. Das Radio selbst ist inspiriert von antikapitalistischen, antirassistischen und feministischen Bewegungen in der Stadt. Damit bei Radio Megahex. fm alle Teilnehmenden an einem Strang ziehen, ist die Basis des vielseitigen Kollektivs ihre Freundschaft. Kollektivität hat für sie auch immer eine gesellschaftliche Dimension. Das heisst, es geht ihnen nicht nur um die innere Logik der Gruppe, sondern auch um Kollektivität als Fels in der Brandung gegen die Individualisierung in der Ära des Neoliberalismus.

Tsüri.ch: Radio Megahex, das Jahr 2020 in drei Worten?

Radio Megahex: Abolish the police!

Was für Herausforderungen hat die Corona-Krise mitgebracht – und wie seid ihr damit umgegangen?

Es herrschte schon vor Corona Notstand. Die Idee und Planung von Megahex war schon ungefähr ein Jahr lang im Gange, als der Lockdown in der Schweiz verkündet wurde. Dieser hat uns dazu bewegt, bereits anfangs April mit megahex.fm online zu gehen, anstatt erst im Sommer 2020. Die Motivation dahinter war unter anderem, der räumlichen Trennung durch den Lockdown entgegenzuwirken. Mit dem Onlineradio wollten wir die politischen und kulturellen Aktivitäten bzw. den Austausch verbinden und weiterführen. Andererseits wollten wir auf linke und solidarische Medien, Plattformen und Organisationen aufmerksam machen, welche sich kritisch mit der Corona-Krise und deren Umgang auseinandersetzten bzw. ein Konternarrativ zur Vormacht der bürgerlichen Medien erzählen. So entstand beispielsweise während dem ersten Lockdown die Infosendung «Corona Total», welche die Frage stellte: ‘Wer soll für die Krise bezahlen?’ Zusätzlich läuft jeden Donnerstag um 8 Uhr die Megahex Morgenshow, welche nebst gemächlichem Einstieg in den Tag über Aktuelles berichtet.

Was ist eure Message als Kollektiv?

Es gibt viele Misstände, deren Bekanntmachung und Bekämpfung uns ein Anliegen sind. Zum Beispiel ist das Bundesasylzentrum, welches auf dem Duttweilerareal steht, ein Sinnbild für das restriktive Migrationsregime der Schweiz. Die Geflüchteten, die darin untergebracht sind, werden verwaltet, das heisst, sie werden nicht als Menschen mit Träumen, Ideen, Forderungen oder Ängsten behandelt, sondern als blosse Fälle, die abgearbeitet werden müssen. Täglich sind sie Polizeikontrollen ausgesetzt und verfügen über keinerlei Privatsphäre. Noch schlimmer sind die Zustände in der Notunterkunft in Urdorf. Dort werden Geflüchtete in einem Luftschutzbunker quasi inhaftiert.

Der grosse Aufschrei aus der breiten Gesellschaft bleibt aus, dabei steht der verantwortliche Politiker des Kantons Zürich Mario Fehr bald vor dem Bundesgericht. Mit Megahex stehen wir den solidarischen Kämpfen gegen diese rassistische Politik nahe. Ein weiteres Beispiel, welches ihr von Tsüri.ch neulich auch thematisiert habt, ist die Gentrifizierung unserer Stadt. Im Namen der Profitmaximierung kaufen grosse Investoren Immobilien und verdrängen dadurch lohnabhängige Menschen aus den Quartieren. Das geht gar nicht. Die Stadt gehört uns allen! (Btw: Unser Studio ist Teil des besetzten Kochareals, ein Ort des Widerstandes gegen kapitalistische Stadtaufwertung)

Dies waren zwei sehr konkrete Beispiele. Missstände, die es zu benennen gilt, oder Gründe, sich politisch zu organisieren, gibt es aber unzählige. Megahex soll auch so funktionieren, dass eine Vielzahl an Messages aus unterschiedlichen Ecken verbreitet werden können.

Wer oder was inspiriert euch?

Uns inspirieren die Menschen und die Bewegungen rund um Megahex, welche sich mit unterschiedlichsten Praxen für ein antikapitalistisches, antirassistisches und feministisches Zusammenleben einsetzen. Ein Beispiel dafür ist der Klimastreik, welcher sich von der Covid-Krise nicht kleinkriegen lässt und mit der Besetzung des Bundesplatzes die Bühne der Öffentlichkeit zurück erobert hat. Oder die feministische Bewegung, welche einen unerbittlichen und internationalistischen Kampf gegen die lange Geschichte des Patriarchats führt. Natürlich ist es auch inspirierend, dass mit der BLM Bewegung und den erstarkenden Migrationskämpfen auch in der Schweiz eine grosse antirassistische Bewegung angekommen ist. Schliesslich wurden mit Demonstrationen mit über 10’000 Menschen im vergangenen Juni so viele Menschen mobilisiert wie selten in der Schweizer Geschichte!

Dazu kommt, dass verschiedenste politische Gruppen ständig wichtige und spannende Informationen produzieren. Wir möchten mit Megahex diese Stimmen vertonen, zusammenbringen und somit ein gemeinsames Organ unterschiedlicher linker Bewegungen, Aktionen oder Organisationen sein. Gleichzeitig soll das Radio Platz zum Experimentieren bieten. Gute Beispiele dafür sind Sendeformate wie «Burn Out Dream» oder «Channel Gekko». Die Ideen und die Produktionen, welche Menschen zu Megahex tragen, flashen uns immer wieder. Zusätzlich gibt es unzählige inspirierende Musiker*innen in der Stadt und bald wird auf Megahex nebst Radiosendungen ein kuratiertes Musikprogramm laufen.

Weshalb tut ihr das, was ihr tut in Zürich – und nicht in einer anderen Stadt?

Irgendwo muss man ja anfangen...

Zahlt ihr euch einen Lohn aus?

Nein, wir sind ein 100 Prozent unkommerzielles Projekt. Unsere wenigen Einnahmen fliessen in den Erhalt von Megahex. Meistens reichen diese aber nur knapp aus. Daher machen wir gerne an dieser Stelle darauf aufmerksam, dass wir Spenden entgegen nehmen.

Waren die Stadt und ihre Bewohner*innen bislang gut zu euch?

Es kommen immer mehr Menschen auf uns zu, die Ideen für Livestreams oder sonstige Produktionen haben. Dies ist sehr bestärkend, denn offenbar besteht eine Nachfrage für ein Onlineradio wie Megahex: Eine Möglichkeit, Inhalte in einem selbstorganisierten, politisch ausgerichteten und unkommerziellen Rahmen zu produzieren und zu teilen.

Gerade in den vergangenen Wochen konnten wir beispielsweise mit dem wöchentlichen Stream der Podcast-Serie «Truth to Power» von Ana Sobral beginnen, oder wir konnten die neue Late Night Sendung «WastedTalk mit Namila» in unser Programm aufnehmen, was uns extrem freut.

Was war euer schönster und/oder prägendster Moment seit der Gründung?

Es gab viele schöne Momente wie zum Beispiel die Eröffnung vom Radiostudio bzw. von dem Raum, in dem sich unter anderem das Studio befindet. Megahex, welches seit dem 9. April vor allem online auftrat, hat nun seit dem September 2020 auch die Türen zum Studio geöffnet. Die Eröffnung war ein erster Moment, an dem sich das erweiterte Netzwerk rund um Megahex physisch treffen und austauschen konnte.

Was auch immer wieder richtig motiviert, sind Rückmeldungen von Hörer*innen oder wenn sich Menschen mit ihren Ideen an uns wenden. Manchmal ist es schwierig sich hinter dem Mikrofon vorzustellen, wer oder wie viele eigentlich zuhören – und umso toller ist dann, wenn klar wird, dass Menschen die Sendungen tatsächlich hören.

Wie geht ihr als Gruppe kollektiv mit Entscheidungsprozessen um?

So lange diskutieren, bis eine Lösung da ist. So wenige Hierarchien wie möglich. Der Umgang mit Entscheidungsprozessen ist aber per se wohl ein ewig wandelnder Prozess... und natürlich gibt es dabei Schwierigkeiten. Diese sind aber abhängig von diversen Faktoren und je nach Situation so unterschiedlich, was nicht wirklich mit Vorgehen-nach-Plan lösbar ist. Manchmal ist es eben auch etwas chaotisch.

Was wünscht ihr euch von Zürich?

Wir wünschen – besser gesagt – wir fordern von Zürich, dass sie als reiche Metropole ihre historische Verantwortung ernst nimmt. Illegalisierte Menschen sollen regularisiert werden, so dass sie Teil an den demokratischen Prozessen haben können. Kein Mensch ist illegal! Die Wirtschaft, also die Produktion und Verteilung der Ressourcen muss radikal demokratisiert werden. Angesichts der gegenwärtigen Krisen ist ein radikaler Umbau zu einer sozialen und ökologischen Gesellschaft überfällig. Hierbei sollte Zürich als gutes Beispiel für die Schweiz sowie die internationale Gemeinschaft vorangehen. Wenn das nicht klappt, wollen wir wenigstens ein gratis Studio im Stadtzentrum mit Pool auf dem Dach!

Ihr seid es, die unsere Stadt zu der machen, die sie ist. Sie beleben – kulturell, aber auch politisch. Was plant ihr für das kommende Jahr?

Wie gesagt, gibts bei Megahex.fm bald rund um die Uhr Musik. Viele Labels und Künstler*innen werden mit ihren Musiksendungen unser Programm komplettieren. Des weiteren bauen wir eine politische Info-Redaktion auf. Als ein Teil der sozialen Bewegungen wie dem Klimastreik, der feministischen Bewegung und anderen antikapitalistischen Kämpfen wollen wir von den kommenden Protesten und Demonstrationen berichten. Dafür suchen wir noch Leute. Falls wir dein Interesse geweckt haben, melde dich unter [email protected]. Wir freuen uns darauf!

Serie «Zürcher Kollektive»
Immer mehr Menschen dieser Stadt schliessen sich zu einem Kollektiv zusammen. Für diese Serie wollten wir wissen: Was treibt diese Menschen an? Wie gehen sie mit Entscheidungsprozessen um? Wie haben sie, die das kulturelle Leben dieser Stadt prägen, das Jahr 2020 gemeistert? Und was ist trotz der widrigen Umstände für die kommenden Monate geplant?

1. Was ist eigentlich ein Kollektiv?
2. Urban Equipe
3. Ziegel oh Lac
4. Organ Tempel
5. Zentrum für kritisches Denken
6. Jungthaeter
7. Vo da.
8. Literatur für das, was passiert
9. F 96
10. Tempofoif
11. Regula Rec
12. Lauter
13. Tauchstation
14. Radio Megahex
15. Fagdom

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