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Von Conradin Zellweger

Redaktor

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3. August 2015 um 09:05

Polizeiübergriffe auf diesen linken Journalisten machten weltweit Schlagzeilen

Zürich in den 80er-Jahren

Miklós Klaus Rózsa arbeitet seit 1973 als Journalist. Einen Namen machte er sich durch seine Pressebilder, die weltweit gedruckt wurden. Als Linker geriet er immer wieder in die Kritik, nicht objektiv zu berichten. Er zog mehrmals wegen Polizeiübergriffen gegen ihn vor Gericht. Er fotografiert und schreibt auch für tsüri.ch.

[Update 4.4.2017: Diese Woche kommt der Dokumentarfilm « Staatenlos - Klaus Rózsa, Fotograf» in die Kinos. Er zeigt die Lebensgeschichte unseres Fotografen.]

«Mir wurde am Telefon gesagt, das Hotel International stehe in Flammen. Ich raste wie ein Irrer nach Oerlikon und war fürchterlich enttäuscht von dem Rauchwölkchen, das aus dem obersten Stock kam. Die Bilder waren nicht so spektakulär, aber da starben sechs Menschen in Zürich am helllichten Tag. Die Filme schickte ich mit dem Taxi in die Agentur. Dort wurden die Bilder entwickelt. Mit einem Bildabtastgerät wurden die Bilder Pixel um Pixel abgetastet. Die Qualität war mies. Über die Telefonleitung wurden die Daten den Bildredaktionen geschickt. Grundsätzlich liebe ich das digitale Fotografieren, ein riesen Fortschritt für die Pressefotografie. Es bringt aber auch viele qualitativ schlechte Bilder in die Medien. Es gibt fast für jedes Bild eine günstigere, meist schlechtere Alternative.

Hotelbrand International Zürich Das Hotel International in Zürich Oerlikon brennt, sechs Menschen verlieren dabei ihr Leben.

Ich war getrieben von der Idee, den Leuten mit meinen Pressebildern die Wahrheit zu zeigen. Gross geändert hat sich diese Einstellung nicht. Einige Illusionen von damals sind verflogen. Nach meiner Lehre als Fotograf machte ich noch die Meisterprüfung an der Kunstgewerbeschule. Meinen ersten Kontakt mit dem Schreiben hatte ich 1973, noch während der Ausbildung. Für die TAT (Anm. d. R. ehemalige Schweizer Tageszeitung) schrieb ich eine Reportage über die Jesus People. Die Reportage wurde unverändert gedruckt. Es gab zahlreiche, fürchterliche Leserbriefe auf diesen Text, worauf mir der Chefredaktor eine Stelle anbot. Ich lehnte ab. In den Jahren danach schrieb und fotografierte ich für die meisten Zürcher Zeitungen als freier Journalist. Ich habe bei allen Alternativmedien mitgemacht. Fotografieren war meine Leidenschaft, das Schreiben war für mich immer einen «huere Chrampf».




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In den 80ern arbeitete ich für die Associated Press. Ich hatte oft Wochenendpikett und wartete auf Aufträge von der Agentur. Im Sommer wollte ich nicht an mein Telefon zuhause gebunden sein. Ich kaufte das erste tragbare Telefon, welches nicht einen ganzen Koffer benötigte. Es kostete dreitausend Franken und war so gross wie eine grosse Bierflasche. Der Akku hielt im Standby etwa drei Stunden, also hatte ich immer drei Akkus bei mir. Ich war ziemlich technikgeil. Eigentlich bin ich das noch auch heute noch.

Fotojournalisten wurden in den 80er-Jahren massiv von der Polizei angegangen. Ein Zwischenfall, in den ich verwickelt war, ging um die Welt. Nach einer Demo verprügelten Polizisten zuerst einen Kellner aus einem Restaurant. Er habe die Polizei mit einem Spruch provoziert. Anschliessend ging die Polizei auf mich los. Ich fotografierte, während ein Polizist mit dem Gummiknüppel auf mich einschlug. Diese Bilder schafften es auf die Titelseite der New York Times und in hunderte andere Publikationen. Es wurde das meistgedruckte Bild des Jahres in der Schweiz. Am nächsten Tag sprach der Chef der Associated Press Europa vor den Medien. Das gab es in Europa noch nie, dass ein Fotojournalist so gezielt von der Polizei angegangen und misshandelt wurde.

Franziskaner Ausschreitung Kellner wird bei der Arbeit von der Polizei angegangen.

Demonstrationen waren mein Ding. Ich konnte es besonders gut, meine Bilder waren beliebt und entsprechend häufig gedruckt. Viele Fotojournalisten wurden durch die Polizei von der Arbeit abgehalten, nicht nur ich. Gummigeschosse, Wasserwerfer und Knüppel sorgten dafür, dass immer weniger Fotografen diese Jobs machten. Heute an den 1. Mai Demos siehst du mehr Fotografen als Demonstranten. Das war früher schon eine ganz andere Geschichte.

Natürlich, ich sympathisierte mit den Jugendbewegungen. Ich konnte mit meinen Bildern die damaligen Forderungen unterstützen. Aus heutiger Sicht finde ich das etwas naiv. Ich betrieb Meinungsjournalismus und war nie neutral, aber immer korrekt. Ich blieb immer bei der Wahrheit. Einmal beschwerte sich ein Ressortleiter der NZZ bei der Associated Press über meine Arbeit. Kurz darauf entschuldigte sich die Chefredaktion, es gehe selbstverständlich um die Qualität und nicht um die politische Einstellung des Journalisten. Ich habe nie etwas Falsches geschrieben. Darauf bin ich schon etwas stolz.»

 

Miklós Klaus Rózsa über den Fall von Polizeigewalt gegen einen Kellner. Die Bilder gingen 1989 um die Welt:

Franziskaner Polizei Zürich

 

Fotograf Am Arbeitstisch Miklós Klaus Rózsa Arbeitet heute in einem Atelier im Kreis 4

Update (4.08.2015: 17:30): Vor knapp sieben Jahren wurde Miklós Klaus Rózsa von Stadtpolizisten wieder hart angegangen. Es kam zur Anzeige und Gegenanzeige. Hier geht es zur Stellungsnahme zu diesen beiden Prozessen von Miklós Klaus Rózsa.

 

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