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Von Lara Blatter

Co-Geschäftsleitung & Redaktorin

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3. Februar 2021 um 10:33

Pflegefachfrau: «Ich bin ständig am Feuer löschen und renne von Patient zu Patientin»

Junge Menschen aus dem Gesundheitswesen erzählen erneut aus ihrem Arbeitsalltag und wie sie die zweite Welle der Pandemie erleben. Lia* ist 25 Jahre alt, diplomierte Pflegefachfrau und arbeitet in einem Spital im Kanton Zürich. Corona ist allgegenwärtig: Hustet jemand, so wird sie hellhörig.

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Illustration: Artemisia Astolfi

Lara Blatter: Wie ist die Lage auf deiner Abteilung?

Lia*: Der November und Dezember waren sehr intensiv. Ich arbeitete statt auf einer «normalen» Station auf der Covid-Station. Für die Tage nach Weihnachten und Silvester wurden zusätzliche Schichten geplant. Alle erwarteten eine Welle. Doch sie blieb aus. Wir waren viele Pflegende und wenig Patient*innen. Die Situation hat sich unerwartet beruhigt, was sehr gut ist.

Ist Corona bereits eine neue Realität im Spital?

Ja, zum Beispiel das Arbeiten mit Masken ist normal. Wenn wir Patient*innen haben, die aus gesundheitlichen Gründen keine tragen können, tragen wir zusätzlich Schutzbrillen. Alle diese Hygienemassnahmen waren eine Umstellung, aber sind nun Alltag. Hustet ein*e Patient*in, werde ich gleich hellhörig und frage sofort Symptome ab. Bei Erbrechen und Durchfall denken wir oft, dass es das Norovirus sein könnte, beim Husten läuten die «Covid»-Alarmglocken.

Welche Gefühle kommen in dir hoch, wenn du an die vergangenen Monate mit der Pandemie denkst?

Die Ungewissheit nagt an einem. Im Frühling warteten mein Team und ich auf einen Ansturm, der aber in diesem Ausmass ausblieb. Der Sommer war erstaunlich ruhig, dann kam der Herbst und es ging los. Es trat immer das Gegenteil vom Erwarteten ein. Und auch gewisse Massnahmen lassen mich manchmal zweifeln: Wann steht das Wohl der Menschen und deren Gesundheit im Vordergrund und wann ist es einfach die Wirtschaft, die den Ton angibt?

Hat sich in punkto Arbeitsbedingungen im letzten Jahr etwas geändert?

Nein. Ich weiss, dass es auch andere, sehr strenge Berufe gibt. Ohne Zweifel. Wenn ich einen Spätdienst habe, dann renne ich von 14 bis 23 Uhr. Du schaust, dass deine Patient*innen den Abend überleben oder möglichst kontrolliert durch den Tag kommen. Für Gespräche mit besorgten Angehörigen bleibt keine Zeit. Ich bin für zehn Patient*innen zuständig, da ist es illusorisch, dass wir über alle Verläufe und Zustände bestens Auskunft geben können. Das löst in mir ein Gefühl der Inkompetenz aus. Ich bin quasi ständig am Feuer löschen, renne von Patient zu Patientin und hoffe, dass wir nichts Gröberes vergessen.

Im März hast du dir mehr nachhaltige Anerkennung gewünscht, also dass diese auch fernab von den Klatsch-Aktionen bestehen bleibt. Ging dieser Wunsch in Erfüllung?

Nein, die Klatsch-Aktionen waren wohl ein kurzweiliges Hoch.

Wie stehst du zur Impfung?

Ich will und werde mich in nächster Zeit impfen lassen.

Du schaust, dass deine Patient*innen den Abend überleben oder möglichst kontrolliert durch den Tag kommen. Für Gespräche mit besorgten Angehörigen bleibt keine Zeit.

Lia* (25)

Ist es für dich noch ein Thema, das Berufsfeld zu wechseln?

Eigentlich nicht. Wie ich ja schon im März sagte, möchte ich längerfristig zwar weg vom Schicht- und dem typischen Spitalbetrieb. Aber ich möchte weiterhin im Pflegebereich tätig sein und mit Menschen arbeiten und ihnen helfen.

Was ist dein Lohn und dein Arbeitspensum?

Bei 100 Prozent würde ich brutto 6080 Franken verdienen. Ich arbeite 90 Prozent, das sind 5472 Franken mit Abzügen dann circa 5000 Franken. Davon lebe ich gut, aber ich arbeite viel und unregelmässig. Und wenn ich meinen Lohn mit anderen Fachhochschulabschlüssen vergleiche, dann ist das weit weniger.

*Name und Arbeitsort der Redaktion bekannt. Zum Schutz der Interviewten sind ihre Namen sowie ihr genauer Arbeitsort nicht erwähnt.

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