«Für mich war schnell klar, dass ich meiner Frau eine meiner Nieren spenden möchte» - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Isabel Brun

Redaktorin

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19. Januar 2020 um 07:00

«Für mich war schnell klar, dass ich meiner Frau eine meiner Nieren spenden möchte»

Nach einem grossen Blutverlust ist die 30-jährige Marion von Delft auf eine neue Niere angewiesen. Ihr Mann spendet ihr das lebensrettende Organ. Mit ihrer Geschichte gehen sie an die Öffentlichkeit, um anderen die Angst vor einer Organspende zu nehmen.

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Marion von Delft und Adrian Imhof wohnen mit ihren beiden Töchtern im Wallis.

Im Jahr 2018 warteten über 1'500 Menschen auf eine neue Niere. Nur 365 hatten das Glück, eine transplantiert zu bekommen. Die zweifache Mutter Marion von Delft ist eine von ihnen. Die damals 30-jährige bekam von ihrem Mann, Adrian Imhof, das überlebenswichtige Organ gespendet. Heute leben sie mit je einer Niere und bereuen die Entscheidung zur Transplantation keine Sekunde. Ihre Geschichte erzählen die beiden gerne – auch, um das Thema Organspende in der Gesellschaft bekannter zu machen.

Wenn die Organe versagen

«Als ich den Transplantationstermin erhielt, hatte ich erst ein schlechtes Gewissen», sagt Marion. Denn während dem Jahr, in dem sie regelmässig ins Spital zur Dialyse fuhr, sei sie mit vielen Patient*innen in Kontakt gekommen, die auf der Warteliste gestanden haben. Die meisten von ihnen hätten nach einer langen Krankheitsepisode ein Nierenversagen erlitten, erinnert sich die junge Mutter. Bei ihr war es anders.

Im September 2017 kam es bei der Geburt ihrer zweiten Tochter zu Komplikationen, weshalb sie viel Blut verlor. Dieser hohe Blutverlust führte unweigerlich zu einem Organversagen. «Die Ärzt*innen erklärten mir, dass die Niere das erste Organ ist, das in einem solchen Fall seine Funktion einstellen würde», so Marion. Der Komplettausfall beider Nieren war nicht mehr zu verhindern. Ein schwerer Schicksalsschlag für die junge Familie.

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Vor seiner Erfahrung mit der Transplantation sei er nicht einmal Blut spenden gegangen, sagt Adrian.

Aufgrund ihrer Prognose hätten ihr die Mediziner*innen schon früh geraten, sich über die Möglichkeit einer Transplantation Gedanken zu machen. Doch für die Mutter von zwei kleinen Kindern kam diese Option lange gar nicht in Frage: «Ich hatte immer die Hoffnung, dass sich eine der beiden Nieren wieder regeneriert.» Schon nur ein kleiner Prozentsatz an Nierenaktivität hätte gereicht, um ohne regelmässige Blutwäsche leben zu können.

Dialyse
Die Niere reinigt das Blut von Giftstoffen. Bei einem Nierenversagen wird diese Funktion gänzlich eingestellt, weshalb es ohne Therapie zu einer Blutvergiftung kommen würde. Die Dialyse ist ein Verfahren, dass in einem solchen Moment zum Einsatz kommt. Ein sogenannter Dialysator wäscht die Giftstoffe aus dem Blut und übernimmt somit die Funktion der Niere. Es ist neben einer Nierentransplantation die einzige Therapiemöglichkeit bei einem Nierenversagen.

Eine Entscheidung fürs Leben

Dreimal in der Woche musste Marion ins nah gelegene Spital zur Dialyse. «Ein enormer Aufwand», erinnert sie sich. Trotz den Bemühungen seitens der Mediziner*innen sei ihr Gesundheitszustand immer labiler geworden. Nach mehreren Monaten Therapie hat sich die 32-Jährige schliesslich doch gegen ihre Angst vor der Operation und für eine Transplantation entschieden.

Geschwächt von den Strapazen der vergangenen Monate hätten die ihr die Ärzt*innen geraten, sich nicht auf die Warteliste setzen zu lassen, sondern nach einer möglichen Lebendspende Ausschau zu halten. Denn auf der Liste kann es je nach Blutgruppe Jahre dauern, bis ein passendes Organ gefunden wird und transplantiert werden kann.

Ein negatives Mindset würde die Chance einer späteren Abstossung des Organs erheblich erhöhen.

Marion von Delft, Organempfängerin

«Für mich war schnell klar, dass ich meiner Frau eine meiner Nieren spenden möchte», sagt Adrian. Als ihm die Ärzt*innen im Transplantationszentrum Basel mitteilten, dass er als Vater der gemeinsamen Kinder höchstwahrscheinlich nicht als Spender in Frage käme, sei das «ein ziemlicher Dämpfer» gewesen. Grund dafür war die Antikörper-Bildung bei Marion auf Adrians Blut gewesen, die mit der Erzeugung der Kinder einher geht. Deshalb stellte sich eine Freundin der Familie ebenfalls als Nierenspenderin zur Verfügung.

Gut aufgeklärt in den OP-Saal

Die Freundin sowie Adrian mussten sich neben mehreren Bluttests auch andere Gesundheitschecks unterziehen lassen: Vom Hauttest bis zur zahnärztlichen Untersuchung sei alles dabei gewesen. «Als Spender*in müsse man von Kopf bis Fuss gesund sein, ansonsten werde die Entnahme nicht durchgeführt», hätten die Transplantations-Expert*innen Marion und Adrian die dutzenden Abklärungen erklärt.

Allgemein seien sie sehr gut auf den Eingriff vorbereitet worden, erinnern sich die beiden. «Psychologische Betreuung war vor allem in meiner Situation sehr wichtig», so Marion, «Ein negatives Mindset würde die Chance einer späteren Abstossung des Organs erheblich erhöhen.»

Als sich Adrian nach den Tests als der bessere Spender herausstellte, sei die Überraschung bei allen gross gewesen. Sie habe sich zwar darüber gefreut, gleichzeitig sei aber auch die Angst vor der Operation gewachsen, erzählt Marion: «Ich wusste, im schlimmsten Fall würde ich meine Kinder als Vollwaisen zurückzulassen.» Zum Glück habe sie auf die volle Unterstützung von Familienangehörigen und von Expert*innen im Transplantationszentrum zählen können.

«Ich kann genauso leben wie vor der Spende»

Die Transplantation im Juni 2018 verlief ohne Probleme. Zwei Tage nach dem Eingriff habe er schon wieder langsam Gehen können, so der 41-Jährige. «Auch heute habe ich keinerlei Einschränkungen, muss keine Medikamente zu mir nehmen und kann genauso leben wie vor der Spende», sagt der leidenschaftliche Hobby-Sportler. Bei Marion ging die Erholungsphase etwas länger: Es brauchte ein Jahr, bis die Medikamente optimal auf sie eingestellt werden konnte. Mittlerweile ist sie über dem Berg – die meisten Organ-Abstossungen kommen im ersten Jahr nach der Transplantation vor.

Trotzdem wird die junge Frau ihr Leben lang Medikamente brauchen, damit ihr Immunsystem die neue Niere nicht abstösst. Ansonsten gehe es ihr inzwischen wieder fast so gut wie vor zwei Jahren, als sie mit ihrer zweiten Tochter schwanger war, so Marion.

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Das Paar ist seit mehreren Jahren verheiratet.

Mehr Bewusstsein schaffen

Sie würden die Transplantation jederzeit wieder machen, sind sich Marion und Adrian sicher. Bevor sie sich gezwungenermassen damit auseinandersetzen mussten, hätten sie – wie viele andere – keine Ahnung von der Organspende-Thematik gehabt.

Deshalb seien sie gegenüber der Widerspruchslösung positiv gestimmt. Bei dieser würde jede*r nach dem Tod zum Organspender oder zur Organspenderin werden – sofern nichts anderes bekannt ist.

Ich habe heute keinerlei Einschränkungen.

Adrian Imhof, Organspender

Es sei wichtig, dass sich die Menschen darüber Gedanken machen würden, ob sie ihre Organe nach dem Tod spenden wollen oder nicht. Wobei es nicht darum gehe, jemanden dazu zu drängen, aber: «Ich war vor unseren Erlebnissen nicht als Spender registriert, obwohl ich grundsätzlich kein Problem damit habe, wenn meine Organe nach meinem Ableben für eine Spende gebraucht würden», sagt Adrian.

Das sei auch ein Grund, weshalb sie so offen mit dem Thema umgehen würden, erklärt Marion: «Wir wollen mit unserer Geschichte Betroffenen Mut machen.» Ein solothurnisches Filmteam begleitete die junge Familie ein Jahr nach der Transplantation. Die Dokumentation über Marions und Adrians Erfahrungen soll im Herbst 2020 veröffentlicht werden.

Der Trailer zum Dokumentationsfilm «Der Spender»:

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