Veganismus-Kolumne: Milch von glücklichen Sojabohnen - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Laura Lombardini

Kolumnistin / Geschäftsführerin Vegane Gesellschaft Schweiz

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15. Februar 2020 um 10:00

Veganismus-Kolumne: Milch von glücklichen Sojabohnen

Inzwischen gibt es so viele Milchalternativen, dass es kaum noch Gründe für den Konsum von Kuhmilch gibt. Selbst in der Oscar-Nacht letzten Samstag war Milch ein Thema.

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Photo by Kylee Alons on Unsplash

Du hast dir die Oscarverleihung nicht angesehen? Kein Problem, ich auch nicht. Nur ist die Dankesrede von Joaquin Phoenix, der für seine Rolle als Joker einen Oscar bekam, so oft in meiner Timeline erschienen, dass ich sie mir dann doch angesehen habe. Und ein zweites, sogar ein drittes und dann noch ein viertes Mal. Doch, ziemlich bewegend, was der Joaquin da zu sagen hatte.

Ein Ausschnitt davon: «Ich denke, manchmal glauben wir oder werden glauben gemacht, dass wir für sehr unterschiedliche Interessen eintreten. Ich dagegen sehe darin Gemeinsamkeit. Egal, ob wir über Gendergerechtigkeit reden, über Rassismus, Queer Rights, die Rechte von Indigenen oder über Tierrechte, es geht dabei immer um den Kampf gegen Ungerechtigkeit. Um den Kampf gegen die Überzeugung, dass eine Nation, ein Volk, eine Rasse, ein Geschlecht oder eine Spezies das Recht hat, andere zu beherrschen, zu kontrollieren und ungestraft auszunutzen. [...] Wir ziehen hinaus in die Natur und plündern ihre Ressourcen. Wir fühlen uns dazu berechtigt, eine Kuh künstlich zu befruchten und ihr nach der Geburt ihr Kind zu stehlen, obwohl ihre qualvollen Schreie unmissverständlich sind. Dann nehmen wir die für ihr Kalb vorgesehene Milch und geben sie in unseren Kaffee und unser Müsli.»

Glückliche Kühe auf der Weide

Dieses Bild kennen wir alle. Es wird uns auf Plakaten und Milchpackungen gezeigt. Beim Wandern treffen wir diese grossen Tiere mit sanften Augen auch tatsächlich auf den Weiden an. Denen geht es doch wunderbar! Da kann doch so ein bisschen Milch nicht schaden. Oder, Joaquin?

Als Kind (und auch noch etwas darüber hinaus) glaubte ich, dass Kühe Milch geben, weil die das halt so machen. So wie ein Wasserhahn immer Wasser gibt. Dass die Kuh nur Milch gibt, weil sie zuvor geschwängert wurde und sie ein Kalb geboren hat, war mir nicht klar. Diese Prozedur wird dann jedes Jahr wiederholt. Eigentlich ist es da doch nur logisch, für wen die Milch gedacht ist, nicht? Für unseren Kaffee oder unser Müsli bestimmt nicht.

Nebenprodukt Kalb

Das Kalb wird der Mutter kurz nach der Geburt weggenommen, denn das würde ja sonst unseren Kaffeezusatz wegtrinken. Die weiblichen Kälber werden zur Milchkuh grossgezogen. Die männlichen werden hingegen innerhalb eines Monats zum Schlachthof gebracht - falls sie überhaupt so lange überleben. Sie setzen zu wenig Fleisch an, als dass es sich lohnen würde sie gross zu ziehen. Alles ist kalkuliert, denn die Milchindustrie hat vor allem eines zu sein: Effizient. Die Kälber werden nicht auf die Welt gebracht, weil sich jemand ihrer Existenz erfreut - sie sind lediglich ein Nebenprodukt. In einem Interview habe ich sie mal «Abfallprodukt der Milchindustrie» genannt. Das kam bei vielen nicht gut an und hat für Empörung gesorgt. Ich habe mir daraufhin Gedanken darüber gemacht, denn die Aussage ist in der Tat heftig. Aber ich bin zum Schluss gekommen, dass der Begriff es leider wirklich gut trifft.

Kühe könnten bis 30 Jahre alt werden. Da sie nach ein paar Jahren aber nicht mehr so effizient Milch geben, werden sie nach rund fünf Jahren geschlachtet und durch neue ersetzt. Dazu kommen oft noch Überzüchtungen, die möglichst grosse Euter zum Ziel haben. Die übergrossen Euter führen zu diversen Komplikationen und Schmerzen bei den Tieren. Und weil nur Gras fressen nicht so effizient wäre, gibt es auch noch Kraftfutter dazu. Die Problematik dahinter, kann man sich wohl denken.

Warum müssen wir zwanghaft mit jedem Felcken Natur etwas machen?

Laura Lombardini

Oft höre ich das Argument, was man denn sonst mit all den Bergwiesen machen soll. Und ich frage mich einerseits, warum wir so zwanghaft mit jedem Flecken Natur etwas machen müssen. Und andererseits, warum wir uns nicht mal vorstellen können, dass Kühe dort weiden, ohne dass wir sie für weitere Zwecke nutzen. Sonst sind wir doch auch ziemlich kreative Wesen. Wieso sollten wir ausgerechnet dafür keine gute Lösung finden?

Wir haben die gesamte Milchproduktion optimiert - auf Kosten der Tiere. Das ganze Methan, das dabei noch ausgestossen wird, der viele Dünger, mit dem man kaum noch weiss wohin, der Wasserverbrauch und vieles mehr habe ich hier noch nicht einmal angesprochen. Und das alles nehmen wir in Kauf wegen einem Schlückli Milch im Kaffee?

«Sojamilch schmeckt mir nicht»

Das höre ich immer wieder. Und ich kann es gut verstehen. Bevor ich mich vor einigen Jahren für eine vegane Lebensweise entschieden habe, probierte ich Sojamilch aus. «Pfui Teufel.» Das schmeckte mir gar nicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, jemals etwas anderes in meinen Kaffee zu schütten als Kuhmilch.

Aber jetzt kommt’s: Ich habe eine, nein, zwei sehr gute Nachrichten. Die erste ist, dass Sojamilch geschmacklich in den letzten Jahren weiterentwickelt wurde. Dazu kommt, dass man einen neuen Geschmack ein paarmal ausprobieren sollte. Der Gaumen gewöhnt sich so an Neues und lernt es zu mögen. Die zweite gute Nachricht: Es muss nicht Sojamilch sein. Wie wär’s mit einer Milchalternative aus Hafer, Reis, Mandeln, Haselnuss, Hirse, Hanf, Dinkel, Lupinen oder einer Kombination davon? Je nach Hersteller schmecken die dann auch wieder unterschiedlich und so haben wir ein unfassbar grosses Angebot an tollen Alternativen. Und als ob das nicht schon gut genug wäre: Jede dieser Alternativen ist nicht nur ethisch, sondern auch ökologisch mit Abstand die bessere Wahl.

Wer die Dankesrede von Joaquin Phoenix von der Oscar-Nacht noch nicht gesehen hat:

Laura Lombardini
Laura Lombardini (33 Jahre alt) ist seit 2018 Geschäftsführerin der Veganen Gesellschaft Schweiz und lebt seit über 5 Jahren vegan. In ihrer Kolumne wird es um veganen Lifestyle gehen. Sie beschreibt dabei wie es um den Veganismus in der Schweiz steht und wie der Verein diesen fördert.
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