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15. Juni 2015 um 10:35

Meine ersten zwei Stunden bei der StaPo

Wird unser Reporter Polizist?



Hinweis: Da sich der Autor gewissermassen undercover in die Innereien des städtischen Gewaltmonopols geschleust hat, sind die vorhandenen Fotografien mässig bis nichtssagend. Aber: Authentizität, Mann!

«Wer jetzt noch Gras in der Tasche hat», scherzt Albert Hürlimann und deutet mit seinen schlanken Zeigefinger, «det hine häts Chübel». Verhaltenes Gelächter. Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen. Wie blöd muss man sein, vor dem Infoabend bei der Stadtpolizei Zürich (StaPo) seine Klamotten nicht ausgiebigst nach Überbleibseln von letztem Wochenende gefilzt zu haben? Ich hab extra neue Kleider angezogen, die Jacke, die ich sonst nie anhabe, aber wenn dann ein waschechter Drogenhund vor mir sitzt, findet der ja noch so kleine Krümel, oder? Aber ich sitze in der ersten Reihe, kann fast Hürlimanns Ausatmen hören. Letztes Selbstabtasten liegt nicht mehr drin. Hoffen wir mal, dass dann der junge Lehrlings-Hund auftaucht und nicht der Routinier, der «ein wenig Mühe mit Menschenmassen» hat.

BHund

Niemand mag die Bullen. Jedenfalls mag sie niemand, den ich kenne so wirklich. Stapfen sie in ihren Kampfstiefeln um die Ecke, das Beret adrett auf den Scheitel drapiert, reichen die Reaktionen von spöttischem Grinsen bis zu beschämten Wegdrehn. Ab und zu radelt man durch die Langsträsser Busspur an ihnen vorbei und checkt instinktiv, ob die LED-Lichter gerade anmontiert sind. Aber wenn nicht gerade eine Grosskontrolle ansteht, lassen sie dich ja eh in Ruhe. Ausser, es ist ein überaus langweiliger Tag. Dann steht schonmal Kifferjagen auf dem Programm. Ob überraschend oder nicht, dem Korps fehlt der Nachwuchs. Das Geld ist ja da, schreien die immer neuen, immer irgendwie peinlichen Werbeaktionen der StaPo, aber die jungen Schweizerinnen und Schweizer wollen einfach nicht bei uns mitfahren. Vorne, natürlich. Aus lauter Mitleid (und Erlebnissucht, und journalistischer Neugierde) melde ich mich also für einen dieser monatlichen Infoabende an. Ich hoffe, ich bin nicht der einzige. Blödsinn: Knapp hundert junge Menschen, meist mit Begleitung unterwegs, hängen am lauen Frühlingsabend verstreut vor der Hauptwache herum. Durchmischt wie vor einem x-beliebigen Germanistikseminar, Volkshaus-Konzert oder Zwei-Uhr-Nachtzug. Etwa ein Drittel sind Frauen, eine ist in Stephen Hawking's «Kurze Geschichte der Zeit» versunken. Ein paar Soldaten. Tattoos, halbsaubere Turnschuhe. Darunter auch Menschen, die von der SVP hinter zugezogenen Stammtischtüren sicher als Papierli-Schweizer bezeichnet würden. Keine ostschweizer Dialekte zu hören, Verhältnis Stadt-Land-Agglo vermutlich sauber gedrittelt. Vielleicht riecht die KaPo nach weniger Action? Durch die echt schöne Eingangshalle wird der Tross dann drei Stockwerke hoch in einen Sitzungssaal geführt. Unterwegs riecht's nach Älplermagronen. Als ich meinen Platz in der vordersten Reihe einnehme, als einziger mit Notizbuch versehen, versichert sich der Chef des heutigen Abends, der drahtige Ex-Streifenpolizist-jetzt-Anzugsträger Albert Hürlimann gerade, ob keiner verloren gegangen ist. Dann startet er wortlos den ersten Propagandafilm. Eine Montage der alltäglichen Arbeit der StaPo, unterlegt mit martialischen Klängen aus den letzten zehn Militär-Blockbustern. Das Ganze taumelt an der Grenze zur Farce. Nachdem wir darüber aufgeklärt wurden, dass uns beim Gang durch die Eingangshalle unauffällig Detektive beobachtet haben, bin ich ziemlich verblüfft, bin ich doch sonst gut darin, die Zivilen zu sehen. Noch besser ist dann der Trailer über die Wasserschutzpolizei. Wer noch dran zweifelt, ob es in Zürich genügend Action gibt...

BGang

Das jährliche Ziel ist, 60 neue Cops auszubilden, die das knapp 2000-köpfige Korps von unten her auffüllen sollen. Blutjunge Zwanzigjährige sind zwar formal zur Prüfung zugelassen, aber nicht hocherwünscht. Ideal wären Mittzwanziger mit gefestigten Lebensverhältnissen, mehrjährige heterosexuelle Beziehung und verstehen sich gut mit den Nachbarn. Wer die Hürden überspringt (bestehend aus Sporttest sowie psychologischen und persönlichen Eignungsprüfungen) darf sich von Ausbildungsbeginn an auf ein Monatsgehalt von so fünfeinhalbtausend Franken freuen. Kein schlechter Lehrlingslohn. Doch Hürlimann mahnt, vor allem die anwesenden Männer: Sicheres Deutsch ist fundamental! Viele lachen. «Im Ernst», mindestens die Hälfte der polizeilichen Arbeit besteht aus dem Ausfüllen von Rapporten. Der VePo, der dich vorhin an einem Unfall vorbei gelotst hat, sitzt jetzt im Posten und schreibt auf, dass er dich an einem Unfall vorbei gelotst hat. Alles muss protokolliert werden. Und junge Männer sind schlecht im Deutsch. Sie schaffen dreissig Klimmzüge und hundert Liegestütze, aber einen Genitiv halten sie für eine Geschlechtskrankheit. Hürlimanns Tipp? «Lassen Sie sich Zeitungsartikel diktieren, immer und immer wieder, und dann werden sie besser, das hilft, das ist eine super Übung». Nach einem Jahr an der ZHRS wird man als Polizist vereidigt und es folgt das Live-Training, im Kastenwagen und vor der Schreibmaschine. «Die schönste Zeit», weil man mit einem Polizistengötti rumhängt, der auf einen aufpasst. Maximale Action, minimale Verantwortung. Damit ist es nach zwei Jahren und der grossen Abschlussprüfung vorbei. Du bist dann Stadtpolizist, und nicht nur das, du bist auch dazu verpflichtet, noch ein Nebenamt auszuüben. Irgendwas zwischen Instruktor und Spezialeinheit, das Angebot ist gross.

BVerkehrspolizist

Es folgt eine Führung durch die labyrinthische Hauptwache, es riecht immer wieder nach Älplermagronen. Nacheinander stellen sich verschiedene Einheiten vor. Zum Glück gibt es in solchen Gruppen immer einen, der bei jeder Gelegenheit eine Frage hat, ich wäre nämlich immer noch zu nervös, meine Klappe aufzureissen. So erfahre ich unter anderem: Die Verkehrspolizisten dürfen als einzige mit BMWs rumdüsen und haben nebst orangen Hütchen und Drogenschnelltests immer auch zwei Maschinenpistolen im Kofferraum (zum Vergleich: In Holland hat die Politie immer einen Teddybär für Kinder im Gepäck. Die Spezialeinheit Skorpion (weisch, die sind voll geil, so wie'd Navy SEALS oder so) besitzt dafür ein Waffenarsenal, worauf ein GTA-Spieler neidisch werden könnte. Sie darf auch als einzige Einheit anonymisiert in den Einsatz, um ihre Familien vor Racheakten zu schützen. Ein Diensthund wird drei Jahre lang ausgebildet, um mit 8 pensioniert zu werden. Und die Velopolizisten, anscheinend das beliebteste Nebenamt, lernen nicht nur, Treppen hinunterzufahren, sondern auch, aus dem Sattel zu schiessen! So geil.

BSchilder

Was mir biz fehlt an dem Abend, nebst einer rigorosen Aufzählung, was ein Polizist macht und wie man Polizist wird, ist, wieso man es werden sollte. Vermutlich herrscht da bei den Aspiranten stille Übereinkunft. Und überhaupt ist ein Infoabend für Interessierte wohl nicht der geeignetste Anlass für Grundsatzdiskussionen. Doch je länger das Ganze dauert, desto mehr merke ich: Das wird mich hier nicht überzeugen. Wenn Hürlimann davon spricht, wie die neuen Polizisten erst richtig dazugehören, wenn sie mal einen 1. Mai oder einen Fussballmatch in Vollmontur überstanden haben, kreisen meine Gedanken einfach unweigerlich um willkürliche Verhaftungen oder schwer verständliche präventive Einkesselungen. Ich bin anscheinend verdammt dazu, auf der anderen Seite zu stehen. Das ist ja auch gut so, denn so hat die Polizei auch manchmal etwas zu tun. Und ganz ehrlich, ein so überzeugter Anarchist bin ich dann nun doch nicht, dass ich das Gewaltmonopol einfach den rücksichtslosen Arschlöchern überlassen würde. Wenn schon rücksichtslose Arschlöcher in Uniform unterwegs sind, kann man sie wenigstens identifizieren und alle Jubeljahre wird ja auch mal ein Polizist für ein Fehlverhalten belangt. Besser als nichts. Den letzten Programmpunkt (individuelle Fragestunde mit Angehörigen verschiedener Spezialeinheiten) schenke ich mir dann. Es gibt schlichtweg nichts, was ich fragen könnte, ohne mich als Maulwurf zu outen. Zwar doch, wie man beim Velofahren eine Knarre abfeuern kann, das wüsste ich noch gerne. Aber da steh ich schon draussen. Ein Kastenwagen surrt vorbei. Alles beim Alten.

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