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Von Simon Jacoby

Co-Geschäftsleitung & Chefredaktor

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6. Januar 2022 um 18:41

Aktualisiert 07.01.2022

Der Niedergang der Lokalmedien kratzt am Fundament der Demokratie

Wenn wir am 13. Februar über die neue Medienförderung abstimmen, ist neben vielen anderen Lokalmedien auch Tsüri.ch betroffen. Mit diesem Gesetz verteidigen wir die Demokratie gegen ein rechtslibertäres Gruselkabinett. Ein Beitrag von Verleger und Chefredaktor Simon Jacoby.

Wer Journalismus macht, macht es nicht des Geldes wegen. Und wer Lokaljournalismus macht, schon gar nicht. Auch im Kleinen, auch draussen in den Gemeinden und den Randregionen übernehmen wir Journalisten und Journalistinnen die Aufgaben der 4. Gewalt im Staat: Wir schauen hin und decken Missstände auf. Denn ohne Medien gibt es keine Demokratie. 

Ohne Medien fehlen die Informationen, um gesellschaftliche Debatten zu führen. Ich schreibe hier als Verleger und Chefredaktor des Zürcher Stadtmagazins Tsüri.ch. Ich weiss also um die Herausforderung, auf kleinem Raum, mit kleinem Budget möglichst demokratierelevanten Journalismus zu machen. Vor sieben Jahren haben wir unser Stadtmagazin gestartet; nicht als Selbstzweck und auch nicht des Geldes wegen. Sondern aus zwei Gründen: Erstens gab es bis dahin in der Stadt Zürich kein Lokalmedium für junge Menschen und zweitens gab es kein rein digitales Lokalmedium. Diese beiden Lücken wollten wir schliessen – und alle haben uns davon abgeraten, ein Lokalmedium sei heutzutage nicht zu finanzieren. 

Wir haben es trotzdem gewagt, denn gerade auch für die Lokalpolitik sind Lokalmedien zentral. Eine Studie des Politikwissenschaftlers Matthias Künzler von der Universität Zürich zeigt, dass die Teilhabe an der Politik abnimmt, wenn die lokalen Zeitungen nicht mehr darüber berichten. Überraschend ist dies nicht, doch bringt dieser Fakt die Notwendigkeit der neuen Medienförderung auf den Punkt. 

Der Aktionsradius unserer Redaktion beschränkt sich auf die Stadt Zürich. Und da befinden wir uns zugegebenermassen in einer relativ luxuriösen Situation und haben im Zeitungs-, Radio- und Online-Bereich eine Medienvielfalt. Denn es reicht nicht, dass pro Region nur ein Lokalmedium präsent ist. Doch genau dies ist heute in vielen Gebieten die Realität und ein einziger Verleger ist mit seinen Gratiszeitungen überall präsent. Für eine differenzierte Debatte braucht es verschiedene Perspektiven, der Niedergang der Lokalmedien kratzt also am Fundament unserer Demokratie. 

Dieser Text stammt von der Pressekonferenz des Komitees Ja zur Medienvielfalt, welche diese Woche im Bundeshaus stattgefunden hat. Hier siehst du die Aufzeichnung:

Der Journalismus ist nicht in der Krise, vielmehr befinden sich die Verlage in der Krise. Darum stimmen wir am 13. Februar über die neue Medienförderung ab. Denn eine Medienvielfalt in den Regionen gibt es nur, wenn genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Ich weiss, was es bedeutet, mehrmals pro Jahr nicht zu wissen, ob wir die Löhne für die dreizehn Mitarbeitenden bezahlen können. Es ist verdammt hart, aber wir haben es bisher durchgezogen, weil wir wissen, dass es wichtig ist, was wir machen. Den meisten kleinen Lokalmedien geht es genauso: Die Werbegelder fliessen zu Google und Facebook und die Zahlungsbereitschaft gerade auch für ein Abo oder eine Membership im Internet ist noch nicht da, wo sie sein sollte. 

Wir befinden uns mitten im Strukturwandel und das neue Mediengesetz unterstützt uns dabei. Es nimmt die Gesellschaft, das Publikum und die Medienhäuser auf diesen Prozess mit. Die Leute konsumieren Journalismus immer mehr auch im Internet, diesem Fakt wird mit der neuen Online-Förderung Rechnung getragen. Nur Online-Medien, welche mindestens 100’000 Franken mit Abos oder Memberships einnehmen, kriegen maximal 60 Prozent davon als Förderung. Dies ist eine vernünftige Lösung, denn so werden nur Medien gefördert, die bereits ein Publikumsinteresse bewiesen haben. 

Zudem, und das finde ich fast den schönsten Teil der Förderung, erhalten kleine Medien in den Regionen proportional mehr Mittel, als die grossen in den Zentren. So fliesst das meiste Geld auch wirklich dorthin, wo die Medienvielfalt und die Demokratie einen Booster brauchen. Wir von Tsüri.ch haben im Jahr 2021 rund 650’000 Franken eingenommen, davon 150’000 mit Member und Kleinspenden. Wenn die Medienförderung angenommen wird, erhalten wir also maximal 90’000 Franken vom Bund. Damit können wir zum Beispiel eine neue Stelle schaffen oder unsere Webseite so umbauen, dass wir mehr Member gewinnen können. Dieser Betrag kann überlebenswichtig sein, ohne dass er abhängig macht. 

Das Referendum ist von einem Gruselkabinett bestehend aus rechtslibertären Millionären ergriffen worden. Bei der Abstimmung geht es also nicht nur um das Überleben von zahlreichen Lokalmedien, sondern auch um unsere föderalistische Demokratie.

  1. Weitere Informationen zum Komitee Ja zur Medienvielfalt findest du hier.

Die SRF Tagesschau hat Tsüri.ch besucht und einen Bericht über die neue Online-Förderung veröffentlicht:

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