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Massentierhaltung: Leid mit System

27’000 Masthühner in einem Betrieb. Eine A4-Seite Platz für jedes Tier. Nach 35 Tagen werden die Tiere geschlachtet, ohne jemals den freien Himmel erblickt zu haben. Oft wird behauptet, es gäbe keine Massentierhaltung in der Schweiz. Die Realität ist eine andere. Wir brauchen einen Systemwechsel, hin zu einer klimaverträglichen Landwirtschaft, weg von grösstmöglicher Profitorientierung auf Kosten von Tier, Mensch und Umwelt.

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Bild: unsplash

Kolumne von Julia Fischer, Co-Kampagnenleiterin Initiative gegen Massentierhaltung

Nicht erst seit dem Aus der zwei Agrar-Initiativen Mitte Juni ist klar: Die Schweizer Landwirtschaftspolitik ist blockiert. Dringende Weichenstellungen werden auf die lange Bank geschoben, während gleichzeitig immer mehr Naturflächen mit Masthallen und Ställen zugebaut, Böden verdichtet und Lebensräume vernichtet werden. Als Trägerorganisation setzt sich Greenpeace für die von Sentience Politics lancierte Initiative gegen Massentierhaltung ein. Doch was bedeutet «Massentierhaltung» überhaupt?

Eine A4-Seite Platz zum Leben

Ein Blick hinter die Stalltüren der Masthühnerproduktion verdeutlicht, dass die Realität im System Massentierhaltung mit der idyllischen Heidiland-Schweiz enthusiastischer Werber:innen und Marketingprofis wenig bis nichts zu tun hat: 2020 wurden in der Schweiz fast 80 Millionen Hühner geschlachtet. Mehr als 40 Prozent werden in Betrieben mit über 12’000 Individuen gehalten. Die maximale Betriebsgrösse liegt bei 27’000 Tieren. Der Platz in der Halle, der jedem Tier dabei rechtlich zusteht, ist gerade mal eine A4-Seite gross.

In 35 Tagen werden die Hühner vom 60 Gramm-Küken zum über zwei Kilogramm schweren Tier hochgemästet. Nur der Einsatz von Hochleistungsrassen macht ein solch rasantes Wachstum möglich – mit schweren gesundheitlichen Folgen für die Hühner. In ihrer letzten Lebenswoche sind die Tiere so fett, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten können. Ihr Herz kann den überdimensionierten Körper nicht mehr richtig durchbluten. Sie leiden unter Beinschäden und Herzkreislauf-Problemen. Fliegen, Rennen, Hüpfen sind ein Ding der Unmöglichkeit. Zwei bis vier Prozent der Tiere sterben noch in den Masthallen.

Zehn Schweine teilen sich einen Parkplatz

Auch in der Schweinezucht sind die heute zum Einsatz kommenden Rassen auf maximale Gewichtszunahme optimiert: Bis zu ein Kilogramm legt ein Mastschwein pro Tag zu. Dabei muss es sich die Fläche eines durchschnittlichen Autoparkplatzes mit neun weiteren Schweinen teilen. Rund 40 Prozent aller Schweine werden in der Schweiz in derart beengten Platzverhältnissen hochgemästet, in Ställen mit bis zu 2’000 Tieren.

Der grosse Futtermittelbedarf trägt entscheidend zur miserablen Ökobilanz bei.

Den freien Himmel sehen viele Schweizer Tiere dabei zeitlebens kein einziges Mal. Denn weder der Gang auf die Weide noch eine Form von Auslauf sind zum Beispiel für Schweine oder Hühner gesetzlich vorgeschrieben. Gras futtern auf der grünen Wiese? Fehlanzeige.

Grosses Fressen über den Zaun

Schweizer Nutztiere werden hauptsächlich mit Soja, Weizen und Mais gefüttert – alles Lebensmittel, die auch uns Menschen ernähren könnten. Auf beinahe der Hälfte des Schweizer Ackerlandes wird heute Tierfutter angebaut. Doch das alleine reicht nicht aus: In den letzten Jahren wurden im Durchschnitt zusätzliche 1,4 Millionen Tonnen Futtermittel importiert. Der grosse Futtermittelbedarf trägt entscheidend zur miserablen Ökobilanz und Klimabelastung der Tierhaltung bei.

Systemwandel in Sichtweite

Tierleid wird im heutigen, auf Profitmaximierung ausgerichteten System an jeder Stelle in Kauf genommen. Das will die Initiative gegen Massentierhaltung ändern: Sie fordert eine tierfreundliche Unterbringung und Pflege – jedes Tier erhält ausreichend Platz, sich frei zu bewegen und soziale Kontakte auszuleben. Gleichzeitig werden die Gruppengrössen pro Stall stark reduziert, und alle Tiere sollen täglich Zugang ins Freie erhalten. Nicht zuletzt fordert die Initiative Importvorschriften, die den neuen Schweizer Standards Rechnung tragen. Die Schweizer Bäuerinnen und Bauern sollen gegenüber dem Ausland nicht benachteiligt sein.

Ein Weg hin zu einer ressourcenschonenden und tierfreundlichen Agrarpolitik, und dies nicht nur für Masthühner und Schweine, sondern auch für Milchkühe, Legehühner, Rinder und andere Tiere, die Teil der industriellen Nutztierhaltung in der Schweiz sind . Mit der Initiative fordern wir nicht weniger als einen grundlegenden Systemwechsel – für eine zukunftsfähige Landwirtschaft zum Wohl von Tier, Mensch und Natur.

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Kolumne von Greenpeace
Während des Landwirtschaftsfokus publiziert unser Hauptsponsor Greenpeace ab Mitte August immer am Montag eine Kolumne. Dabei werden Themen wie das Landwirtschaftssystem, die Massentierhaltung, genveränderte Kühe und viele weitere diskutiert.
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