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18. Oktober 2021 um 08:30

Manegg: Auf die Baufirma folgt die Zwischennutzung

Im Zwischennutzungsprojekt auf der Manegg drehen die Menschen Comedy-Shows, bauen Instrumente oder nutzen gemeinschaftliche Freiräume. Das Projekt auf dem ehemaligen Industrieareal gibt Einblick darüber, wie ein solches Zusammenleben funktioniert und wo die Herausforderungen liegen.

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Seit Frühjahr dieses Jahres existiert an der Allmendstrasse ein Zwischennutzungsprojekt (Fotos: Matthias Nüesch)

Autos donnern an diesem Samstagmittag auf der Allmendstrasse vorbei. Sie alle wollen so schnell wie möglich auf die nahe gelegene Autobahn. Seitlich der Hauptstrasse ragen Kräne in die Luft, Baugerüste schlingen sich um die Gebäude. Die kalte Luft paart sich mit Benzin und umhüllt mich. «Greencity» heisst der neue Stadtteil, der hier in der Manegg entsteht.

Ein Auto bremst, biegt zwischen zwei Gittern ab und kommt vor den Industriehallen der ehemaligen Baufirma zu stehen. Ein Mann und eine Frau steigen aus dem Auto. Die beiden sind langjährige Mitglieder des Vereins Zitrone.

«Hier, an der Allmendstrasse 91-95 hat der Verein Zitrone seit diesem Frühjahr seine neue Zwischennutzung eingerichtet. Wie lange wir auf dem Industrieareal bleiben können, ist noch unklar», erklärt Tom.

Fest steht: Im Jahr 2024 stimmen die Stadtzürcher:innen über die auf diesem Grundstück geplante Schulanlage Höckler ab. Bis dahin hat die Eigentümerschaft der Stadt Zürich die Gebäude zum Gebrauch freigegeben.

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Das ehemalige Industrieareal auf der Manegg.

Angebot wird geschätzt

Aus dem Kofferraum tragen Tom und seine Partnerin Karin Wasserflaschen, einen Wok und eine Gemüsekiste mit frisch geernteten Zucchini, Grünkohl und Kürbis. «Der Zitronengarten in Altstetten ist der einzige Ort des Vereins, der dauerhaft ist», sagt Karin und trägt die grüne Kiste in die Halle.

In dieser findet an diesem Tag die Ausstellung «Achstum, Das Das» statt, die das Künstlerpaar organisiert hat. «Am späteren Nachmittag bereiten wir das frische Gemüse in der Wokpfanne zu», sagt Karin weiter.

In der grossen, lichtdurchfluteten Industriehalle steht ein rotes Sofa auf einem Perserteppich, Tische und Stühle laden zum Verweilen ein. Auch ein Ping-Pong-Tisch macht Lust auf einen Rundlauf. Diesen Teil der Fabrik hat der Verein als dauerhaften Freiraum geöffnet.

Das heisst, dass auch Menschen aus dem Quartier diese Räumlichkeiten für nicht-kommerzielle Projekte benutzen dürfen. Die anderen Räumlichkeiten, also die Werkstatt, Ateliers und Büros werden von Zitrone-Mitgliedern gegen einen Mitgliederbeitrag von 125 Franken pro Monat genutzt.

Was Mietbeiträge für Zwischennutzung betrifft, so übte der Verein Zitrone in der Vergangenheit selbst Kritik. Vor allem die «Raumbörse», eine Zwischennutzungs-Organisation der Stadt, würde Mietpreise aufgrund kommerzieller Interessen in die Höhe treiben. Über die Hintergründe berichtete Tsüri.ch anfang Oktober dieses Jahres.

Ich finde die Zwischennutzung sehr cool und schätze, dass es so was gibt.

Adrian, Stand-Up-Paddle-Bauer

Eine Werkstatt befindet sich gleich oberhalb der Halle. Hier hat sich Adrian eingerichtet. Er ist der einzige, den wir an diesem Samstag in der Werkstatt antreffen. Aus dem Radio tönt laute Musik. Er hat sein altes Sofa hergebracht, um es zu restaurieren.

«Ich finde die Zwischennutzung sehr cool und schätze, dass es so was gibt», meint der 48-Jährige. Als Ausgleich zum Alltag komme er gerne an den Wochenenden hierher, um zu werken.

Am Boden liegt ein Stand Up-Paddle, das Adrian diesen Sommer selbst gemacht hat. Ob er damit bereits auf den See ist? «Nein, das habe ich nicht geschafft. Aber der Weg ist das Ziel», sagt er und lacht. Gleich vis à vis von seiner Werkstatt sammelt jemand Leuchtbuchstaben und ein Raum weiter bearbeitet jemand Holz.

Künstler:innen, Instrumentenbauer:innen und Musiker:innen

Wieder draussen treffen wir das langjährige Zitrone-Mitglied Laura an. «Im ehemaligen Getränkehandel Gebäude befinden sich weitere Ateliers und Gemeinschaftsräume. Und im Keller haben zwei Musikbands ihre Studios eingerichtet», erklärt sie.

Lauras Atelier ist im Erdgeschoss. Die freiberufliche Illustratorin kommt jeden Tag hierher, um zu arbeiten. Den Austausch mit den anderen Mitgliedern schätze sie sehr. Und doch habe sie ihr eigenes Zimmer, das sie, wenn sie mal Ruhe braucht, jederzeit abschliessen kann.

Gleich neben ihrem Studio hat sich ein Instrumentenbauer, der Geigen und Cellos herstellt, eingenistet. Ein Atelier weiter steht ein Servierwagen, in dem ein Haufen Leuchtwesten verstaut sind.

Daneben steht eine Leinwand, auf der Leuchtwesten kleben. Am Ende des Korridors führt eine Treppe in den Keller. Zwei Musikbands haben diesen zu einem schalldichten Bandraum umfunktioniert. «Auch Comedyshows werden hier unten gedreht», erklärt Laura weiter.

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Auf den Bühnen im Inneren der Halle finden unter anderem Konzerte statt.

Bewohnen und wieder beleben

Im obersten Stock befinden sich die Gemeinschaftsräume. Das Fenster in der Küche steht offen und führt auf eine grosse Terrasse mit Blick auf das Backsteingebäude. Auf dem Platz vor der grossen Halle steht ein buntes Fahrzeug mit der Aufschrift «No real Trash».

Drinnen im Esszimmer essen zwei ETH-Student:innen Mittag. Während drei Monaten dürfen auch sie sich in der Zwischennutzung einnisten und sich mit dem Verein und dem Gebäude auseinandersetzen. «Dass ich mich mit der Zwischennutzung beschäftigen und so ein Stück weit auch einen Teil des Zitrone Vereins sein kann, finde ich spannend», sagt Nina.

Interessant fände sie das Projekt auch aus architektonischer Sicht, weil man von einer Zwischennutzug sehr viel lernen könne: «Wie Menschen ein Gebäude bewohnen und wieder beleben, das eigentlich abgerissen werden sollte.»

Aber auch das Zusammenleben und Funktionieren der Zitrone-Mitglieder und wie alle ihren Teil zur Gemeinschaft beitragen, fasziniert die Studentin sehr.

Beim Verlassen der Halle laufe ich in Richtung Bahnhof Manegg. Es riecht nach Bouillonsuppe. Grüne Kisten mit Essen werden aus einem Lieferwagen getragen und aufeinandergestapelt.

Rund drei Dutzend Menschen stehen mit Einkaufstaschen und Einkaufswagen Schlange, um Teigwaren, Reis, Kartoffeln und Gemüse entgegenzunehmen. Am Ende der Fabrikhalle findet hier jeden Samstag die notgeborene Aktion «Essen für alle» statt. Ein weiteres Projekt, das hier seinen Platz gefunden hat.

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