Macht abends Markt!
Gastautoren: Maximilian Stern und Tobias Naef
Wir möchten es gleich zu Beginn eingestehen: Wir sind keine Marktgänger. Wir sehen den Markt am Helvetiaplatz frühmorgens als Velofahrer nur im Augenwinkel vorbeihuschen. Natürlich kaufen auch wir ein: Südfrüchte, Wintergemüse, Sporenpilze, Sauerteigbrot und ab und an ein Wiedikerwürstchen. Aber wir tun dies nicht auf dem Markt, sondern im ewigflackernden Neonlicht der Supermärkte. Nach Feierabend.
Der Markt als Faszinosum
Nun fasziniert uns aber der Markt in vielerlei Hinsicht. Hier trifft frisches Angebot auf gierige Nachfrage, unbekannte Futterobjekte lauern an den Ständen, Neuigkeiten werden ausgetauscht, es wird gefeilscht und gehandelt. Hier kommen auch Kulturen zusammen: Die gummibestiefelte Bäuerin belehrt den aufmüpfigen Studenten der Kommunikationswissenschaft, wann Kirschen genau in Saison sind. Der grummelige Metzgermeister erklärt der fixiefahrenden Architektin, dass er beim Räuchern der Wurst noch nie ein Haus abgefackelt hat. Es werden eben nicht bloss Waren, sondern ganze Wahrheiten ausgetauscht: Der ländliche Konservatismus trifft auf den städtischen Progressivismus, die naiven Hipster werden von den karg lebenden Selbstversorger*innen auf den Boden der Realität geholt. Schickeria vs. Scholle.
So oder ähnlich stellen wir uns zumindest den Markt vor. Wir sind ja selbst nie da. Denn: Wenn wir einkaufen gehen können, schliesst der Markt bereits wieder. Wer ist denn eigentlich vor 11 Uhr an einem Dienstagvormittag schon auf dem Markt? Die meisten Menschen müssen doch eigentlich zur Arbeit? Und wer wird schon gerne von seiner oder ihrer Chef*in im Büro begrüsst, wenn er oder sie gänzlich mit Rhabarber und hausgemachten Fettucine beladen ist? Ganz abgesehen davon, dass die Einkäufe ja wohl kaum den ganzen Tag ohne Kühlung auskommen. Wir persönlich hüten uns davor, den Bierkühlschrank der Kolleg*innen für frischen Pulpo freizuräumen und empfehlen euch, es uns gleichzutun.
Überwunden geglaubte Rollenbilder?
Es scheint uns, als ob die Markttradition Rollenbilder aus dem ganz frühen 20. Jahrhundert pflegt, wo die Dame des Hauses am Dienstagvormittag noch nicht an der Börse getradet, sondern eingekauft und anschliessend gekocht hat. Und die Öffnungszeiten sind dem Vernehmen nach strikt: Kürzlich erreichte uns die Nachricht einer Bekannten, die es tatsächlich einmal auf den Markt geschafft hat – allerdings nur knapp. Sie wollte um fünf nach 11 einen Apfel kaufen, worauf sie der Marktverkäufer flüsternd bat, das Geld unauffällig in den Basilikumtopf zu legen, damit ihn die Marktpolizei nicht beim Spätverkaufen erwischt. Die Busse hätte ihm wohl seine Marge auf dem Apfel zunichtegemacht.
Ein Deal für die Märkte! Und für uns.
Es liegt also scheinbar einiges im Argen mit den Zürcher Märkten. Konstruktiv, wie wir sind, warten wir mit einem Vorschlag auf. Was haltet Ihr von folgendem Deal, liebe Marktbetreibende: Ihr macht mal am Abend Markt und lässt die alten Rollenbilder sausen, dafür kommen wir auch wirklich vorbei und werden unsere seltsamen Marktvorstellungen los. Einverstanden?
PS: Der Quartierverein Wipkingen befragt zurzeit seine Mitglieder, ob sie ihren Markt am Abend wollen. Wipkinger*innen, klickt hier.
Titelbild: flickr.com / Gaël Chardon
Maximilian Stern ist Verwaltungsrat bei Tsüri.ch und würde gerne einmal auf den Markt, kann aber nur am Abend, weil er vormittags mega busy ist.
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