Linkes Seeufer für alle: Wird eine Initiative über das Kibag-Areal entscheiden? - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Michael Schallschmidt

Praktikant Redaktion

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21. Februar 2022 um 22:00

Linkes Seeufer für alle: Wird eine Initiative über das Kibag-Areal entscheiden?

In Wollishofen sorgt ein Areal der Kibag seit Jahren für Diskussionen zwischen der Eigentümerin, der Politik und der Interessensgemeinschaft «Linkes Seeufer für alle». Letztere sieht die Existenz der Roten Fabrik und die Freiräume am Seeufer bedroht. Einige Mitglieder planen nun eine Initiative, die über die Zukunft des Areals entscheiden soll.

Das Kies- und Betonwerk der Kibag in Wollishofen (alle Bilder: Michael Schallschmidt).

Ein kalter Wind peitscht über den See, biegt die Äste der kahlen Laubbäume und der Himmel verbirgt sich hinter grauen Wolkendecken: Der Mythenquai am linken Ufer des Zürichsees wirkt im Winter alles andere als einladend. Wer dennoch vorbei an der Landiwiese und entlang der Schiffsanlegestellen Richtung Rote Fabrik spaziert, kommt an einem postkartenreifen Alpenpanorama und an zwei heiss diskutierten Arealen vorbei. 

Dabei handelt es sich um das Areal der ehemaligen Franz-Garage sowie das Beton- und Kieswerk des Zürcher Bauunternehmens Kibag AG. Beide Gebiete sind über Wollishofen hinaus ein ständiges Politikum und stellvertretend für den Kampf der Bevölkerung um öffentliche Grün- und Erholungsräume am Seeufer.

So wehrten sich bereits im Jahr 2019 der Gemeinderat und die Anwohner:innen Wollishofens gegen ein Bauprojekt, das ein siebenstöckiges Wohnhaus auf dem Areal der ehemaligen Franz-Garage vorsieht. Das geplante Gebäude sollte dereinst 68 Luxuswohnungen beherbergen.

Mit seinem Schattenwurf würde es jedoch lokale Naherholungsgebiete beeinträchtigen, namentlich das Savera-Areal mitsamt Strandbad, kritisierten Anwohner:innen. Weiter berücksichtige das Bauprojekt die Nachfrage an bezahlbarem Wohnraum nicht, wie der Gemeinderat festhielt.

Eine Geschichte des Scheiterns

Die Debatte um das linke Seeufer erreichte im Rahmen der Besonnungs-Initiative letztes Jahr ihren Höhepunkt. Mit seiner Vorlage forderte der parteilose Initiant Peter-Wolfgang von Matt ein Verbot von schattenwerfenden Neubauten in Nähe des Seeufers: «Der Erholungsraum würde durch Verbauung und Verschattung massiv beeinträchtigt», lässt die Website des Initiativ-Komitees bis heute verlauten.

Auf dem Grundstück zwischen Savera-Areal und Mythenquai sind die Bauarbeiten bereits in vollem Gange

Ihr Hauptziel bestand mitunter darin, eine geplante Seilbahnanlage der ZKB und den Bau des Wohnhauses auf dem Areal der Franz-Garage zu verhindern. Während das Seilbahnprojekt der Kantonalbank bis anhin an Rekursen und einem Urteil des Verwaltungsgerichtes scheitert, befindet sich der Luxuskomplex hinter dem Savera-Areal ohnehin bereits im Bau.

«Die Kibag hat keine Pläne für die Jahre nach 2030.»

Katrin Bachofen, Medienstelle der Kibag

Sowohl der Stadt- als auch der Gemeinderat lehnten die Initiative ab. Letztendlich scheiterte die Vorlage im September 2021 mit 57,8 Prozent Nein-Stimmen an der Urne. Nicht einmal in Wollishofen, wo sich die umstrittenen Bauprojekte befinden, war die Initiative mehrheitsfähig, wie die NZZ berichtete.

Kibag hält an Status quo fest

Was die Gesamtplanung des linken Seeufers rund um die Rote Fabrik betrifft, so reichten zwei Gemeinderät:innen der Grünen im Jahr 2019 mit Erfolg eine Motion ein. Diese verlangt durchgehende oder zumindest miteinander verbundene Freiraumzonen rund um das städtische Seebecken. Vor allem zwischen der Landiwiese und der Stadtgrenze bestehe diesbezüglich Handlungsbedarf, so die Motionär:innen. Demnach soll der Stadtrat eine Gebietsplanung vorlegen, die die Bedürfnisse der Bevölkerung nach Erholungsräumen und günstigem Wohnraum berücksichtigt.

Hier kommt das Areal der Kibag ins Spiel, das an das linke Seeufer anstösst. Momentan nutzt das Bauunternehmen das Gelände hauptsächlich für industrielle Zwecke. Nebst einem Betonwerk baut die Firma hier Kies direkt aus dem Zürichsee ab und beliefert städtische Bauprojekte mit Rohstoffen.

Wie ein Gemeinderatsbeschluss aus dem Jahr 2008 festhält, wären auf dem Areal auch Mischzonen möglich, wie beispielsweise Wohn- und Gewerberäume. Diese Sonderbauvorschriften beruhen auf Bestimmungen des kantonalen Bau- und Planungsgesetzes aus dem Jahr 1978, wie aus dem Dokument hervorgeht.

«Wenn wir jetzt nicht um das Areal kämpfen, dann folgt unweigerlich eine Neubebauung.»

Linkes Seeufer für alle

Das Unternehmen habe sich gegenüber der Stadt jedoch verpflichtet, das Gebiet bis 2030 als Kies- und Betonwerk zu nutzen, wie Kibag-CEO Ulrich Widmer gegenüber der NZZ sagte. Zwar habe es Pläne gegeben, das Areal nach Ablauf dieser Frist neu zu bebauen. Diese habe das Unternehmen jedoch aufgrund der Motion von 2019 verworfen.

Daran habe sich bis heute nichts geändert: «Die Kibag hat keine Pläne für die Jahre nach 2030», bestätigt Katrin Bachofen, von der Medienstelle des Unternehmens auf Anfrage. Die Firma verfolge demnach keine konkreten Bauprojekte, wie beispielsweise eine Neugestaltung des Areals mit Wohngebäuden.

Weitere Bauvorhaben befürchtet

«Wir setzen uns dafür ein, dass das Kibag-Areal für die Gesamtbevölkerung frei zugänglich wird», sagen die Mitglieder der Interessengemeinschaft «Linkes Seeufer für alle». Dabei handle es sich um einen Organisationsraum, in dem jede:r Interessierte mitwirken darf – aus der ganzen Stadt. Die Gemeinschaft zählt zwischen 15 und 25 Mitglieder, die sich aktiv dafür engagieren.

Die Organisation stehe in Kontakt mit der Kibag, zweifle jedoch an ihren Angaben, keine konkreten Pläne für das Areal am Seeufer zu verfolgen. Vielmehr befürchten die Mitglieder einen erneuten Anlauf seitens des Unternehmens, sobald die Planungsfrist für das Gebiet in diesem Jahr zu Ende gehe: «Wenn wir jetzt nicht um das Areal kämpfen, dann folgt unweigerlich eine Neubebauung.» 

Im Einsatz für die Rote Fabrik

Dies gelte es zu verhindern, da es sich bei dem Gebiet zwischen der Roten Fabrik und dem Savera-Areal um einen der letzten verbliebenen Freiräume in Zürich handle. Aus diesem Grund solle auf dem Areal kein Wohngebiet im Hochpreissegment entstehen: «Dies würde eine höhere Polizeipräsenz und zahlreiche Lärmklagen nach sich ziehen, was auch die Existenz der Roten Fabrik bedroht.»

Die Rote Fabrik grenzt an die Areale der Kibag an.

Was mit dem Kibag-Areal und ferner mit dem ganzen Gebiet geschieht, habe eine Signalwirkung für zukünftige städtebauliche Projekte, erklären die Mitglieder: «Wenn die Stadt jetzt ihre Verantwortung ernst nimmt, können wir mehr als nur dieses Areal retten. Wir können so auch wirkungsvoll zeigen, dass die Bevölkerung nicht machtlos ist gegen Immobilienfirmen.»

Kibag-Areal soll vor die Urne

Eine Gentrifizierung von Wollishofen sei aufgrund der Nähe zum See möglich – ähnlich wie es im Seefeld geschieht (wir berichteten). Das Komitee setze sich jedoch dafür ein, einen solchen Prozess neu zu denken: «Das was neu erschaffen wird, soll in Übereinstimmung mit den jetzigen sozialen, ökologischen und kulturellen Institutionen und den Wünschen der Bevölkerung geschehen.»

Begehrte Lage: Das Beton- und Kieswerk der Kibag befindet sich direkt am See.

Aus diesem Grund würden die Mitglieder sich vor allem auf Informationsarbeit konzentrieren. Mit der Stadt und Politiker:innen würden sie zwar in Kontakt stehen, sie verstehen sich jedoch nicht als politisches Netzwerk: «Wir vertreten kein politisches Interesse, sondern ein gesellschaftliches. Jede:r soll die Areale nutzen dürfen, unabhängig von der politischen Haltung.»

Einige Mitglieder planen für den 21. und 22. Mai ein Quartierfest in Wollishofen, um einen Raum für Informationen und Ideenaustausch zu schaffen. Mit dabei seien über zehn involvierte  Organisationen. Andere wiederum planen, noch in diesem Jahr eine Initiative zu lancieren, die über eine Weiterentwicklung des Areals entscheiden soll: «Wir sind nicht gegen die Kibag oder gegen die Stadt. Wir sind für die Weiterentwicklung eines Freiraumes.» 

Amt für Städtebau sieht Potenzial 

Währenddessen beschäftigt sich auch die Stadt eingehend mit den Grundstücken der Kibag am linken Seeufer. Denn die Areale sind Teil der Testplanung Seeufer Wollishofen. Damit wolle die Stadt die Bedürfnisse der verschiedenen Nutzungsgruppen an das Gebiet zwischen der Landiwiese und bis und mit der Roten Fabrik ermitteln, wie das Amt für Städtebau auf Anfrage angibt.

Etwa bis zum Ende dieses Jahres sollen sich die Erkenntnisse aus der Testplanung in einen Masterplan verdichten, so das Amt weiter. Dieser werde schliesslich dem Stadtrat zur Kenntnis vorgelegt. Bereits heute sei klar: «Das Kibag-Areal in Wollishofen hat langfristiges Entwicklungspotenzial», wie Anatole Fleck, stellvertretender Kommunikationsleiter des Amts für Städtebau auf Anfrage schreibt.

Der Handlungsspielraum der Stadt unterliege jedoch gesetzlichen Vorlagen, was das Kibag-Areal betrifft: «Eine Öffnung des Areals muss mit der Grundeigentümerin gemeinsam verhandelt und vollzogen werden.» Die Zukunft des Kibag-Areals bleibt somit bis auf weiteres ungewiss.

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