Liebesbriefe an die Brücken unserer Stadt: Teil 2 - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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30. Mai 2022 um 04:00

Brückenliebe: «Du bist nicht besonders schön und auch nicht besonders hoch»

Zürich ist eine Brückenstadt. Wir haben Liebesbriefe an unsere Lieblingsbrücken geschrieben und die wichtigsten Fakten zu ihnen zusammengetragen. Im zweiten Teil unserer Serie geht es weiter mit der Quaibrücke, dem Lettensteg und der Fussgängerbrücke über der Albisriederstrasse.

Ein so leerer Lettensteg bei so gutem Wetter: eine Zürcher Rarität. (Foto: Alice Britschgi)

Lieber Lettensteg…

Du bist nicht besonders schön und auch nicht besonders hoch, dafür bist du umso nützlicher und überquerst dabei stolze zwei Flüsse, bevor sich diese nach dem Unteren Letten für immer paaren. Du bist so vieles und vor allem fester Bestandteil meines Sommers! Du bist der Umschlagpunkt vom Limmatplatz zum Parki, Stazione Paradiso, Umbo und den beiden Letten. Du bist ein Treffpunkt, wenn ich mich mit Freund:innen für den Sprung ins kühle Nass verabrede. Du bist ein Ausgangspunkt: Von dir aus kommt man zum Badeeinstieg direkt nach dem Kraftwerk, um von der vollen Länge unterer Letten zu profitieren oder in das Flussbad Oberer Letten und nicht wenige starten ihr Limmat-Böötlen-Abenteuer unter dir. Und nebenbei bist du ein vorzüglicher Veloparkplatz. Zwar blickt man von dir direkt auf das Kraftwerk, aber gleichzeitig bist du auch die letzte Warnung davor. Du bist so vieles und ich bin so dankbar. 

Ladina Cavelti

Velotauglichkeit: 4 von 5 Punkten (keine Autos aber im Sommer viele Fussgänger:innen und andere Velos)

Ausblick: 2 von 5 Punkten

Romantik: 2 von 5 Punkten

Gut zu wissen: 

Der Lettensteg – eine Beton-Balkenbrücke – wurde 1885 zusammen mit dem Kraftwerk Letten fertiggestellt, verlor 1929 jedoch mit der eröffnung der Kornhausbrücke an Bedeutung. Die Brücke war in den 1990er-Jahren Teil der offenen Drogenszene in Zürich.

Ein bisschen Schwäne, ein bisschen Kirchtürme, ein bisschen Bergpanorama (im Rücken): das ist Züri für Touristen. (Foto: Alice Britschgi)

Liebe Quaibrücke...

Eigentlich wollte ich über die Kornhausbrücke schreiben – schon vergeben. Da ploppte ein Kalenderspruch in meinem Kopf auf: Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit. Heisst: Alle Brücken, die mir ein bisschen egal sind, sind mir ferner als du – denn dich hasse ich ein bisschen. 

Früher war das jedenfalls so. Ich wollte in einer Grossstadt leben; von dir aus sieht man das kitschige Schweizer Bergpanorama. Ich wollte mehr Charakter; du bist nur hübsch. Ich wollte ein bisschen abgefuckt; du verbindest Bankenviertel und Kronenhalle. Du bist einfach so Züri – auf die schlechte Art. Heute mag ich dich aber schon etwas. Weil du von Frauenbadi und Zirkus-Conelli auf der einen, von Schwänen und Pedalos auf der anderen Seite gesäumt wirst. Weil der Weg ins Quartier, wo ich aufgewachsen bin, über dich führt. Weil du einfach so Züri bist, so zu Hause und vielleicht auch ein bisschen wegen des Bergpanoramas.

Alice Britschgi

Velotauglichkeit: 3 von 5 Punkten (wie weiter am Bellevue?)

Ausblick: 5 von 5 Punkten (ja, das Bergpanorama)

Romantik: 1 von 5 Punkten

Gut zu wissen: 

Trams, Autos, Velos: Täglich überqueren im Schnitt 21’203 Fahrzeuge die Quaibrücke, in der letzten Stunde waren es 1’325. Auch wenn ich es mir und meiner Prokrastination zutrauen würde: Nicht ich habe nachgezählt, sondern die Stadt. Nach fünfjähriger Bauzeit wurde die Quaibrücke 1885 eingeweiht. Seit dem zweiten Weltkrieg beherbergt sie an ihrem Kopfende beim Bürkliplatz einen Bunker. Er ist teil der «Limmatstellung». Ein unscheinbarer Gulli auf dem Trottoir dient als vertikaler Einstieg. Und Schwäne aufgepasst: Richtung See sind in der Brückenmauer Schiessscharten eingelassen. 

Hier ist fertig Stadt: die Fussgängerbrücke über der Albisriederstrasse. (Foto: Alice Britschgi)

Liebe Fussgängerbrücke über der Albisriederstrasse...

Dich kennen wohl die wenigsten. Du befindest dich am Stadtrand, hinter den letzten Häusern in Albisrieden. Du bist mir aber schon in meiner ersten Woche in Zürich aufgefallen, als ich einen Artikel über den Kreis 9 geschrieben habe. Oft fahre ich mit dem Fahrrad unter dir durch und fluche. Nicht wegen dir, nein, sondern wegen der zwölfprozentigen Steigung der Albisriederstrasse, die du überquerst. Manchmal lächle ich dich auch an, wenn ich von der anderen Seite herkomme und den Hügel runterflitze. Und dann gibt es Tage, an denen ich dich joggend überquere oder sehr vorsichtig begehe, weil du mit Schnee bedeckt bist. Wir haben übrigens den gleichen Jahrgang und sind beide gerade etwa so alt, wie du lang bist: 29,9 Meter. Gratuliere zum Dreissigsten. Ich komme bald vorbei, um mit dir anzustossen. Versprochen!

Emilio Masullo

Velotauglichkeit: 0 von 5 Punkten (ist ja auch eine Fussgängerbrücke mit Fahrverbot)

Ausblick: 3 von 5 Punkten (lieber noch ein bisschen weiterlaufen bis zum Hasenrain und über die Stadt blicken)

Romantik: 3 von 5 Punkten (hier wirst du sicherlich nicht so oft beim Knutschen gestört, wie auf anderen Brücken der Stadt)

Gut zu wissen: 

Die zulässige Belastung dieser Brücke beträgt 500 Kilogramm. Vielleicht gerade ein bisschen knapp, um mit dem Tsüri-Team auf dieser Brücke ein Teamfoto zu schiessen. Viel mehr findet man im World Wide Web nicht über die Brücke. Falls du dir ein paar weitere technische Daten wünschst, wirst du hier fündig. Alles andere muss selber recherchiert werden. 

Liebesbriefe an die Brücken unserer Stadt

In einer dreiteiligen Serie gestehen wir 11 Zürcher Brücken unsere Liebe:

1. Brückenliebe: «Auf dir duftet es immer ein bisschen nach Meer»

2. Brückenliebe: «Du bist nicht besonders schön und auch nicht besonders hoch»

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