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20. Dezember 2016 um 08:55

Kühe soweit das Auge reicht – und das mitten an der Bahnhofstrasse

Der Eingang zum «Haus Appenzell» liegt etwas versteckt an der Bahnhofstrasse, zwischen dem Nobelrestaurant Carlton und der UBS. Wer nicht darauf achtet, könnte ihn glatt übersehen.

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Doch dieser Eingang führt zu einem Haus mit Geschichte. 1911 von Huwyler und Cuttat im Neo Renaissance-Stil erbaut und jahrzehntelang das führende Stilmöbel-Fachgeschäft der Schweiz, ist das Haus heute Kulturbotschafter und Stiftung zugleich. Gründer der Stiftung ist Ernst Hohl, Innenarchitekt, Weltenbummler und Kunstförderer zugleich. Er erzählte mir über die Vergangenheit dieses Hauses, seine Motivation auch mit über 70 mitten an der Bahnhofstrasse Appenzeller Kultur auszustellen und gestand mir dabei – ganz am Rande – seine Liebe zu Zürich.

Helene: Herr Hohl wer sind Sie?
Ernst Hohl: Ich bin ein Pendler. Als Appenzeller und Zürcher bin ich Doppelbürger, meine Grosseltern lebten im Appenzellerland meine Eltern in Zürich. Die Wochenenden meiner Jugendjahre verbrachte ich im Appenzellerland. Ich bin aber auch ein Pendler zwischen Zürich und China. Meine Frau ist Chinesin und die chinesische Kultur zog mich schon in den 80er-Jahren in ihren Bann. Irgendwann wurde es mir zu eng in der Schweiz und so zog es mich über die Grenzen hinaus in fremde Länder ...

Und doch sind Sie immer wieder nach Zürich zurückgekehrt. Warum?
Zürich hatte einst den Slogan «Downtown Switzerland», meiner Meinung nach ist diese Ära vorbei. Zürich ist eine pulsierende Weltstadt. In Zürich hat man alles, was man braucht. Die Stadt liegt zentral, zwischen Flughafen und Autobahn. Wir geniessen hier eine enorm hohe Lebensqualität und eine grosse Vielfalt an kulturellen und gastronomischen Angeboten. Auch die Infrastruktur stimmt.

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Der Eingangsbereich des «Haus Appenzell» – erbaut wurde das Haus im Neo-Renaissance Stil und ist bis heute sehr gut erhalten.

Wir sind hier im Haus Appenzell, mitten in Zürich an prominenter Lage an der Bahnhofstrasse. Neben Banken und Edelboutiquen haben Sie 2006 die Kulturstiftung Ernst-Hohl gegründet. Seither bieten Sie jedes Jahr aufwändig produzierte Ausstellungen an und das kostenlos. Warum? Was ist Ihre Motivation? An Angeboten für die Nutzung dieser wunderschönen Räume würde es sicherlich nicht mangeln.
Ja, das stimmt. Wir könnten das Haus vergolden. Aber das will und wollte ich nicht. Dieses Haus ist eigentlich und ursprünglich ein Produkt des in der Schweiz vorherrschenden Kantondenkens. Im Appenzellerland sagte man mir: «Kannst du uns in Zürich aussstellen?», und in Zürich hiess es: «Hier werden nur Zürcher ausgestellt.» Ja, ich stiess auf Ablehnung. Trotzdem haben wir an der Grundidee, den Menschen in Zürich und darüber hinaus die Kultur und Traditionen aus der Säntisregion näherzubringen, festgehalten und diese dann umgesetzt.

Und als in meinen jungen Jahren die Banken begannen, Liegenschaft nach Liegenschaft aufzukaufen, entschied ich mich gegen diesen Trend. Ich hatte Mühe damit. Als Innenarchitekt wollte ich dieses Haus nicht nur hegen und pflegen, sondern auch dessen «Bestimmung» weiterführen. Denn als das Haus 1911 gebaut wurde, verewigten die Handwerker an der Decke die Worte «Kunst und Handwerk vereint sich hier». Das soll keine grundsätzliche Kritik an den Banken sein, denn sie sind noch immer wichtige Geldgeber, und wir brauchen sie. Aber ich dachte, es schadet nicht, in diesem Zentrum auch etwas Kulturelles zu schaffen. Ich fand, dieses Haus muss der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Neben dieser «föderalistischen» Idee, die Kultur und Traditionen aus dem Appenzellerland nach Zürich zu bringen, gab es ein zweites und prägendes Erlebnis, das mich dazu bewog, die Stiftung zu gründen. Ich hatte einen schweren Autounfall und mir wurde klar, dass alle meine Mitarbeiter ihren Job verlieren, wenn mir jemals etwas zustösst. So führte ich die Liegenschaft und das Unternehmen in eine Stiftung über und nahm alle meine langjährigen Mitarbeiter mit.

An kulturellen Angeboten in Zürich mangelt es jedoch nicht. Was zeichnet ihre Ausstellungen aus? Woher nehmen Sie Ihre Daseinsberechtigung?
In der Tat hat Zürich nicht auf uns gewartet. Aber ich denke, hier spielt wieder das anfänglich erwähnte «Pendeln» eine wichtige Rolle. Auf meinen zahlreichen Reisen habe ich immer wieder Dinge in fremden Ländern gesehen, die ich auch an der Schweiz liebte und schätzte. Ich entdeckte häufig, egal wie unterschiedlich die Kulturen waren, viele Parallelen zur Schweiz. Um ein Beispiel zu nennen: In unserer aktuellen Ausstellung steht die Kuh im Mittelpunkt. Auf meinen Reisen nach Indien und China tauchte häufig das Symbol der Kuh auf. Genau diese Schnittpunkte zwischen verschiedensten Kulturen wollen wir fassbar machen. Wir wollen sie zusammenführen und daraus etwas Neues - vielleicht Schräges und noch Unbekanntes kreieren. Daraus schöpfen wir unsere Existenzberechtigung. Alle unsere Ausstellungen sollen zudem professionell gestaltet sein, realisier- und bezahlbar sein und auch immer nachhaltig sein.

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Ein Scherenschnitt mit chinesischen Kühen. Im «Haus Appenzell» vereinen sich Kunst und Kultur aus Ost und West.

Sie könnten eigentlich schon längst Ihren wohlverdienten Ruhestand geniessen...
Das stimmt, es braucht auch sehr viel Kraft ... Und ich müsste eigentlich schon längst nicht mehr. Aber ich realisiere alle diese Ausstellungen aus Überzeugung und mit der Hoffnung, irgendetwas beitragen zu können. Der schönste Lohn ist das Feedback, das wir von den Besuchern erhalten.

Und daraus schöpfen Sie die Kraft, immer weiter zu machen?
Genau. Zudem ist ein Grossteil unserer Besucher eher älter. Und wie wir wissen, wächst diese Altersklasse stetig. So denke ich mir, wieso nicht auch einmal dem älteren Teil der Gesellschaft etwas zurückgeben, ihnen eine Freude bereiten oder sie gar geistig fit behalten. Wir verlangen kein Eintrittsgeld, was viele Leute dazu bewegt, sich die Ausstellung mehrere Male anzusehen.

Da muss ich Ihnen widersprechen. Meiner Meinung nach lohnt es sich genauso für jüngere Generationen diesem Haus einen Besuch abzustatten. Nur schon der Innenarchitektur wegen ... Und dann noch erst dieser Lift ...
Sehen Sie, das ist genau das Feedback und die Begeisterung, für die ich arbeite und immer weiter mache! Das ist der Lohn, den ich ernte.

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Auch die Zürcher Streetart-Künstlerin Ona Sadkowsky gestaltete im Rahmen der aktuellen Ausstellung ihre ganz eigene Kuh. (Bild: hausappenzell.ch)

Was können wir Zürcherinnen und Zürcher noch aus dem Appenzellerland lernen?
Ich finde es generell immer schwierig, Ratschläge zu erteilen. Und ich denke, dass Zürcherinnen und Zürcher schon genug emanzipiert sind und keine Ratschläge brauchen. Wenn ich den Zürcherinnen und Zürcher aber doch etwas in Erinnerung rufen müsste, dann wäre das folgendes: Vergesst eure Wurzeln und Traditionen nicht! Bleibt realitätsnah und hebt nicht ab in dieser wunderschönen und sich wandelnden Stadt.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass dieses Haus und der Sinn, den wir mit unserer Stiftung verfolgen, bestehen bleiben und eine Daseinsberechtigung haben. Dass wir auch in Zukunft in diesem Rahmen zugänglich sind für die Öffentlichkeit. Und zu guter Letzt hoffe ich, dass die Zeiten, die diese Stadt erlebt hat, auch weiterhin von diesem Haus durchlebt und widerspiegelt werden können.

Anlässlich seines zehnjährigen Jubiläums widmet sich das Haus Appenzell der Kuh in Kunst und Gesellschaft. Die kostenlose Ausstellung «KUHLTOUR - Kuh, Kunst und Kurioses aus Ost und West» dauert vom 28. Oktober 2016 bis und mit 29. April 2017 und ist jeweils Di-Fr 12-17 Uhr und Sa 11-17 Uhr geöffnet. Ein Besuch lohnt sich nur schon der Innenarchitektur wegen. Der Eingang zum Haus Appenzell liegt an der St. Peterstrasse 16.

Mehr Informationen zur Ausstellung sowie zur Ernst Hohl-Kulturstiftung findet ihr hier.

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