Klima-Briefing im Januar: Eintausend leere Versprechen - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Isabel Brun

Redaktorin

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27. Januar 2023 um 11:00

Klima-Briefing im Januar: Eintausend leere Versprechen

Das Klima-Briefing ist der monatliche Newsletter über Klima-Themen aus Zürich und der Welt. Was uns im Januar 2023 beschäftigt hat: Greta Thunberg besucht Lützerath und Davos, die ZKB soll zur «Klimabank» werden und eine Recherche zeigt auf, wie jahrelang mit CO2-Zertifikaten betrogen wurde.

Illustration: Zana Selimi

Das Klima-Briefing macht mir jeweils schmerzlich bewusst, wie schnell die Zeit doch vergeht. Erst noch schrieb ich über Albert Röstis Wahl in den Bundesrat, was das für die Klimaziele der Schweiz bedeuten könnte und dass er im Januar nach Davos ans Weltwirtschaftsforum (WEF) reisen wird. Letzteres fand vergangene Woche, vom 16. bis 20. Januar, statt. Ich war nicht vor Ort, doch laut anderen Medien waren es intensive Tage in den Bündner Bergen: Greta Thunberg wurde von Verschwörungstheoretikern drangsaliert, Klimaaktivist:innen forderten eine Klimasteuer, UNO-Generalsekretär António Guterres schaute einem «Hurrikan der Kategorie 5 ins Auge» und Deutschland wollte die Schweiz bei einem Gas-Solidaritätsabkommen nur berücksichtigen, wenn Italien auch mitmischen darf, resümiert das SRF.

An dieser Stelle könnten wir eigentlich abbrechen, denn glaubt man Thunberg, ändert auch ein Grossanlass mit internationaler Ausstrahlung nichts an der Tatsache, dass Energiekonzerne weiterhin in fossile Energien investieren würden. Man höre den Leuten zu, die der Zerstörung des Planeten am meisten Vorschub leisteten. Stattdessen soll man ihr zufolge den Menschen zuhören, «die tatsächlich von der Klimakrise betroffen sind», zitiert das SRF die 20-Jährige. Thunberg diskutierte am 19. Januar gemeinsam mit den Klimaaktivist:innen Vanessa Nakate, Helena Gualinga und Luisa Neubauer mit dem Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, darüber, wie Regierungen und Unternehmen angemessen auf die Klimakrise reagieren sollen.

Im Zuge des Gesprächs überreichten sie den WEF-Teilnehmenden ein Abmahnungsschreiben, in dem sie sich an die Spitzen der Energiekonzerne richten. Darin fordern sie, neue Öl- und Gas-Projekte unverzüglich zu unterlassen, die Wende hin zu erneuerbarer Energie nicht länger zu verhindern und sich nicht mehr aus der Verantwortung zu ziehen. Es sei an der Zeit, den Konzernchefs deutlich zu machen, dass das Jahr 2023 ein Wendepunkt sein werde, heisst es in der Petition. Bis jetzt haben über 1,8 Millionen Menschen die Forderung unterschrieben.

Im Rahmen des WEF wanderten auch dieses Jahr wieder über 100 Aktivist:innen von Küblis nach Davos. Zwei Journalist:innen der Wochenzeitung WOZ begleitete die Wandergruppe am Wochenende vor dem Weltwirtschaftsforum und schrieben ihre Beobachtungen in einem Text nieder, den du auch auf Tsüri.ch findest. Die Wanderung endete mit einer Demonstration in Davos. Während der dortige Protest gemäss 20 Minuten bewilligt war und friedlich ablief, nahmen am Abend vom 17. Januar in Zürich über 400 Personen an einen illegalen Demo unter dem Motto «Smash WEF» teil. Wie Watson schreibt, sei die Stimmung aggressiv gewesen; einige Teilnehmenden hätten Böller und Feuerwerk gezündet. Die Polizei hielt sich jedoch zurück, um eine Eskalation zu verhindern. 

Deutsches Kaff wird zum Symbol lascher Klimapolitik

Anders als in Zürich ging die Polizei weniger zimperlich mit jenen Klimaaktivist:innen um, die einen Weiler in Nordrhein-Westfalen vor seinem Untergang zu bewahren versuchten. Falls dir «Lüzerath» kein Begriff sein sollte: Der deutsche Energiekonzern RWE plante, im Januar 2023 das Dorf, beziehungsweise die Gruppe von Häusern, mit dem Namen Lützerath, abzureissen, um die darunter liegende Braunkohle abzubauen. Bereits im Jahr 2013 begann die Umsiedlung der knapp 100 Einwohner:innen des Weilers – 2021 lebten laut einer deutschen Tageszeitung nur noch drei Personen auf dem Gelände. Gleichzeitig begann sich die Klimabewegung für den Ort und seine Zukunft zu interessieren.

Ab 2020 sei es immer wieder zu Besetzungen von Klimaaktivist:innen gekommen. Am 11. Januar begann die Polizei, den Ort zu räumen – und stiess auf enormen Widerstand, wie verschiedene Zeitungen berichteten (hier zum Beispiel das ZDF). «Jede Tonne Kohle, die verbrannt wird, ist ein Schlag ins Gesicht», begründet eine Aktivistin gegenüber Arte ihre Taten. Der Kohle-Ausstieg des Bundeslandes, der für das Jahr 2030 ausgehandelt wurde, sei nicht relevant, wenn bis dahin noch eine Menge CO2 durch Kohle freigesetzt wird.

Nach teilweisen Erfolgen seitens der Polizei – sie schafften es laut SRF zum Beispiel einen Tag nach Beginn der Räumung, 200 Menschen zum Gehen zu überreden –, war die Lage zunehmend angespannt. Auch, weil die verbleibenden Aktivist:innen viel Zuspruch aus aller Welt erhielten (so auch aus Zürich) und sich immer mehr Personen mit den Besetzer:innen solidarisierten. So kam es auch wenige Kilometer von Lützerath entfernt zu Demonstrationen am Braunkohletagebau Garzweiler.

Neben der deutschen Klimaaktivistin Luisa Neubauer nahm auch Greta Thunberg an der dortigen Kundgebung von Samstag, 14. Januar, teil. Danach eskalierte die Situation, weil mehrere tausend Demonstrant:innen versuchten, nach Lüzerath zu gelangen, berichtete das SRF. Die Polizeikräfte drängten die 15'000 bis 35'000 Teilnehmenden (die Polizei sprach von 15'000, die Organisatori:innen von 35'000) gewaltsam zurück, worauf einzelne Demonstrierenden Einsatzwagen der Polizei attackierten und Pyros in Richtung der Beamt:innen warfen. Die Fotos von den Ausschreitungen sprechen Bände:

Szenen wie im Krieg: Die Polizei war auch mit Pferden vor Ort, um gegen Klimaaktivst:innen vorzugehen. (Bild: Screenshot NZZ/Ronald Wittek)

Auch in den Tagen danach sei es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen von Demonstrierenden und Polizeikräften gekommen. Mittendrin: Greta Thunberg. Noch bevor sie nach Davos ans WEF reiste, wurde sie von der deutschen Polizei in Gewahrsam gebracht, jedoch noch am selben Abend wieder freigelassen. Andere werden wohl mit härteren Konsequenzen rechnen müssen. Wie die Zeit schreibt, hat der Energiekonzern RWE zivilrechtliche Schritte gegen Demonstrierende angekündigt. «Natürlich müssen alle Störer mit einer Schadenersatzforderung rechnen», so ein Sprecher. Gemäss RWE ist es während der Proteste zu Sachbeschädigungen an Fahrzeugen und Anlagen des Konzerns gekommen sowie seien mehrere Brunnen und Schaltanlagen zerstört worden. 

Gleichzeitig kam es nach den Ausschreitungen auch zu Kritik am Einsatz der Polizei: Schon bei der Räumung des Dorfes sei diese extrem schnell vorgegangen und habe dabei die Gefährdung von Aktivist:innen bewusst in Kauf genommen, so das Komitee für Grundrechte und Demokratie gegenüber WDR. Es sei deshalb «vorsichtshalber» Strafanzeige gegen Polizist:innen erstattet worden, um die Vorgänge untersuchen zu lassen, so die NZZ.

Falls du dich fragst, wie es mit dem Kaff Lützerath weitergeht: Seit dem 16. Januar gilt die Räumung als abgeschlossen. RWE gab an, dass der «Rückbau» des Dorfes weiter laufe und bereits «weit fortgeschritten» sei. Wie die ARD berichtet, könnte der Energiekonzern im März oder April bereits mit dem Abbaggern der Kohle starten. Es sei denn, die Klimaaktivist:innen nehmen einen neuen Anlauf.

Eine «Klimabank» für den Kanton Zürich

Ordentlich Kohle scheffeln wollen auch Schweizer Unternehmen – zumindest im übertragenen Sinn. Dass der Finanzplatz ein wichtiger Hebel im Kampf gegen die Erderwärmung ist, scheinen mittlerweile nicht nur Expert:innen, sondern auch die Politiker:innen im Bundeshaus realisiert zu haben (bis auf ein paar Ausnahmen jedenfalls). Erst vergangenen Dezember hatte der Bundesrat einen Bericht veröffentlicht, der unter anderem Massnahmen definiert, um den Finanzplatz Schweiz nachhaltiger zu machen. So wird von den Banken und Versicherungen beispielsweise gefordert, dass sie ihren Geldfluss transparenter darlegen.

ine nicht ganz einfache Angelegenheit in einem Land, das die Verschwiegenheit jahrzehntelang geübt hat. Während der Bund eine Arbeitsgruppe dazu beauftragt hat, eine geeignete Massnahme zur Greenwashing-Prävention auszuarbeiten, sieht die Schweizer Bankiervereinigung (SBVg) keinen Handlungsbedarf in dem Feld. Die SBVg sei nach wie vor der Ansicht, «dass kein unmittelbarer Regulierungsbedarf besteht», heisst es in der entsprechenden Mitteilung

Dass die Greenwashing-Problematik auf dem Finanzplatz durchaus ernst zu nehmen ist, zeigt eine aktuelle Auswertung in einer Studie von BAK Economics im Auftrag des Kantons Zürich. Dafür wurden über hundert Unternehmen aus der Finanzbranche befragt. Das Positive vorneweg: Gemäss Medienmitteilung sieht jedes zweite in nachhaltigen Anlageprodukten, auch «Sustainable Finance» genannt, eine Chance, um seine Reputation zu stärken und Kund:innen zu gewinnen. Laut Berechnungen der Volkswirtschaftsdirektion hat sich der Wert nachhaltiger Anlagen zwischen 2018 und 2021 in der Schweiz fast verzehnfacht. Besonders stark zeige sich diese Entwicklung bei den Anlagefonds. Mit knapp 800 Milliarden Franken würden ökologische und soziale Portfolios inzwischen mehr als die Hälfte des gesamten Schweizer Markts ausmachen.

Und dennoch: «Das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft», betonte die Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh Mitte Januar vor den Medien. Schliesslich wolle der Kanton bis 2040, spätestens bis 2050 klimaneutral werden; da müsse auch die Wirtschaft mitmachen.

Das alles tönt sehr vielversprechend – wäre da eben nicht Greenwashing bei vielen Unternehmen gang und gäbe. Laut Studienautor:innen würde nur ein Teil der befragten Firmen aus innerer Überzeugung handeln. Stattdessen sei die Hauptmotivation für das Angebot nachhaltiger Finanzanlagen die Stärkung des Images sowie die Kundenbindung.

Gleichzeitig würde die fehlende Transparenz die Kundschaft verunsichern: «In der Schweiz fehlen einheitliche Standards, was nachhaltige Anlagen erfüllen müssen», erklärte die Geschäftsleiterin des Verbands Swiss Sustainable Finance, Sabine Döbli, an der Medienkonferenz. Potenzielle Anleger:innen könnten vielfach nicht prüfen, ob die Unternehmen, in die sie investieren, die versprochenen Ziele auch erreichen würden. Man scheint sich also zumindest bezüglich mehr Transparenz erst einmal einig zu sein beim Bund sowie beim Kanton Zürich.

Letzterer will sogar noch einen Schritt weiter gehen. Im Kantonsrat wurde vergangenen Montag eine parlamentarische Initiative verabschiedet, die unter anderem verlangt, dass die Zürcher Kantonalbank (ZKB) noch mehr zur Klimaneutralität beiträgt. Während sich die Parlamentarier:innen auf der linken Ratsseite über die Annahme der Vorlage mit 89 zu 85 Stimmen freuten, wetterte der SVP-Politiker Valentin Landmann: «Die ZKB ist keine Andachtsstelle für Klima-Gurus.» Und auch der Präsident der Bank, der FDPler Jörg Müller-Ganz, zeigte sich alles andere als erfreut über den Paragraphen im ZKB-Gesetz, der die Bank zu mehr Öko zwingt – laut Tages-Anzeiger erklärte er seine Abneigung jedoch mit technischen Argumenten. Doch es half alles nichts: Die ZKB wird zur «Zürcher Klimabank»; so bezeichnete zumindest der Drahtzieher der Initiative, der grüne Kantonsrat David Galeuchet, die Bank nach der Annahme. 

Skandal um CO2-Zertifikate: Fake Einsparungen im Wert von 89 Millionen Tonnen

Gucci macht es, Zalando auch, Walt Disney und Netflix. Sie alle kompensieren ihren CO2-Ausstoss mit Waldschutz-Zertifikaten. Das Prinzip ist einfach: Solange Wälder intakt sind, können sie CO2 speichern und jede Tonne, die gebunden ist, ist eine Tonne, die nicht zur Klimakrise beiträgt. Wer also für den Schutz des Waldes zahlt, bekommt im Gegenzug das eingesparte CO2 gutgeschrieben. Schliesslich ist es der Atmosphäre egal, wo CO2 ausgestossen und wo es wieder aufgenommen wird. Das Geschäft mit den Zertifikaten brummt. Doch es gibt einen Haken.

Eine gemeinsame Recherche der Zeit, der britischen Tageszeitung The Guardian und des britischen Reporterpools Source Material deckt auf, dass jahrelang CO2-Zertifikate verkauft wurden, die gar nicht die Menge Treibhausgase einsparen, wie versprochen wurde. Grund dafür sei die Art der Zertifikate: Ein Grossteil jener auf dem freien Markt würden aus Waldschutzprojekten stammen. Dort werden also keine neuen Bäume gepflanzt, sondern lediglich verhindert, dass jemand den Wald abgeholzt. Das führt laut der Zeit-Autor:innen dazu, dass ihre Kompensation um ein Vielfaches überbewertet werden, «weil die Regeln des wichtigsten Zertifizierers auf dem Markt das zulassen und die Aufsicht versagt».

Namentlich sei das die Organisation Verra, die zwar keine Behörde ist, jedoch eine Aufsichtsfunktion hat. In drei von vier Fällen weltweit übernehme Verra die Aufgabe, zu entscheiden, wie viele Zertifikate einem Projekt zugerechnet werden dürfen. Sie trage also die Verantwortung dafür, dass nur dann ein Zertifikat ausgegeben wird, wenn auch tatsächlich CO2 eingespart wird, so die Zeit: 

«Tausende Unternehmen weltweit können ihretwegen seit Jahren grosse und kleine Klima-Erfolge verkünden. Der Walt-Disney-Konzern zum Beispiel schwärmt, er habe seine Emissionen seit 2012 halbiert.

Audi feiert die Entwicklung seiner ersten CO2-neutralen E-Autos.

Gucci verkündet, vollständig klimaneutral zu operieren.

McKinsey, Netflix, Zalando auch.

So viel Fortschritt. So viel Erfolg, überall.

Was, wenn vieles davon gar nicht echt ist?»

Laut der Recherche ist es das nicht. 89 Millionen Tonnen CO2 sind Berechnungen zufolge fake gewesen. Was etwa dem jährlichen Ausstoss von Griechenland und der Schweiz zusammen entspreche. 

Der Handel mit CO2-Zertifikaten hat seit 2019 enorm zugenommen – auch bei Verra. (Grafik: Screenshot Zeit Online)

Auf den Schwindel aufmerksam geworden sei ein Ökologe aus den USA. Elias Ayrey habe für ein Start-up gearbeitet, das Firmen anbietet, die vertrauenswürdigsten Zertifikate aus Waldschutzprojekten zu finden. Ihm seien viele Projekte aufgefallen, die unrealistisch schienen. Verra habe ein System geschaffen, «in dem systematisch manipuliert» werde, sagt Ayrey. «Es ist wie beim Doping. Drei Leute dopen, deshalb müssen alle dopen. Und jeder weiss Bescheid.» Irgendwie erstaunt es nicht: In den Berater- und Interessengremien von Verra würden drei Manager des Mineralölkonzerns Shell, Mitarbeiter:innen des Pharmariesen Bayer, des Lebensmittelherstellers Danone und des Online-Händlers Amazon sitzen. Der ehemalige Programmdirektor von Verra ist laut der Zeit heute Manager bei Shell.

Was sagt die Organisation zu den Vorwürfen? David Antonioli, Geschäftsführer von Verra, schliesse nicht aus, dass einige ihrer Waldschutzprojekte überschätzt sein könnten. Trotzdem sagte Antonioli am Ende des Gesprächs mit dem Rechercheteam: «Wir haben Ihnen nicht gegeben, was Sie wollten. Wir haben nichts zugegeben.» Verra wird also weitermachen. Zwar gab es nach der Veröffentlichung des Beitrags durchaus Stimmen von Unternehmen, die sich kritisch zur Arbeitsweise von Verra äusserten – zum Beispiel Volkswagen. Doch wie viele der Unternehmen, die von dem Schwindel profitiert haben, tatsächlich auf ihre Kompensationen verzichten werden, bleibt offen. 

Falls du die ganze Recherche lesen möchtest und kein Zeit-Abo hast, darfst du mir gerne eine Mail machen, dann lasse ich dir das PDF zukommen. 

Foto: Screenshot SRF/Walter Bieri

Klimakopf des Monats: Cordelia Bähr

Magst du dich noch an den Fall des Zürcher Richters Roger Harris erinnern, der im September einen Platz im Klima-Briefing erhielt, weil er ankündigte, ab jetzt Klimaaktivist:innen konsequent freizusprechen? Nun, nachdem die Oberstaatsanwaltschaft ihn zuerst für «zu befangen» hielt, heisst es nun seitens Harris Arbeitgeber, dem Zürcher Obergericht: Man habe den Bezirksrichter angehört und sei «in Würdigung aller Umstände zur Überzeugung gelangt, dass der betreffende Richter weiterhin fähig ist und den Willen hat, innerlich frei und unabhängig zu entscheiden». Trotzdem werde er vorerst nicht mehr über Klima-Fälle urteilen. Das teilte das Zürcher Bezirksgericht gegenüber der NZZ mit. 

Doch es gibt auch Jurist:innen, die der Kritik trotzen: So auch unser Klimakopf des Monats, Cordelia Bähr. Die 41-Jährige setzt sich seit sieben Jahren für die Rechte von Schweizer Klimaseniorinnen ein – und zieht für sie bis vor den Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg. Dieser muss sich mit einer Klage des Vereins aus über 2000 Rentnerinnen befassen, die gegen die Schweiz klagen. Ihnen zufolge schützt der Staat ihr Menschenrecht auf Leben nicht genügend. Sie selber sehe sich aber nicht als Aktivistin, sagt Bähr gegenüber SRF. Trotzdem habe sie schon früh gemerkt, dass es eine grosse Kluft gebe zwischen dem, was aus getan werden müsste, und dem, was effektiv getan werde. «Das hat mich immer angetrieben. Ich kann nicht einfach die Ohren und Augen verschliessen und das ignorieren und weiterleben wie vorher.» Die Anwältin beantwortet die Frage, ob Gerichte der richtige Ort seien, um für Klimaschutz zu kämpfen, folgendermassen: «Es ist eine Rechtsfrage, ob die Menschenrechte verletzt sind oder nicht, und keine politische Frage.» Aber natürlich brauche es auch den politischen Weg; «es braucht alle Wege», so Bähr.

Kurz & knapp:

  1. Das Klimaziel-Gesetz, eine abgeänderte Version der Gletscher-Initiative, kommt im Sommer vors Schweizer Stimmvolk: Die SVP hatte in den letzten Wochen Unterschriften für ein Referendum gesammelt und hat diese Mitte Januar eingereicht. Laut SRF sind 103'877 Unterschriften zusammengekommen – mehr als doppelt so viele wie nötig gewesen wären. Das Gesetz führe zu einem Strommangel bis zum Blackout, explodierenden Preisen und hohen Kosten. Heizöl, Benzin, Diesel und Gas würden de facto verboten und Heizen sowie Autofahren wären nur noch elektrisch möglich, heisst es bei der SVP. 
  2. Der Klimapavillon auf dem Werdmühleplatz in Zürich wird ein Jahr lang zur «Bibliothek zur glücklichen Zukunft». Doch anders als in üblichen Bibliotheken würden im Pavillon nicht Bücher, sondern Visionen gesammelt, erklärte mir der Mitinitant Markus am Eröffnungsabend. «Es dreht sich alles um die Frage, wie wir bis ins Jahr 2043 eine klimafreundliche Zukunft gestalten können.» Neben den Wünschen und Gedanken, die in Einmachgläsern festgehalten werden, wird es im Verlauf der kommenden Monate auch regelmässig Veranstaltungen zu konkreten Themen geben. Zum ganzen Beitrag über den Sinn und Zweck des Projekts gelangst du hier
  3. Vereine aus Zürich kritisieren die Handhabung der Stadt bezüglich Hitzeminderung:Kürzlich veröffentlichte Planauflagen zum Heimplatz und zur Alfred Escher-Strasse würden zeigen, dass die Stadt Zürich «den dringenden Bedarf an Massnahmen zur Hitzeminderung noch nicht im vollen Umfang erkannt hat und die nötigen Konsequenzen scheut», schreiben der Fussgängerverein Zürich und die Vereine Stadtgrün und Klimastadt Zürich in einer gemeinsamen Medienmitteilung von Anfang Januar. Weil die Vereine finden, dass die Stadt ihr eigenes, behördenverbindliches Fachkonzept «Hitzeminderung» ignoriere, fordern sie, dass die im Planverfahren befindlichen Projekte entsprechend überarbeitet werden. Der Fussgängerverein habe deshalb Einwendungen eingereicht.
  4. Über Regenwürmer redet man in der Regel selten. Dabei sind die Tierchen enorm wichtig für unsere Böden und das Klima. Indem er Pflanzenteile in den Untergrund zieht und diese zersetzt, trägt der kleine Wurm nämlich dazu bei, dass Kohlenstoff gebunden wird. Doch wie viele Tiere leidet auch der Regenwurm unter den Auswirkungen der Klimakrise. Längere Dürreperioden würden seine Existenz bedrohen, denn immer häufiger falle schon das Frühjahr viel zu trocken aus, schreibt die NZZ. Ausserdem mache ihm ein eingeschleppter Plattwurm aus Südamerika zu schaffen. Zwar sei dieser nur vier bis sieben Zentimeter lang, doch er fresse die hier heimischen Regenwürmer, Schnecken und anderes Getier. Gemäss einem Informationspapier des Kantons Zürich ist der Plattwurm erst seit Kurzem in Europa aufgetaucht, weshalb man noch wenig über seine Ausbreitung und Bekämpfung weiss.
  5. Obwohl die Temperaturen in den letzten Wochen auch immer wieder unter den Gefrierpunkt fielen, war der Winter bisher deutlich zu warm. Zu warm, um Bäume zu fällen. Förster aus dem ganzen Kanton klagten deshalb vergangene Woche dem Tages-Anzeiger ihr Leid. Zwar habe es in den letzten Jahren regelmässig milde Winter gegeben, doch «so extrem wie in diesem Jahr habe ich es in meinen knapp 20 Jahren als Förster noch nicht erlebt», sagt beispielsweise Manuel Peterhans, der als Revierförster in Küsnacht arbeitet. Damit man mit den schweren Maschinen durch den Wald fahren könne, ohne dem Boden zu stark zu schaden, müsste es 14 Tage lang richtig kalt sein – doch das sei es nicht gewesen. Ergo könne man keine grösseren Holzarbeiten tätigen. Laut Tagi hat das nicht nur Auswirkungen auf die Holzpreise, sondern auch auf die Gesundheit der Wälder: Denn aus waldbaulicher Sicht sei es wichtig, dass regelmässig Bäume gefällt würden. «Damit schaffen wir Lichtschächte und verjüngen den Wald», erklärt Peterhans.
  6. Seit vergangenem Frühling wandelt die «Power-to-Gas»-Anlage in Dietikon Abwasser, Abfall und Strom in sauberes, synthetisches Gas um. Die Kehrrichtverwerterin der Firma Limeco ist schweizweit die einzige Anlage, die das in diesem Ausmass kann: 2000 Haushalte profitieren von der «Pionierleistung», wie das SRF berichtet. Das sehen auch andere so, weshalb Limeco vor zwei Wochen den Energiepreis des Bundes, den Watt d'Or, erhielt. 

Bild: Screenshot zuckerjagdwurst.com

Rezept des Monats: Einfache vegane Kohlrouladen


Zutaten für 4 Portionen (6-8 Kohlrouladen)
Zubereitungszeit: 60 min

Für die Kohlrouladen:

  1. 6-8 Blätter Weisskohl (oder Wirsing)
  2. 2 Zwiebeln
  3. 2 Knoblauchzehen
  4. 50 g Karotte
  5. 10 g frische Petersilie
  6. 250 g veganes Hackfleisch (roh/frisch)
  7. 250 g gekochte braune Linsen
  8. 2 EL mittelscharfer Senf
  9. 2 EL Tomatenmark
  10. 1 TL Paprikapulver
  11. vegane Butter zum Braten
  12. Salz
  13. Pfeffer

Für die Sauce:

  1. 2 EL vegane Butter
  2. 2 EL Tomatenmark
  3. 1 l Gemüsebrühe
  4. 35 g Speisestärke
  5. 100 ml vegane Kochsahne
  6. 2 TL Sojasauce
  7. 1 TL Majoran
  8. Zucker
  9. Salz
  10. Pfeffer

Beilagen:

  1. 1,5 kg festkochende Kartoffeln
  2. Salz
  3. frische Petersilie zum Servieren

Für die Kohlrouladen Zwiebeln, Knoblauch und Karotte schälen und fein würfeln (oder die Karotte raspeln). Frische Petersilie waschen und fein hacken. In einer Schüssel die klein geschnittenen Zwiebeln, Knoblauch und Karotte sowie gehackte Petersilie, veganes Hackfleisch, gekochte braune Linsen, Senf, Tomatenmark und Paprikapulver vermengen und kräftig mit Salz und Pfeffer würzen. Die Füllung gut mit den Händen durchkneten, sodass eine «matschige» und vor allem formbare Masse entsteht.

Pro Kohlroulade ein grosses Blatt vom Weisskohl (oder Wirsing) vorsichtig vom Strunk abschneiden und waschen. Den unteren Teil des Strunks im Blatt mit einem Messer herausschneiden. Gesalzenes Wasser in einem grossem Topf zum Kochen bringen und die Kohlblätter darin ca. 4-5 Minuten blanchieren. Die Blätter danach aus dem heissen Wasser nehmen, unter eiskaltem Wasser abschrecken und auf einem sauberen Geschirrtuch abtropfen lassen.

Auf jedem Kohlblatt nun 2-3 EL der Füllung mittig platzieren. Die Blätter von rechts und links zuklappen und die Kohlroulade von unten nach oben fest aufrollen, sodass eine Roulade entsteht. Mit Küchengarn befestigen, sodass die Kohlrouladen nicht auseinanderfallen. Diesen Schritt mit allen Kohlblättern wiederholen, bis die Füllung aufgebraucht ist. Nun mit Gemüsebrühe aufgiessen, einen Deckel auf die Pfanne oder den Bräter legen und die Kohlrouladen ca. 30 Minuten bei mittlerer Hitze schmoren lassen. Die Sauce sollte leicht köcheln. In der Zwischenzeit die festkochenden Kartoffeln schälen und in einen Topf geben. Mit Wasser bedecken, salzen und ca. 15-20 Minuten köcheln lassen, bis sie weich sind und ihr mit einer Gabel reinpieksen könnt.

Die Kohlrouladen im Anschluss aus der Pfanne nehmen. Speisestärke in 2-3 EL Wasser anrühren und zur Sauce geben. Die vegane Sahne einrühren und die Sauce mit Sojasauce, Majoran, einer Prise Zucker, Salz und Pfeffer abschmecken. Ca. 1-2 Minuten köcheln lassen, sodass sie leicht andickt. Die Kohlrouladen zurück in die Pfanne oder den Bräter geben und vom Herd nehmen. Zum Servieren die Petersilie waschen und fein hacken. Die Kohlrouladen mit der Sauce und den Kartoffeln servieren und mit frischer Petersilie bestreuen.

Die Good-News zum Schluss

Wenn du schon einmal in Australien gewesen bist, ist dir das Ozonloch bestimmt ein Begriff: Der Kontinent befindet sich direkt darunter, weshalb man sich dort noch regelmässiger mit Sonnencreme einschmieren muss als sonst wo auf der Erdkugel. Doch es scheint Hoffnung zu geben: Wie der Blick schreibt, soll sich die Ozonschicht in den nächsten Jahrzehnten erholen. Bis ins Jahr 2066 werden sich laut Prognosen von Expert:innen der UNO die Löcher wieder verschlossen haben. Das habe damit zu tun, dass die Luftschadstoffe, die zum Ozon-Abbau beitragen, auch Treibhausgase sind. Weniger CO2 = gesündere Ozonschicht sozusagen. Würden sich die Löcher wie gedacht schliessen, hätte das auch einen Effekt auf die Erderwärmung: Diese könnte sich dadurch um 0.3 bis 0.5 Grad verringern.

Event-Tipps

Du wirst es bemerkt haben; in den letzten Monaten wurde das Klima-Briefing immer ein wenig umgestellt und -gestaltet. In Marketing-Sprache würde man jetzt von «optimiert» sprechen. Jedenfalls will ich dir die Gelegenheit bieten, deinen nächsten Monat veranstaltungstechnisch zu optimieren. Deswegen führe ich an dieser Stelle neben dem Button, der dich zu den Veranstaltungen von Klimastadt Zürich führt, auch wieder Events auf, die anderweitig an mich gelangten:

  1. 02.02. von 17:00 bis 20:00 Uhr an der Pädagogische Hochschule Zürich: «Grips für die Energiewende – Event zur Studienwahl» – verschiedene Schweizer Hochschulen stellen in einem Kurzvortrag ihr Studienangebot im Zusammenhang mit dem Klimaschutz und der Energiewende vor.
  2. 23.02. um 18:30 Uhr im Klimapavillon auf dem Werdmühleplatz Zürich: «Mit dem E-Bike auf der Seidenstrasse» – Andrea Freiermuth von Pro Velo erzählt, wie sie 2018 mit dem E-Bike nach China gereist ist.
  3. 27.02. um 18:00 Uhr im Karl der Grosse Zürich: «Klimakrise und Bergwald» – Ein Forstingenieur des Bergwaldprojekts zeigt, welche Lösungsansätze bekannt sind und wo wir abhängig bleiben von der Natur.
  4. Bis 16.07. interaktive Ausstellung «Erde am Limit» im Kulturama Museum des Menschen in Zürich – Wie steht es um unseren Planeten?

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