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Von Simon Jacoby

Co-Geschäftsleitung & Chefredaktor

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7. November 2022 um 05:00

Kampf gegen Critical Mass: FDP in der ideologischen Sackgasse

Der monatliche Velo-Umzug ist der städtischen FDP ein Dorn im Auge. Doch die Forderung nach einer Bewilligungspflicht bringt nichts und zeigt, wie sich die Partei in der Verkehrspolitik in einer ideologischen Sackgasse befindet. Ein Kommentar.

(Foto: Unsplash/Claudio Schwarz)

Sie sei einfach Verkehr, sagt die Critical-Mass-Bewegung von sich selbst. Sie habe keine Organisator:innen und sei keine Demonstration – deshalb brauche sie auch keine Bewilligung. Wie zum Beispiel der Feierabendverkehr mit den vielen tausend Autos auch keine Bewilligung brauche.  

Gemeinderat und Stadtrat stützen diese Argumentation, was den bürgerlichen Politiker:innen ein Dorn im Auge ist. Mehrfach sind sie aufgelaufen mit ihrer Forderung nach einer Bewilligungspflicht für den Velo-Umzug. 

Doch die Freisinnigen geben nicht auf und wenden sich mittels einer Aufsichtsbeschwerde beim zuständigen Statthalter, der die Aufsicht über den Stadtrat hat. Die Argumentation: Erstens sei die Critical Mass organisiert und zweitens versperrten die Velofahrenden dem ÖV den Weg. Dies sei nicht verhältnismässig und daher bewilligungspflichtig. 

Die Chancen stehen nicht schlecht, dass die FDP recht bekommt. Zur Critical Mass verabredet man sich, sie startet immer am gleichen Ort zur gleichen Zeit. Somit weist der Umzug wichtige Merkmale einer Demonstration auf. Klar, der Feierabendstau mit den Autos findet auch immer am gleichen Ort zur gleichen Zeit statt. Doch man verabredet sich nicht, um gemeinsam im Stau zu stehen. Und man putzt auch sein Gefährt nicht extra raus, um von Abgasen umgeben durch die Stadt zu ziehen. 

Doch darum geht es nicht. Sollte die FDP recht bekommen und die Critical Mass müsste künftig eine Bewilligung einholen, würde dies auf den ÖV keine wesentlichen Auswirkungen haben. Auch bei bewilligten Demonstrationen kommt es beim ÖV zu geringfügigen Verzögerungen. Hier biegt die FDP in die Sackgasse ein, die Aufsichtsbeschwerde ist also reine Symbolpolitik.

Viel entscheidender ist jedoch, dass der Strassenraum weit mehr von Autos statt von Velos blockiert wird. Jeden Morgen und jeden Abend stehen Busse im Stau, weil der motorisierte Individualverkehr die Stadt verstopft. Es ist längst keine linke Forderung mehr, dass der Strassenraum umverteilt werden muss: Weg vom Auto, hin zum ÖV und Velo. Ökologisch, gesundheitlich, lärm- und platztechnisch ist bei nüchterner Betrachtung klar: Das Auto muss weg.

In Zeiten der wissenschaftlich erwiesenen Klimakrise und der immer weiter wachsenden Stadt sollte eine liberale Verkehrspolitik nicht daraus bestehen, den ÖV gegen die Velos auszuspielen. 

Dass ausgerechnet die FDP, welche sich selbst als die «vernünftige» Partei sieht, hier einen ideologischen Grabenkampf anzettelt, zeigt vor allem eins: Die Verkehrspolitik der FDP ist zuhinterst in der Sackgasse angelangt.

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